Hausmittel aus der grünen Apotheke
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Gesundheitstipp 10/2001
01.10.2001
Heilpflanzen eignen sich gut für die Hausapotheke - aber auch bei der Phytotherapie ist Vorsicht angebracht
Ob Tee, Tinktur oder Tabletten: Pflanzliche Mittel lindern viele Beschwerden und helfen vorzubeugen gegen Krankheiten. Doch auch Pflanzen können Nebenwirkungen haben, darum sollte man sie nicht allzu sorglos konsumieren.
Regula Schneider rschneider@pulstipp.ch
Barbara Bernath-Frei aus Zürich ist gegen herbstliche Erkältungen gewappnet. Wenn ...
Heilpflanzen eignen sich gut für die Hausapotheke - aber auch bei der Phytotherapie ist Vorsicht angebracht
Ob Tee, Tinktur oder Tabletten: Pflanzliche Mittel lindern viele Beschwerden und helfen vorzubeugen gegen Krankheiten. Doch auch Pflanzen können Nebenwirkungen haben, darum sollte man sie nicht allzu sorglos konsumieren.
Regula Schneider rschneider@pulstipp.ch
Barbara Bernath-Frei aus Zürich ist gegen herbstliche Erkältungen gewappnet. Wenn es kratzt im Hals, die Nasenschleimhäute anschwellen und das Atmen Mühe macht, trinkt die 46-Jährige Tee: In einen halben Liter kochendes Wasser gibt sie frisch gescheibelte Ingwerwurzel und eine halbe Zimtstange. «Das stärkt das Immunsystem, löst den Schleim und wärmt den Organismus», sagt sie. Ausserdem inhaliert sie den Dampf von heiss überbrühtem Thymiankraut. In den Sud gibt sie zwei Tropfen natürliches, ätherisches Cajeput-Öl: «Thymian desinfiziert, löst den Schleim und fördert den Auswurf. Cajeput - ein Verwandter des Teebaums - tötet Krankheitserreger ab.»
Barbara Bernath-Frei ist diplomierte Aromatologin. Sie gibt Kurse in Aromatherapie, unter anderem auch am Universitätsspital Zürich. Auf Wunsch der Patienten stellen Pflegende der Hals-, Nasen-, Ohrenabteilung ORL Duftlampen mit ätherischen Ölen ins Zimmer. Hörsturz-Patienten, die sich entspannen möchten, entscheiden sich oft für Lavendelöl. Und schwer kranken Patienten, die traurig sind, hilft «Orange süss» oft über die trübe Stimmung hinweg. «Das Öl bewirkt eine gute Raumatmosphäre und mildert Stress und Unruhe», erzählt die Stationsleiterin Britta Neukirchen.
Das Pflegepersonal der Zürcher ORL-Klinik bietet Patienten auch verschiedene Teesorten an. Kranke mit Mundgeruch, belegter Zunge oder Aphthen spülen den Mund mit Salbeitee, da dieser antibakteriell wirkt. «Das Wichtigste ist, dass der Patient alleine entscheidet, welchen Duft oder Tee er bekommen möchte», betont Britta Neukirchen.
Hans Marty schwört auf Löwenzahnsaft
Auch der 86-jährige Hans Marty aus Brunnen ist Experte für Heilpflanzen. Er schützt sich seit 15 Jahren mit Phytotherapie erfolgreich vor Arthrose und Rheuma: «Ich nehme seit 15 Jahren dreimal täglich einen Esslöffel Löwenzahnsaft, verdünnt mit der sechsfachen Menge Wasser oder Tee.» Der rüstige Rentner, der sich sein halbes Leben lang mit Heilpflanzen befasst hat, erfreut sich bester Gesundheit. «Bei Erkältungen hilft Kräutertee am besten. Die Mischungen kann man sich in der Drogerie zusammenstellen lassen.» Hans Marty schwört auf folgende Rezepte:
- Gegen Husten: 20 Gramm (g) Anis, 20 g Seifenkraut, 15 g Holunderblüten, 15 g Huflattichblätter und 10 g Veilchenwurzel. «Das fördert den Auswurf.»
- Gegen Halsentzündungen: 40 g Kamille, 20 g Salbei, 20 g Bibernellwurzel, 20 g Hederichkraut: «Zwei Esslöffel der Mischung mit zwei Tassen Wasser aufbrühen und gurgeln.»
Die Phytotherapie eignet sich grundsätzlich für die Hausapotheke: «Geeignet sind alle geprüften Heilpflanzen und Präparate, die in der Schweiz und in der EU in Apotheken und Drogerien erhältlich sind», sagt der Zürcher Arzt und Phytotherapeut Valerio Rosinus. Er warnt vor Produkten aus exotischen Ländern, die keine Angaben über Inhaltsstoffe enthalten: «Niemand sollte Mittel kaufen, die nicht klar deklariert sind.» Vor anderthalb Jahren führten verunreinigte asiatische Kräuter unklaren Ursprungs in Belgien in 100 Fällen zu Nierenversagen, in 30 Fällen zum Tod. Um registriert zu werden, müssen pflanzliche Produkte in der Schweiz strenge Qualitätskontrollen durchlaufen. Die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel in Bern (IKS) entscheidet, welche Produkte registriert und zugelassen werden.
