Eine Erbkrankheit zerstörte die Nieren von David Muff. «Als ich 20 war, arbeiteten sie immer schlechter», sagt er. Etwa zwei Jahre später versagten sie total. Seine Mutter spendete ihm eine Niere. Zwölf Jahre lang ging alles gut. Dann vernichtete die Erbkrankheit auch diese Niere. Folge: Seit knapp zwei Jahren muss David Muff, heute 35, wieder dreimal wöchentlich ins Spital zur Blutwäsche. Zwar steht er auf der Warteliste für Organe. Doch Patienten, die eine Niere brauchen, müssen mit einer Wartezeit von zwei bis drei Jahren rechnen.
«Danke auch, wenn ihr die Seite weiterpostet»
Das zehrt an David Muffs Nerven. Da hatte seine Frau die Idee, auf Facebook eine Seite mit einem Aufruf einzurichten: «Ich heisse David Muff und suche auf diesem Weg eine Niere, die mir meine Lebensqualität wieder retten und verbessern kann», steht auf der Seite. «Ich möchte gerne wieder arbeiten gehen. Heutzutage ist es nicht mehr eine so grosse Sache, eine Niere zu spenden», schreibt Muff auf Facebook. Der Aufruf schliesst mit den Worten: «Und ich bin natürlich ein Riesenglückspilz, wenn ich so einen Nierenspender für mich finden kann. Danke auch, wenn ihr die Seite einfach an eure Freunde weiterpostet.»
David Muffs Vorgehen ist nicht verboten, sofern dabei kein Geld ins Spiel kommt. Doch das Ergebnis des Facebook-Aufrufs war ernüchternd. Bis heute meldeten sich gemäss Muff zwar zehn Spendewillige. Nur: «Bei allen stellte sich nach ein paar Kontakten heraus, dass sie halt doch Geld wollten.» Zum Beispiel Sven aus München. «Ja, ich weiss, dass es illegal ist, eine Niere zu verkaufen», schrieb er, «aber ich habe gedacht, ein kleines Geschenk von dir ist nicht illegal.» Muff schrieb zurück: «Was wäre für dich denn ein kleines Geschenk?» Sven: «Um ehrlich zu sein, ich brauche 30 000 Euro.» Damit war der Fall für Muff erledigt, denn für ihn kam es nicht in Frage, gegen das Gesetz zu verstossen.
Der neuste Trend: Spenden über Kreuz
Der Fall zeigt: Auf der verzweifelten Suche nach einer Ersatzniere suchen Betroffene nach neuen Wegen. Aber nicht nur sie, sondern auch Ärzte. Bis anhin verpflanzten sie Nieren vor allem zwischen nahen Familienangehörigen wie Ehe- oder Lebenspartnern, Geschwistern sowie Eltern und Kindern. Doch seit einigen Jahren akzeptieren Transplantationsärzte auch Spender, die den Empfänger vorgängig nicht gekannt haben.
Die neuste Entwicklung dabei: Zwei oder mehr Paare spenden sich sozusagen über Kreuz ihre Organe. Das heisst, ein Kranker bekommt eine Niere dann, wenn seine Partnerin bereit ist, eine Niere auch dem kranken Partner des Spenders zu spenden. Letztes Jahr führten die Transplantationszentren Genf und Zürich in der Schweiz die ersten Operationen durch, an der drei Paare beteiligt waren.
Fachleute beobachten diese Entwicklung mit kritischem Blick. Für Ruth Baumann-Hölzle von der Stiftung Dialog-Ethik steigt dadurch der moralische Druck auf die Angehörigen: «Sie sind jetzt nicht automatisch entlastet, wenn ihre Niere nicht zum Partner passt.» Auch Margrit Kessler von der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz befürchtet, dass Angehörige zunehmend unter Druck geraten: «Unter sich nahestehenden Personen ist es ganz etwas anderes, eines seiner Organe zu geben, als einem Fremden.» Da gehe es um tiefe Emotionen. «Ich will einem lieben Menschen etwas von mir geben, damit es diesem besser geht», so Kessler. Ein Fremder könne niemals denselben Platz einnehmen. Kessler: «Je mehr Paare an einer Transplantation beteiligt sind, umso schwieriger wird es, sein eigenes Organ zu verschenken.» Kessler: «Eine solche Nierenbörse kann man als Tauschhandel bezeichnen.»
Franz Immer ist Chef der Stiftung Swisstransplant. Diese teilt im Auftrag des Bundes die Organe zu. Er weist den Vorwurf des Organhandels zurück: «Keiner bekommt Geld für sein Organ.» In der Schweiz kennen sich laut Immer Spender und Empfänger in den allermeisten Fällen persönlich. Immer: «Es handelt sich nicht um einander fremde Menschen.» Zudem würden Spender vor der Spende psychologisch abgeklärt: «Wenn wir feststellen, dass der Spender unter Druck steht, transplantieren wir nicht.»
«Es kann schnell zu Vorwürfen kommen»
Der Berner Peter Maibach ist skeptischer. Der 60-Jährige hat dieses Jahr von seinem Bruder eine Niere erhalten. «Wenn ich sehe, was emotional zwischen uns abläuft, hätte ich grosse Bedenken, wenn Spender und Empfänger sich nicht jahrelang gut kennen», sagt Maibach. Zwischen ihm und seinem Bruder sei das Verhältnis seit der Spende inniger geworden. Ob das mit Leuten möglich sei, die einander nicht so gut kennen, bezweifelt Maibach. Deshalb findet er, man müsse ein Ausweiten der Nierenspenden gut überdenken: «Wenn es beim Empfänger Komplikationen gibt, sein Körper die Niere abstösst, dann kann es schnell zu gegenseitigen Vorwürfen oder Schuldgefühlen kommen.»
Aufruf:
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