Waltraud Natter ist eine rüstige, lebhafte Frau. Doch zurzeit geht es der 86-Jährigen aus Effretikon ZH nicht gut. Ihr rechter Arm ist stark geschwollen. Die Hand kann sie kaum noch bewegen. Und ihre rechte Brust ist entzündet. Ärzte stellten ein Lymphödem fest. Im Arm sammelt sich Flüssigkeit an. Diese Beschwerden schränken Waltraud Natters Lebensqualität stark ein: «Ich kann im Haushalt nur noch das Nötigste machen», sagt sie. Freunde bekochen kann sie nicht mehr, und mit dem Aquafit musste sie aufhören. «Manchmal verliere ich den Lebensmut», seufzt sie.
Das Drama begann vor drei Jahren. Weil Blutgefässe in ihrem Herz verengt waren, musste sich Waltraud Natter im Universitätsspital Zürich operieren lassen. Im Dezember 2021 setzte ihr eine Chirurgin zwei Metallröhrchen in die Blutgefässe ein, sogenannte Stents. Der Eingriff verlief nicht wie geplant. Zweimal versuchte die Chirurgin vergeblich, die Stents über Waltraud Natters rechtes Handgelenk mit einem Katheter in die Blutgefässe einzuführen. Das sei «sehr schmerzhaft» gewesen, erinnert sich Natter.
«Die Chirurgin sagte nur, sie habe keinen Fehler gemacht»
Eine Woche nach der Operation schwoll der rechte Arm der Seniorin immer mehr an, und sie spürte heftige Schmerzen. Drei Mal pro Woche musste Natter nach Zürich fahren, um die überschüssige Flüssigkeit mit einer Lymphdrainage abzuleiten. Wegen des Lymphödems musste sie sich noch zwei Mal unters Messer legen. Vom Spital ist sie enttäuscht: «Die Chirurgin sagte mir nur, sie habe keinen Fehler gemacht und habe mit dieser Sache nichts mehr zu tun.»
Unabhängige Fachleute sehen das anders. Jochen Schuler, Herzspezialist in Salzburg (A) und Mitherausgeber der Fachzeitschrift «Der Arzneimittelbrief», sagt: Das Lymphödem zeige, dass beim Eingriff oder danach durch Schwellungen Gefässe zerstört wurden. Es sei auch «denkbar», dass die Entzündung der Brust eine Folge der Operation ist: Der Einführungsdraht des Katheters könnte ein Blutgefäss verletzt haben.
Manche Patienten entwickeln nach einer Stents-Operation das Schmerzsyndrom CRPS. Auch bei Waltraud Natter erwähnt die Krankengeschichte den Verdacht auf CRPS. Erika Ziltener, ehemalige Präsidentin der Patientenstellen und Autorin eines Buchs über Behandlungsfehler, hält es für möglich, dass das Unispital das Schmerzsyndrom nicht rechtzeitig abgeklärt hat: «Diese Krankheit ist schwer zu behandeln. Je früher die Therapie beginnt, umso besser.»
Patientenstellen bieten Beratung für Betroffene
Laut einem Bericht des Bundesamtes für Gesundheit erleiden rund zwölf von hundert Patienten im Spital gesundheitliche Schäden. Erika Ziltener rät Betroffenen, im Spital das vollständige Dossier mit Arztberichten, Laborberichten und Röntgenbildern zu verlangen und sich an eine Patientenstelle zu wenden. Falls nötig, holt diese bei einem erfahrenen Arzt ein Gutachten ein und klärt ab, ob die Beschwerden die Folgen eines Behandlungsfehlers sind.
Das Unispital schreibt dem Gesundheitstipp, man bedauere, dass die Patientin Waltraud Natter die Kommunikation mit der Chirurgin als «unpassend» wahrgenommen habe. Das Spital bitte die Patientin dafür um Entschuldigung. Man werde mit ihr das weitere Vorgehen besprechen, um eine Verletzung der Sorgfaltspflicht abzuklären.
So finden Sie einen guten Chirurgen
- Fragen Sie Ihren Hausarzt, ob er einen guten Spezialisten kennt.
- Vereinbaren Sie mit zwei bis drei Ärzten einen Beratungstermin.
- Erkundigen Sie sich, wie oft der Arzt den Eingriff schon durchgeführt hat. Lesen Sie seinen Lebenslauf im Internet.
- Vergleichsdienste wie Spitalfinder.ch, Spitalinfo.ch oder Welches-spital.ch liefern Informationen zu Spitälern.
- Lassen Sie sich beraten. Adressen: Patientenstelle.ch, Tel. 044 361 92 56; Spo.ch, Tel. 044 252 54 22; Rechtsberatung-up.ch, Tel. 0800 707 277