Daunen aus tierquälerischer Haltung in teuren Outdoor-Jacken
Die Schweizer Outdoor-Hersteller Mammut und Exped füllen Schlafsäcke und Jacken mit Daunen von Graugänsen. Diese stammen laut Experten aus tierquälerischen Betrieben in Ungarn.
Inhalt
saldo 06/2012
24.03.2012
Letzte Aktualisierung:
27.03.2012
Eric Breitinger, Zbigniew Sroga
Viele Outdoor-Ausrüster werben mit ihrem Engagement für den Tierschutz. Der Schweizer Hersteller Mammut aus Seon AG erklärt, für seine Produkte nur Daunen zu verwenden, die unter «verantwortungsvollen und tierfreundlichen Bedingungen» gewonnen wurden. Auch der Zürcher Outdoor-Ausrüster Exped versichert, beim Dauneneinkauf «auf die tiergerechte Haltung der Gänse» zu achten.
Mammut und Exped erklären, dass sie graue G&a...
Viele Outdoor-Ausrüster werben mit ihrem Engagement für den Tierschutz. Der Schweizer Hersteller Mammut aus Seon AG erklärt, für seine Produkte nur Daunen zu verwenden, die unter «verantwortungsvollen und tierfreundlichen Bedingungen» gewonnen wurden. Auch der Zürcher Outdoor-Ausrüster Exped versichert, beim Dauneneinkauf «auf die tiergerechte Haltung der Gänse» zu achten.
Mammut und Exped erklären, dass sie graue Gänsedaunen verarbeiten. Mammut füllt damit Schlafsäcke der Marken Altitude, Sphere und Shield. Die Daunen stecken auch in Daunenjacken der Winterkollektion 2013. Exped verwendet sie für Schlafsäcke etwa der Marken Lite, Waterbloc oder Dreamwalker und für ihre Daunenmatten. Sehr warme Schlafsäcke kosten im Fachgeschäft 500 bis 800 Franken.
Hersteller berufen sich auf die Zertifikate der Lieferanten
Laut Exped und Mammut stammen die verwendeten grauen Daunen aus Polen. Vor einem Jahr nannten die beiden Firmen gegenüber der Tierschutzorganisation Vier Pfoten unter anderem Ungarn als Herkunftsland. Exped gibt an, auch heute unter anderem ungarische Daunen für Daunenmatten zu verwenden.
Die Angaben alarmieren Tierschützer. Für Marcus Müller von Vier Pfoten besteht kein Zweifel, dass «graue Daunen aus Ungarn stets aus der tierquälerischen Stopfleberproduktion stammen». Auch für den sächsischen Gänsezüchter Lorenz Eskildsen vom deutschen Verband der bäuerlichen Gänsehalter ist klar, dass «die Daunen mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit aus der Stopflebermast» kommen. Denn Züchter halten grosse Graugansbestände einzig, um Stopfleber herzustellen. Graue Daunen sind ein Nebenprodukt. Der ungarische Geflügelzüchterverband bestätigt, dass in der Stopflebermast «ausschliesslich» Graugansrassen vorkommen.
Ungarn ist neben Frankreich das einzige EU-Land, in dem die tierquälerische Stopfmast von Gänsen erlaubt ist. Bei dieser wird Gänsen drei Mal täglich ein Rohr in den Schlund gesteckt. Der Mäster presst mit Druckluft Maisbrei und Fett durch das Rohr – und zwar mehr, als die Gans fressen würde. So verfettet ihre Leber. Händler verkaufen die Foie gras als Delikatesse. Die Mäster halten die Graugänse, damit sie fett werden – laut Vier Pfoten meist in engen Käfigen. In der Schweiz und den meisten EU-Ländern ist die Stopfmast aus Tierschutzgründen verboten.
Mammut und Exped sehen in der Verwendung grauer Daunen keinen Widerspruch zu ihren Firmengrundsätzen. Sie berufen sich auf die schriftlichen Bestätigungen ihrer Lieferanten, die ihnen zusichern, keine Daunen aus der Stopflebermast und dem ebenfalls tierquälerischen Lebendrupf zu liefern. Mammut lässt die Daunen zudem nach eigenen Angaben in «zahlreichen Qualitätstests» im Labor auf Blutspuren hin untersuchen. Laut Marcus Müller von «Vier Pfoten» taugen beide Methoden nichts: «Händler können Bestätigungen fälschen.» Die Bluttests seien sinnlos, da die Lieferanten Daunen in der Regel zuerst waschen und desinfizieren.
Experte bezeichnet Herkunftsangabe «Polen» als Schwindel
Zweifelhaft ist auch die Herkunftsangabe «Polen». Mammut importiert nach eigenen Angaben graue Daunen des polnischen Unternehmens PPIP. Die Handelsfirma nennt in der schriftlichen Herkunftsbestätigung für Mammut zwei polnische Schlachthöfe als Lieferanten. Der Schlachthof Roldrob in Tomaszów Mazowiecki, rund 100 Kilometer südlich von Warschau, produziert, wie Aneta Sepkowska von der Exportabteilung saldo erklärt, aber nur weisse Daunen: «Wir schlachten hier keine Graugänse.»
Heidi Brun von Exped behauptet, beim deutschen Importeur graue Daunen von weissen Gänsen aus Polen zu beziehen. Solche Daunen gibt es laut Gänseexperte Lorenz Eskildsen aber nicht. Der von Exped benannte Importeur beantwortet die Anfrage zur Herkunft seiner Daunen nicht. Züchter Eskildsen hält die Herkunftsangabe «Polen» für einen «Schwindel». Nur in Ungarn seien grosse Mengen grauer Daunen verfügbar.
Laut dem Geflügelzüchterverband töteten ungarische Schlachthöfe im Jahr 2010 knapp 2,2 Millionen Graugänse um der Leber willen. Das macht über 90 Prozent der Foie-gras-Produktion der EU aus. In Polen ist die Stopflebermast seit Jahren verboten. Der polnische Geflügelzüchterverband erklärt, dass «die Mitglieder keine kommerziellen Graugansbestände halten». Auch der grösste Geflügelzüchter des Landes verneint, Graugänse zu mästen.
Outdoor-Firmen gefällt an grauen Daunen vor allem der Preis. Sie kosten laut Insidern 20 Prozent weniger als die begehrteren Daunen weisser Gänse. Qualitativ sind beide gleichwertig. Eskildsen wirft den Outdoor-Firmen vor, aus Profitdenken den Ursprung der Daunen nicht seriös zu prüfen und mit eigenen Herkunftsangaben die Kunden zu täuschen.
Produktion: Auch North Face und Patagonia arbeiten mit Daunen aus Stopfmast
Mammut und Exped sind nicht die einzigen Outdoor-Unternehmen, die graue Gänsedaunen aus zweifelhafter Quelle verwenden. Vor kurzem deckte die britische «Sunday Times» auf, dass die US-Hersteller The North Face und Patagonia graue Daunen aus Ungarn in vielen Produkten wie Daunenjacken verarbeiten, obwohl sie einen Zusammenhang mit der Stopflebermast bislang bestritten haben. Beide Hersteller kaufen Daunen beim US-Lieferanten Allied, Feather & Down. Laut US-Zolldaten, die saldo vorliegen, bezog Allied, Feather & Down im letzten Jahr 189 Tonnen graue Gänsefedern und -daunen bei F.B.Z. in Zürich. Laut Vier Pfoten ist F.B.Z. in Ungarn der grösste Händler grauer Daunen. The North Face und Patagonia räumten gegenüber der «Sunday Times» die Verwendung von Daunen aus der Stopfmast ein.