«Schon als Frau fühlte ich mich immer wie ein Mann»
Inhalt
Gesundheitstipp 3/2001
01.03.2001
Beat und Regula Zemp über den Alltag mit einem transsexuellen Partner
Beat Zemp, 54, war früher eine Frau - eine unglückliche. Er fühlte sich gefangen im falschen Körper. Bis Chirurgen aus der Frau einen Mann machten. Seither fühlt sich Beat wohl in seiner Haut - und ist glücklich verheiratet.
Fridy Schürch redaktion@pulstipp.ch
Beat: Schon 1974 wollte ich mich zum Mann umwandeln lassen. Damals gab es in der Schweiz aber noch keinen Arzt, der ...
Beat und Regula Zemp über den Alltag mit einem transsexuellen Partner
Beat Zemp, 54, war früher eine Frau - eine unglückliche. Er fühlte sich gefangen im falschen Körper. Bis Chirurgen aus der Frau einen Mann machten. Seither fühlt sich Beat wohl in seiner Haut - und ist glücklich verheiratet.
Fridy Schürch redaktion@pulstipp.ch
Beat: Schon 1974 wollte ich mich zum Mann umwandeln lassen. Damals gab es in der Schweiz aber noch keinen Arzt, der das konnte. Ich war sehr entmutigt und liess die Idee erst mal fallen. Eine Operation überlegte ich mir erst wieder ernsthaft, als ich dich kennen lernte. Die Medien berichteten damals immer häufiger über medizinische Geschlechts-Umwandlungen durch Schweizer Ärzte. Ich schöpfte wieder Hoffnung.
Regula: Ich fühlte, wie sehr du darunter gelitten hast, eine Frau zu sein. Ich schätze an dir, dass du sehr sensibel bist. Das kommt von deinem früheren Leben als Frau. Ebenso liebe ich aber auch deine härtere, männliche Seite.
Beat: Kein Wunder, welche Berufsfrau hat denn schon so einen perfekten Hausmann daheim? (lacht) Als ich dich kennen lernte, fühlte ich mich gleich zu dir hingezogen. Ich litt damals an Multipler Sklerose, und du hast mich als Gemeindekrankenschwester gepflegt. Wir redeten viel miteinander. Du warst der einzige Mensch damals, der mich verstand. Das half mir, gesund zu werden.
Regula: Ja, ich war sehr gerne mit dir zusammen. Wir haben oft gelacht, verbrachten immer mehr Zeit miteinander. Aus der Freundschaft entwickelte sich Liebe.
Beat: Einfach war das allerdings nicht. Damals wusste niemand so genau, was ich bin - eine Frau oder ein Mann. Am Briefkasten stand einfach Zemp. Ich selbst fühlte mich aber schon als Mann. Ich kleidete mich deshalb total männlich. Das war schon immer so. Schon als kleines Mädchen trug ich nur Röcke, wenn man mich dazu zwang.
Regula: Als meine Bekannten dich kennen lernten, waren sie ziemlich verunsichert. Ich wurde oft gefragt, ob du ein Mann oder eine Frau seist. Das war mir manchmal peinlich. Vielen sagte ich, du seist ein Mann, obwohl du es damals noch gar nicht warst - jedenfalls körperlich gesehen. Für mich warst du es von Anfang an. Ich liebte dich einfach so, wie du warst. Ich wollte das nicht jedem erklären. Auch meine Eltern hatten zuerst grosse Mühe mit unserer Beziehung.
Beat: Ich liebte dich so, wie ein Mann eine Frau liebt. Männer haben mich sexuell nie interessiert. Wir redeten viel über eine Geschlechtsumwandlung. Schliesslich entschloss ich mich zu diesem Schritt. Ich wollte auch körperlich ein Mann sein. Für mich und für dich.
Regula: Ich konnte zu deinen Plänen überzeugt Ja sagen. Dein Leben war ein einziges Maskenspiel. Es machte mich traurig und hilflos, das mit anzusehen.
Beat: Du hast Recht. Nie konnte ich mich selber sein. Ich fühlte mich im falschen Körper gefangen. Um diesen Zustand auszuhalten, betäubte ich mich mit Alkohol und Tabletten. Nach der Operation erhielt ich neue Papiere. Ab sofort hiess ich Beat statt Beatrice. Jetzt konnte ich endlich zu mir stehen. Unsere Verwandten und Freunde reagierten darauf positiv.
Regula: Wir sind jetzt seit sieben Jahren verheiratet und die meisten akzeptieren uns als ganz normales Paar. Die Heirat beruhigte die ganze Situation. Vorher wussten viele nicht, wie sie auf uns reagieren sollen. Es hat sich vieles verändert. Du bist glücklicher, auch wenn noch nicht alles stimmt. Geschlechtsverkehr können wir zum Beispiel noch nicht haben.
