Ärzte wollen den Blutdruck immer tiefer senken. Früher galten Werte um 160 als normal. Heute verschreiben die meisten Ärzte Medikamente ab einem Blutdruck von 140. Jetzt wollen chinesische Forscher selbst diese Richtlinien noch unter­bieten. Sie untersuchten rund 10000 Senioren im Alter von 60 bis 80 Jahren. Bei der Hälfte von ihnen senkten sie den Blutdruck mit Medi­kamenten auf Werte zwischen 110 und 130. Resultat: Die Teilnehmer erlitten zwar weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle, aber sie lebten nicht länger. Hinzu kommt: Die Medikamente verursachen Nebenwirkungen und hohe Kosten.

Für europäische Fachleute ist die neue Studie deshalb kein Anlass, Blutdruckwerte weiter zu senken. So sagt der Herzspezialist Jochen Schuler aus Salzburg (Ö), Mitherausgeber der Zeitschrift «Der Arzneimittelbrief»: Es sei wenig wirkungsvoll, den Blutdruck intensiver zu senken.  Auch Herzmediziner Stefan Christen vom Stadtspital Waid in Zürich will den Blutdruck seiner Patienten nicht noch weiter senken. «Der Nutzen ist sehr bescheiden», sagt er. Zudem habe ein tiefer Blutdruck auch Nachteile: Es könnten Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit auftreten.

Für Jochen Schuler ist klar: Die meisten Leute mit Blutdruckwerten zwischen 120 und 140 brauchen keine Medikamente. Nur bei gewissen Krankheiten wie Diabetes oder Nierenproblemen könnten niedrigere Werte angezeigt sein. Zumindest für jüngere Erwachsene seien Blutdrucksenker erst ab Werten über 140 zu empfehlen. Schuler: «Dies gilt vor allem dann, wenn eine Änderung des Lebensstils mit Abnehmen, regelmässiger Bewegung und Stressreduktion nicht erfolgreich ist.»