Bei Fertigprodukten auf IKS-Nummer achten
«Bei unbekannten Pflanzen verlangen wir eine ausführliche Dokumentation zur Sicherheit und klinische Unterlagen darüber, dass ein Arzneimittel wirksam und unbedenklich ist», sagt Karoline Matthys, Leiterin der Abteilung Komplementär- und Phytoarzneimittel der IKS. Konsumenten erkennen registrierte Produkte an der IKS-Nummer und der Vignette, die angibt, ob ein Medikament rezeptpflichtig ist oder nicht. Rezeptpflichtige pflanzliche Medikamente sind zumBeispiel das Herztherapeutikum Digoxin oder Legalon gegen Leberkrankheiten.
Im Vergleich zu synthetischen Medikamenten haben pflanzliche Heilmittel weniger unerwünschte Nebenwirkungen: «Die Tees, Kräuter und Pflanzenteile der Volksmedizin sind nie besonders stark konzentriert», sagt der Luzerner Apotheker und Phytotherapeut Christoph Bachmann. Pflanzliche Heilmittel als harmlos zu bezeichnen sei aber grundlegend falsch: «Heilpflanzen sind wirksame Medikamente und können auch Nebenwirkungen haben.» Dies ist meist dann der Fall, wenn jemand überempfindlich reagiert auf eine Substanz. «Unverträglichkeiten werden durch die Inhaltsstoffe einer Pflanze vervielfacht», sagt Christoph Bachmann.
Den Auslöser festzustellen ist jedoch sehr schwierig. «Pflanzen sind Vielstoffgemische», sagt Marijke-Frater Schröder von der Schweizerischen Gesellschaft für Phytotherapie: «Es geraten verschiedene Inhaltsstoffe in den Körper, von denen man nicht weiss, wie sie wirken.» Problematisch ist dies vor allem bei hoch dosierten Präparaten der wissenschaftlichen Phytotherapie. Der Trend: Immer mehr solche Präparate kommen auf den Markt. Beispiele dafür sind die Johanniskrautpräparate Jarsin oder Rebalance. Je höher ein pflanzlicher Extrakt dosiert ist, umso mehr steigt das Risiko für Nebenwirkungen. Besonders in Kombination mit starken synthetischen Medikamenten. So vermindern Johanniskrautpräparate zum Beispiel die Wirkung von blutverdünnenden Medikamenten und Herzmitteln. «Der Patient muss den Arzt darüber informieren, welche Medikamente er einnimmt, auch wenn sie pflanzlich sind», sagt Valerio Rosinus.
Die Meldungen über Nebenwirkungen bei pflanzlichen Präparaten bewegen sich in der Schweiz in kleinem Rahmen. An den 2000 jährlichen Meldungen waren laut IKS im letzten Jahr rund 80 pflanzliche Präparate beteiligt. Meistens handle es sich um leichte Nebenwirkungen.
Bis heute konnte die Wirksamkeit von rund 30 Heilpflanzen klinisch belegt werden. So zum Beispiel bei Ginseng, Baldrian, Teufelskralle, Johanniskraut, Ingwer, Weissdorn und Arnika. Allein in Europa werden jedoch 300 Arzneipflanzen genutzt: «All diese Pflanzen klinisch zu prüfen wäre wünschenswert. Kurzfristig ist dies aber nicht möglich, weil es einen unvorstellbaren Aufwand bedeuten würde», sagt Professor Beat Meier, Präsident der Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie. Trotzdem gehen Wissenschaftler wie Meier davon aus, dass die Pflanzen Heilungspotenzial haben: «Jede der bisher pharmakologisch und klinisch untersuchten Heilpflanzen hat die erwartete Wirksamkeit gezeigt.»
Pflanzenmittel absetzen - Achtung, Operation!
Bestimmte pflanzliche Heilmittel können das Risiko von Komplikationen während chirurgischen Eingriffen erhöhen. Dazu gehören Echinacea, Ephedra, Ginkgo biloba, Ginseng, Kava, Knoblauch, Johanniskraut und Baldrian.
Echinacea sollten Sie so früh wie möglich vor einer Operation absetzen, Ephedra, Kava und Baldrian wenigstens 24 Stunden vorher, Knoblauch und Ginseng wenigstens fünf Tage vor demEingriff.
Nur registrierte Präparate kaufen
- Fragen Sie in der Apotheke oder Drogerie nach Nebenwirkungen oder Anwendungseinschränkungen der Heilpflanzen.
- Bewahren Sie Heilkräuter nicht länger als drei Jahre lang auf.
- Kaufen Sie bei Fertigprodukten nur registrierte. Sie erkennen sie an der IKS-Nummer und an der Vignette, die angibt, ob ein Medikament rezeptpflichtig ist.
- Kaufen Sie keine Produkte ohne Angabe über Inhaltsstoffe.
- Sagen Sie Ihrem Arzt, welche pflanzlichen Heilmittel Sie einnehmen. Das ist wichtig, um Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auszuschliessen.
- Der Bund hat die Phytotherapie als ärztliche Pflichtleistung in die Grundversicherung der Krankenkassen aufgenommen. Kassenpflichtige Medikamente stehen auf der Spezialitätenliste. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Arzt oder Apotheker.
- Informationen über Heilpflanzen: Kurse und geführte Exkursionen im Heilpflanzengarten Bad Ragaz: Auskunft und Anmeldung bei der Fachschule für NaturheilpraktikerInnen FNH, Bösch 23, 6331 Hünenberg, Tel. 041 781 00 17
- Buchtipp: Christine Sengupta, Peter Grob, Hans Stüssi: «Medikamente aus Heilpflanzen», Unionsverlag Zürich, Fr. 38.-