Beat: Wir haben gelernt, anders mit der Sexualität umzugehen. Der Geschlechtsverkehr ist nicht das Wichtigste. Die erste Operation war ein Pfusch. Für das Herstellen eines Penis höhlten die Ärzte meinen Arm 15 cm aus. Die Penis-Rekonstruktion geriet aber zu dünn. An manchen Stellen fühlte ich überhaupt nichts, an anderen war ich überempfindlich. Ich musste all die Jahre mit enormen Schmerzen und Narben leben. Um es überhaupt auszuhalten, musste ich mein Glied täglich einbinden. Wegen den Schmerzen verging mir die Lust am Sex.
Regula: Unsere Liebe wurde deshalb aber nicht schwächer. Wir lebten sie dann eben mehr auf der gefühlsmässigen Ebene.
Beat: Es war für dich aber auch sonst nicht angenehm. Weil mir jede Bewegung wehtat, mochte ich gar nichts mehr unternehmen und bin am liebsten zu Hause geblieben.
Regula: Du bist ein richtiger Stubenhocker geworden. Für mich war es manchmal schon langweilig, wenn ich nichts mehr mit dir unternehmen konnte. Aber wir haben unsere Probleme immer wieder lösen können.
Beat: Du warst schon immer selbständig. Ich hatte nie Mühe damit, wenn du alleine oder mit Freunden unterwegs warst. Du konntest ja nicht auf alles verzichten, nur weil ich nichts mehr unternehmen mochte. Die Umwandlung habe ich aber trotz allem nie bereut.
Regula: Die Operation veränderte dich nicht nur optisch. Die männlichen Hormone veränderten auch dein Wesen. Vorher warst du noch viel einfühlsamer. Ich konnte stundenlang über alles mit dir reden. Nach der Geschlechtsumwandlung wurdest du sturer, irgendwie aggressiver. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Deinen Humor hast du aber behalten.
Beat: Wir haben alles gemeinsam durchgestanden. Das wäre unmöglich gewesen, wenn wir uns nicht gegenseitig tolerieren würden. Aber wir sind eben ein gutes Team. Und jetzt ist es möglich, dass auch im intimen Bereich alles zum Klappen kommt. Es sind insgesamt acht Operationen nötig, um mein Glied zu verbessern. Fünf Operationen habe ich schon hinter mir. Jetzt bin ich schmerzfrei. Wenn alles gelingt, können wir bald auch normalen Geschlechtsverkehr haben. Die Penis-Prothese wird auf Knopfdruck reagieren. Das ist wieder eine neue Erfahrung für uns.
Regula: Ich bin auch zuversichtlich, dass dir die nächsten Operationen wirklich helfen. Es lohnt sich, alle zwei Wochen nach Lausanne ins Spital zu fahren. Als du aber vor zwei Monaten notfallmässig hinfahren musstest, war dieser weite Weg schon anstrengend.
Beat: Ich musste schnell reagieren, weil sich eine Narbe entzündet hatte. Ansonsten verläuft alles gut. Jetzt weiss ich wieder, was es heisst, schmerzfrei zu leben.
Regula: Du sorgst eben immer wieder für Aufregung (lacht). Ich bin froh, dass du dich dazu entschliessen konntest, deine Geschlechtsorgane nochmals anzupassen. Seither geht es dir besser. Du bist wieder lebenslustiger. Und das verbessert unsere Lebensqualität.
Beat: Es ist ein Wahnsinn, dass ich 54 Jahre lang warten musste, bis ich mich in meiner Haut wohl fühlen konnte. Jetzt geht es mir gut. Ich habe noch nie bereut, dass ich mich zum Mann umoperieren liess. Heute berate ich andere Transsexuelle. Ich freue mich, wenn ich jemandem weiterhelfen kann, der Ähnliches durchmacht.
Transsexualität - Frauen und Männer, die im falschen Körper gefangen sind
Von 100 000 Menschen sind im Durchschnitt drei Männer und eine Frau transsexuell. In der Schweiz unterziehen sich jährlich 20 bis 30 Menschen einer operativen Geschlechtsumwandlung.
- Das Gefühl, in der falschen Haut zu stecken, taucht meistens schon in der frühen Kindheit auf. Eine Geschlechtsumwandlung erleichtert manchen Transsexuellen das Leben. Viele Betroffene fühlen sich jedoch auch nach einer Operation nicht besser. Andere sind bereits nach einer Teiloperation glücklicher. Deshalb braucht jeder Betroffene eine speziell auf ihn abgestimmte Behandlung.
- Für eine Geschlechtsumwandlung ist ein ganzes Team von Spezialisten nötig: Der Psychotherapeut betreut den Patienten vor, während und nach der Operation. Ein Hormonspezialist macht die Vorbehandlung, ein plastischer Chirurg ist für den operativen Eingriff zuständig. Auch ein Urologe ist nötig. Es ist einfacher, aus einem Mann eine Frau zu machen, als umgekehrt.
- Wenn ein psychiatrisches Gutachten vorliegt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Nach der Geschlechtsumwandlung ist es möglich, den Namen zu ändern.
- Buchtipp: Georges Winter: «Mädchenjahre eines Mannes», Fr. 25.-
Bezugsquelle und Kontakt: Beat Zemp, Tel. 052 383 24 48, E-Mail: bzemp@swissonline.ch