Hautenge Yogaleggings in Pastell- und Naturfarben hängen dicht gedrängt an den Kleiderständern. Daneben Oberteile, bauchfrei und knapp geschnitten.
Der Laden von Lululemon Athletica im Zürcher Niederdorf verkauft auf zwei grosszügigen Etagen nichts anderes als Yogakleider und -zubehör. Das kanadische Unternehmen machte damit laut Geschäftsbericht 2023 weltweit 7,6 Milliarden Franken Umsatz. Die Preise sind happig: Leggings kosten etwa 150 Franken, ein Bustier 65 Franken. Farblich abgestimmte Wasserflaschen gibt es für satte 60 Franken.
Auch viele Yogastudios verkaufen teures Zubehör wie Kleider, Matten, Duftsprays, Meditationskissen und Trinkflaschen. Und sie locken mit immer neuen Arten von Yoga: mit Hunden oder Alpakas, auf dem Surfbrett im See oder schwebend in Tüchern.
Einige Studios und spezialisierte Reisebüros verkaufen zudem Yogaferien – zum Beispiel im indischen Goa oder auf der Luxusjacht. Beim Zürcher Unternehmen Athayoga kostet eine Woche Yoga auf der Jacht in der Südtürkei über 2500 Franken – ohne Flugticket.
Weltweiter Umsatz: 80 Milliarden Franken
Yoga ist zum lukrativen Geschäft geworden. Laut der deutschen Zeitschrift «Yoga World» schätzen Fachleute den weltweiten Umsatz der Branche auf über 80 Milliarden Franken – Tendenz steigend. Gemäss der deutschen Buchautorin und Yoga-Expertin Sigrid König machen Yogakleider und -zubehör etwa die Hälfte davon aus.
Doch die knallharte Vermarktung von Yoga stösst auf Kritik. Daniela Küng, Präsidentin des Schweizer Yogaverbands, sagt: «Die Kommerzialisierung widerspricht der Philosophie von Yoga.» Laut dieser sei es das Ziel, sich von «materiellen Begehrlichkeiten» zu lösen und das Glück in sich selbst zu finden. «Wer sich ernsthaft mit Yoga befasst, braucht den ganzen Konsum darum herum nicht», so Daniela Küng.
Naomi King vom Verband Yoga Schweiz ergänzt: «Im Westen reduzierte man Yoga auf eine körperliche und auf Fitness orientierte Praxis.» Dies habe die Kommerzialisierung gefördert.
Die britische Journalistin Nadia Gilani geht in ihrem Buch «The Yoga Manifesto» mit der Vermarktung von Yoga hart ins Gericht: «Yoga ist vom Weg abgekommen.» Die ursprüngliche Spiritualität sei verloren gegangen.
Yoga stammt aus Indien und ist eine umfassende Lebensphilosophie. Dazu gehören neben Körperübungen, Atemtechniken und Meditation auch ethische Grundsätze, spirituelle Elemente und Selbstdisziplin. «Die heutige Praxis ist eigennützig, fitnessorientiert und zu einer elitären Sache geworden», so Gilani. Die Yogaindustrie spreche vorab gut verdienende Leute in Städten an.
Die Studie «Sport Schweiz 2020» des Bundesamts für Sport bestätigt dieses Bild: Yoga ist bei Frauen zwischen 30 und 44 besonders beliebt und in der Stadt mehr als auf dem Land. Nadia Gilani kritisiert, dass die Yogaindustrie ein problematisches Körperbild fördere: jung, gertenschlank und durchtrainiert. Es gehe oft nur darum, einen perfekten Körper in möglichst spektakulären Posen zu zeigen. Mit solchen Bildern präsentieren sich viele Yogastudios im Internet auf Instagram oder Facebook.
Und findige Geschäftsleute nutzen den Yogaboom in den Industrieländern, um mit Franchise-Unternehmen Geld zu scheffeln. Der Inder Bikram Choudhury zum Beispiel liess eine Abfolge von 26 Yogaposen in einem aufgeheizten Raum bei 40 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit als Marke schützen. Wer Bikram-Yoga-Kurse anbieten will, muss sich bei Choudhury ausbilden lassen. Kosten: rund 10'000 Dollar. Damit soll der Guru ein Millionenvermögen verdient haben.
Exklusive Yogakurse in asiatischen Resorts
Der Markt für Yogalehrer-Ausbildungen wächst stetig. Daniela Küng vom Schweizer Yogaverband sagt: «Viele wünschen sich, mit einer solchen Ausbildung tiefer ins Yoga einzutauchen.»
Mit Kursen lässt sich gut Geld verdienen: «Die Ausbildungen sind lukrativer als normaler Gruppenunterricht», sagt Küng. Laut Naomi King seien vor allem Kurzausbildungen in Yogaresorts in Asien ein einträgliches Geschäft. Gewisse berühmte Yogameister wie Choudhury pflegen einen fragwürdigen Personenkult.
Die Machtposition der Gurus hat teilweise drastische Folgen: So kam es zu Fällen von Missbrauch. Choudhury wurde 2016 in den USA wegen sexueller Belästigung verurteilt. Sigrid König kritisiert in ihrem Buch solche Auswüchse. Perfid: Viele Menschen kämen zu Yoga, weil sie an Krankheiten leiden, mit persönlichen Schwierigkeiten oder seelischen Verletzungen zu kämpfen haben.
Das bestätigt Religionswissenschafter Jens Augspurger von der Universität London im Dokumentarfilm «Yoga – Lifestyle mit Nebenwirkungen» des österreichischen Fernsehens ORF. Yoga gelte als «sicherer Ort», in dem man sich öffnen und schmerzvolle Erfahrungen verarbeiten könne. Das mache Betroffene besonders verletzlich.
Dabei braucht es für Yoga weder Gurus noch Luxus: Bequeme Kleider und eine Matte genügen. Sehr gute Yogamatten gibt es bereits für rund 30 Franken, wie ein Gesundheitstipp-Test zeigte (11/2023). Yoga kann man gut auch zu Hause machen. Gesundheitstipp-Merkblätter zeigen, wie es geht.
Tipps für den Einstieg ins Yoga
• Achten Sie darauf, dass die Yogalehrerin oder der Yogalehrer ein Diplom des Schweizer Yogaverbands (Swissyoga.ch) oder von Yoga Schweiz (Yoga.ch) hat. Damit ist eine mehrjährige fundierte Ausbildung nachgewiesen.
• Probieren Sie verschiedene Yogastile aus. Für den Einstieg eignen sich zum Beispiel Aerial-, Hatha-, Vinioder Vinyasa-Yoga.
• Nutzen Sie kostenlose oder vergünstigte Probelektionen, um das für Sie passende Angebot zu finden.
• Vertrauen Sie auf Ihr Körpergefühl: Machen Sie keine Übungen, bei denen Sie sich nicht wohl fühlen oder die Ihnen Schmerzen bereiten.
Gratis-Merkblätter
Weitere Informationen finden Sie in diesen Merkblättern: