Mit 70 Jahren ist Manuel Riesen immer noch voll berufstätig. Der Hochbauzeichner und Maurer mit Handelsschulabschluss führt in Gordola TI eine kleine Firma für Umbauarbeiten. Spezialisiert ist er auf Umbauten von Wohnhäusern. «Das gibt viel zu tun», sagt er. Pro Woche arbeitet Riesen 45 bis 50 Stunden. Allerdings spüre er das Älterwerden: «Ich werde schneller müde und bin dünnhäutiger als früher.» Seit einem Unfall hat er am linken Knie Arthrose.
Manuel Riesen arbeitet noch, weil er einen Teil seines Pensionskassenguthabens verlor. Sein früherer Arbeitgeber ging Konkurs. Als Riesen seine eigene Baufirma gründete, verzichtete er aus finanziellen Gründen auf die zweite Säule.
In der Schweiz sind rund 200'000 Rentner noch berufstätig
Manuel Riesen ist kein Einzelfall: Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer arbeiten nach dem 65. Geburtstag weiter. Zurzeit sind das rund 200'000 Frauen und Männer. Das zeigt eine neue Studie der Versicherung Swiss Life. Laut der Untersuchung sind zwei Drittel der Leute noch erwerbstätig, weil sie gern arbeiten. Ein Drittel sagt laut der Umfrage, sie arbeiteten aus finanziellen Gründen weiter. Vor allem Frauen und ausländische Staatsangehörige müssen oft mit zu tiefen Renten leben.
Alexander Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung bei Pro Senectute, sagt: «Niemand sollte nach der Pensionierung aus finanziellen Gründen gezwungen sein, weiter zu arbeiten. Falls die Rente nicht ausreicht, kann man Ergänzungsleistungen beantragen.» Den Ausschlag dafür, ob jemand nach 65 weiter arbeiten kann, gibt der Gesundheitszustand.
Allerdings sagt Isabel Baumann, Professorin am Institut für Public Health der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: «Angestellte in handwerklichen Berufen, zum Beispiel Mechaniker oder Reinigungspersonal, arbeiten oft länger als Büroangestellte, obwohl sie gesundheitlich weniger gut dran sind.» Das zeigte eine Studie der Hochschule mit über 1200 Teilnehmern im Alter von durchschnittlich 73 Jahren.
Das sollten Angestellte über 65 beachten
Damit Arbeiten nach 65 die Gesundheit nicht zusätzlich beeinträchtigt, sollten Berufstätige einige Punkte beachten:
- Das Arbeitspensum reduzieren. Teilzeitjobs oder kürzere Arbeitszeiten helfen, körperliche Schäden zu vermeiden.
- Einen Betrieb suchen, bei dem Jobrotation möglich ist. Wenn man an verschiedenen Arbeitsplätzen tätig ist, vermindert man die körperliche und psychische Belastung.
- Den Arbeitsplatz ergonomisch einrichten. Ein Arzt kann bestätigen, dass man einen Stuhl mit guter Lehne oder ein höhenverstellbares Pult benötigt.
- Kurze Pausen bei der Arbeit oder der Wechsel zwischen Stehen und Sitzen lockern die Muskeln. Ideal bei der Arbeit sind: 60 Prozent sitzen, 30 Prozent stehen, 10 Prozent bewegen.
- Auf die Fitness achten. Geeignete Übungen gibt es im Internet auf Gesundheitstipp.ch -> Service -> Merkblätter -> «Zehn Übungen für einen gesunden Rücken», «So stärken Sie Ihre Knie» und «Zehn Übungen für starke Schultern».
- Mit dem Velo zur Arbeit fahren oder einen Teil des Arbeitsweges zu Fuss gehen. Und: Treppen statt den Lift benutzen. Ŋ Gesund essen schützt vor Krankheiten. Dazu gehören ein reichhaltiges Frühstück und ein leichtes Mittagessen. Zudem sollte man stets genügend trinken.
- Techniken wie Meditation, Yoga oder Tai-Chi helfen beim Entspannen. Ŋ Keine Arbeiten übernehmen, die der Gesundheit schaden.
- Sich regelmässig vom Hausarzt untersuchen lassen – und mit dem Chef das Gespräch suchen, wenn es bei der Arbeit doch gesundheitliche Probleme gibt.
Arbeiten nach 65 ist am ehesten bei kleinen Firmen möglich
In der Schweiz beschäftigen grössere Unternehmen kaum Angestellte über das Rentenalter hinaus. Das zeigte vor kurzem eine Umfrage des «K-Tipp» bei Schweizer Konzernen. Beim Bodenpersonal der Airline Swiss zum Beispiel sind nur 10 von 3200 Leuten älter als 65 Jahre («K-Tipp» 11/2024).
Der Altersforscher François Höpflinger von der Uni Zürich sagt: «Gegenwärtig finden Senioren, die nach 65 weiter arbeiten möchten, am ehesten bei kleinen und mittleren Unternehmen eine Stelle.»
Auch Portale wie Rentarentner.ch können laut Höpflinger nützlich sein. Manuel Riesen sagt, er wolle nur noch bis Ende Jahr arbeiten: «Dann ist endgültig Schluss.» Die Arbeit mache ihm weniger Freude als früher. Die Bürokratie im Bauwesen werde immer komplizierter. Er überlegt sich nun, in ein Land mit tieferen Lebenskosten auszuwandern, etwa nach Deutschland, Spanien oder Portugal.
Arbeiten nach 65: Darauf sollten Sie achten
• Internetplattformen wie zum Beispiel Rentarentner.ch, Seniorsatwork.ch und Arbeitsrentner.ch vermitteln pensionierte Arbeitskräfte – meist für kleine Pensen und als Aushilfen.
• Wenn Ihre Rente nicht zum Leben reicht, können Sie bei der AHV-Stelle Ihres Kantons Ergänzungsleistungen beantragen. Ein Einkommen im Rentenalter vermindert die Höhe der Leistungen.
• Sie können Ihre Rente ganz oder teilweise um maximal fünf Jahre aufschieben. Dafür erhalten Sie später eine höhere Rente.
• Tipps zum Arbeiten nach 65 finden Sie bei Prosenectute.ch -> Ratgeber -> Arbeiten nach der Pensionierung.
• Freiwilligenarbeit ist im Rentenalter eine sinnvolle Alternative zu einer Erwerbstätigkeit. Infrage kommen Fahr- oder Mahlzeitendienste, Sterbebegleitung oder Nachbarschaftshilfe. Ehrenamtliche Jobs finden Sie unter Benevol-jobs.ch.