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saldo 3/2000
16.02.2000
Versicherungen blocken ab
Frontalkollision mit ausgeliehenem Auto. Die Mobiliar weigert sich, den Schaden zu bezahlen: Versichert sei nur gelegentliches Fahren. Was das heisst, wird in den Policen nicht näher erläutert.
Giona Mattei studiert in Mailand Philosophie und lehnt ab und zu das Auto seiner Tessiner Grossmutter aus. Der Student hat einen Zusatz zur Haftpflichtversicherung abgeschlossen: Fährt er "gelegentlich" fremde Autos, ist Mattei bei der Schweizeris...
Versicherungen blocken ab
Frontalkollision mit ausgeliehenem Auto. Die Mobiliar weigert sich, den Schaden zu bezahlen: Versichert sei nur gelegentliches Fahren. Was das heisst, wird in den Policen nicht näher erläutert.
Giona Mattei studiert in Mailand Philosophie und lehnt ab und zu das Auto seiner Tessiner Grossmutter aus. Der Student hat einen Zusatz zur Haftpflichtversicherung abgeschlossen: Fährt er "gelegentlich" fremde Autos, ist Mattei bei der Schweizerischen Mobiliar für Fahrzeugschäden versichert.
Im Mai 1999 passierte ihm ein Unfall mit Totalschaden. Prompt weigerte sich die Versicherung, den Schaden von 7000 bis 8000 Franken auch nur teilweise zu bezahlen. Grund: Er sei mit Grossmutters Auto "regelmässig", sprich zwei- bis dreimal pro Monat, gefahren. Darum gelte die Versicherung nicht mehr, argumentierte Gaspare Nadig, Direktionsmitglied der Mobiliar, in der Rubrik Streitfall des Kassensturz. Nadig verwies dabei auf Bundesgerichts- und kantonale Urteile.
Doch wie oft ist gelegentlich, und ab wann gilt der Gebrauch des fremden Autos als regelmässig? "Ein dehnbarer Begriff", befand die unabhängige Schiedsrichterin für Konsumentenfragen, Doris Slongo. "Im Streitfall muss das Wort gelegentlich vom Richter interpretiert werden", betont sie.
Versicherungsverträge sind unklar verfasst
Die saldo vorliegenden Urteile lassen sich jedenfalls nicht direkt auf Giona Matteis Schadenfall übertragen - zu stark unterscheiden sich Anzahl Kilometer und Häufigkeit des ausgeliehenen Autos. Das Bundesgericht entschied 1998, dass der Gebrauch eines Fahrzeuges, mit dem innert 17 Monaten über 11 000 Kilometer gefahren wurden, als regelmässig anzusehen sei. Das St. Galler Kantonsgericht entschied in einem anderen Fall, dass die Schäden laut "Allgemeinen Versicherungsbedingungen" nur für "echte Sonderfälle" gedeckt sind. In jener Police war jedoch klar von "ausnahmsweisem Gebrauch" die Rede.
Unklar ist bei den meisten Versicherungen, welche Schäden übernommen werden. saldo fragte bei mehreren grossen Gesellschaften nach. Die Auskünfte lassen noch immer viele Fragen offen. Bei der "Berner" heisst das: "Von der Versicherung sind Schäden an Fahrzeugen ausgeschlossen, die ... regelmässig benützt werden oder länger als drei aufeinanderfolgende Tage benützt werden." Als regelmässig könne bei der "Berner" bereits einmal pro Monat gelten, bekennt Pressesprecher Hansjörg Leib-undgut.
"Am ehrlichsten wäre es, in konkreten Zahlen zu sagen, was regelmässig ist." Ähnlich tönt es bei der "Zürich" und der Basler Versicherung. Die "Basler" etwa schreibt von "gelegentlichen (nicht regelmässigen) Benützern" und sagt nicht genauer, was sie darunter versteht. Die "Winterthur" bezahlt für "Benützer fremder Personenwagen ...., sofern sie gelegentlich, unregelmässig (höchstens tageweise und nicht für einen gleichbleibenden Zweck) ist".
"Gelegentlich ist ein Gummibegriff", sagt auch Ruedi Steiner, Pressesprecher der "Winterthur,. Gaspare Nadig, Direktionsmitglied der Mobiliar, stimmt dem zu: "Am ehrlichsten wäre es, solche Versicherungen gar nicht mehr anzubieten oder im Vertrag konkret in Zahlen zu sagen, was regelmässig ist."
Offen bleibt die Frage, warum die Gesellschaften dies nicht tun. Man wolle nicht zu stark ins Detail reglementieren, argumentieren die Versicherungen. Ihre Agenten hätten den Auftrag, im Vertragsgespräch zu sagen, was genau unter regelmässig gemeint ist. Verdacht: Die Gesellschaften haben kein grosses Interesse daran, eindeutig festzuhalten, wann sie bezahlen. Sie könnten damit Kunden von einem Vertragsabschluss abhalten.
Bei einer unklaren Regelung gilt das Vertrauensprinzip
Fehlt eine klare Regelung, wie bei Giona Mattei, gilt die Auslegung, die der Kunde bei Vertragsabschluss in Treu und Glauben annehmen durfte. Doris Slongo: "Nach dem Vertrauensprinzip musste die Mobiliar damit rechnen, dass Mattei unter gelegentlich zwei- bis dreimal pro Monat verstand. Hätte sie dies ausschliessen wollen, müsste sie das im Vertrag besser umschreiben." Deshalb müsse die Versicherung den Schaden bezahl