Starke Schlafmittel für Senioren, unzählige Blut- und Röntgentests im Spital oder Dauerkatheter bei inkontinenten Patienten – diese Behandlungen sind nicht nur unnötig. Sie können den Patienten sogar schaden. Das verkündete kürzlich die Schweizer Fachgesellschaft für Innere Medizin in den Medien: Sie präsentierte eine schwarze Liste von Behandlungen im Spital, die man besser vermeiden sollte.
Doch diese Liste umfasst gerade mal fünf Punkte. Das ist mager im Vergleich zu anderen Ländern, wie Fachleute kritisieren. Arzt Urspeter Masche aus Basel sagt: «Da fehlt noch etwas Wind in den Segeln.» Denn es gäbe noch einige andere Behandlungen, die Patienten unnötigerweise über sich ergehen lassen müssen.
Weiter sind die Ärzte in den USA. Sie erstellten in den letzten Jahren Listen mit mehr als 250 unnötigen Therapien und Tests aus allen Fachgebieten der Medizin – darunter viele Behandlungen im Spital.
Die folgenden zehn Therapien gehören dazu:
Säurehemmer für alle Patienten
Im Spital verschreiben Ärzte vielen Patienten Pillen gegen die Magensäure. Sie sollen verhindern, dass sich die Magenschleimhaut durch Stress und Medikamente entzündet. Doch die Pillen sind in vielen Fällen unnötig. Zudem bekommen sie Betroffene nach dem Spitalaufenthalt manchmal noch weiterhin verschrieben. Langfristig kann dies die Aufnahme von Nährstoffen wie Kalzium und Vitamin B12 stören und Nebenwirkungen verursachen. Fachleute raten, Säurehemmer nur bei Beschwerden zu verschreiben.
Zu viel Antibiotikum bei Operation
Bei einer Operation können Keime in die Wunde gelangen. Um einer Infektion vorzubeugen, behandeln Ärzte die Patienten während und nach der Operation mit Antibiotika. Doch diese brauchts in den meisten Fällen höchstens während 24 Stunden, manchmal gar nicht. Zu viel Antibiotikum fördert resistente Keime und stört die Darmflora.
Patienten für die Pflege aufwecken
Viele Patienten haben im Spital grosse Mühe, durchzuschlafen – sei es wegen Schmerzen, der ungewohnten Umgebung oder den Zimmernachbarn. Das Pflegepersonal sollte Patienten deshalb nur dann für Pflege und Untersuche aufwecken, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen dringend nötig sind. Zu wenig Schlaf stört unter anderem die Atmung, den Kreislauf, den Stoffwechsel und die Abwehrkräfte der Patienten.
Zu viele Pillen für Senioren
Ältere Menschen bekommen oft einen ganzen Cocktail an Medikamenten, besonders im Spital und im Pflegeheim. Das erhöht die Gefahr von Neben- und Wechselwirkungen, Unwohlsein und Verwirrtheit. Ärzte sollten älteren Menschen kein neues Mittel verschreiben, ohne die bisherige Liste von Medikamenten zu überprüfen. Fachleute raten, mindestens einmal pro Jahr zu prüfen, ob noch alle Pillen nötig sind.
Gelenktoilette bei Arthrose im Knie
Bei Kniearthrose empfiehlt der Arzt häufig eine Gelenktoilette oder -spiegelung. Bei diesem Eingriff reinigt der Chirurg das betroffene Kniegelenk und glättet den abgenützten Knorpel. Allerdings nützt dies nicht mehr als eine vorgetäuschte Placebo-Operation. Es besteht zudem das Risiko von Infekten. Bei Arthrose raten Fachleute, das Knie regelmässig zu bewegen und bei Bedarf Schmerzmittel einzusetzen.
Operation von Hallux und Hammerzehen
Verkrümmte Zehen sollte man nicht aus kosmetischen Gründen operieren, sondern nur bei Schmerzen. Das gilt zum Beispiel für den Hallux valgus (Fehlstellung der Grosszehe) und die nach unten gebogenen Hammer- oder Krallenzehen. Denn bei der Operation kann es zu Komplikationen kommen. Zu diesen zählen geschädigte Nerven, Infekte, schlecht heilende Knochen und steife Zehen.
Schiene nach Operation des Karpaltunnels
Beim Karpaltunnel-Syndrom ist ein Nerv am Handgelenk eingeklemmt. Bei starken Beschwerden muss man operieren. Danach sollten die Patienten nicht unbedingt eine Schiene tragen. Denn sie schützt nicht vor Komplikationen – und kann sogar schaden. Denn die Schiene fördert Verklebungen im Gewebe und kann längerfristig die Beweglichkeit einschränken.
Computertomografie bei leichten Kopfverletzungen
Auf die Notfallstation kommen oft Patienten mit leichten Kopfverletzungen. Sie brauchen keinen Untersuch mit dem Computertomografen. Denn bei ihnen sind Schädelbrüche und Blutungen im Gehirn sehr selten. Ob eine Schädelverletzung leicht oder schwer ist, lässt sich auch ohne Computertomografie sicher feststellen. Der Untersuch belastet Patienten mit Röntgenstrahlen.
Ernährungssonde bei schwerer Demenz
Patienten mit fortgeschrittener Demenz haben oft Mühe mit dem Essen: Sie vergessen es, sind überfordert oder haben Probleme beim Schlucken. Es nützt aber nichts, sie mit einer Sonde zu ernähren. Sie leben dadurch weder besser noch länger. Die Sonde ist für sie zudem meist unangenehm und fördert Bauchweh oder Durchfall. Fachleute raten, die Patienten beim Essen und Trinken zu unterstützen und geeignete Nahrungsmittel anzubieten.
Medikamente gegen Psychosen bei Demenz
Bei schwerer Demenz sind Patienten häufig unruhig, enthemmt oder aggressiv. Dann verschreiben Ärzte Medikamente gegen Psychosen, wie Zyprexa oder Seroquel. Doch diese wirken bei Patienten mit Demenz nur wenig, sind aber riskant. Sie können unter anderem das Herz schädigen, Schlaganfälle fördern und Muskelkrämpfe verursachen. Fachleute raten, mögliche Ursachen für das Verhalten zu suchen, wie zum Beispiel Schmerzen, Verstopfung, Stress, Lärm oder Beengtheit.