Der Pharmahersteller Abbvie wirbt an Kongressen und bei Hausärzten so für sein neues Medikament Skyrizi: «Nichts anderes als eine reine Haut wollen Patienten, das ist für sie alles.» Seit letztem Mai ist Skyrizi auch in der Schweiz erhältlich. Es soll die Haut der Psoriasis-Patienten von den Hautschuppen und damit vom lästigen Juckreiz befreien. Kosten der Spritzentherapie: jährlich rund 25000 Franken.
Skyrizi ist kein Einzelfall. Schlag auf Schlag kamen in den letzten Jahren vergleichbare Mittel gegen Psoriasis auf den Markt: Ilumetri, Taltz oder Stelara (siehe Tabelle im PDF). Sie hemmen Entzündungsfaktoren im Körper, wie Interleukine oder TNF-Faktoren. Allen gemeinsam sind die extrem hohen Kosten von 20000 bis 35000 Franken pro Jahr. Zugelassen sind sie selbst bei mittelschwerer Psoriasis. Die Grundversicherung zahlt die Behandlung.
Für die Hersteller sind diese Mittel eine Goldgrube: Laut dem Fachblatt «Nature» machte Abbvie mit Humira weltweit den grössten Umsatz aller Medikamente: 20 Milliarden Franken. Auf Platz zehn steht Stelara mit rund 5 Milliarden Franken. Der Umsatz aller Interleukin-Blocker wuchs im letzten Jahr um 24 Prozent. Für die Schweiz gibt es keine Verkaufszahlen.
Experten kritisieren diese Entwicklung scharf. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: «Ärzte verschreiben diese teuren Medikamente viel zu häufig.» Auch für Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber des Fachblatts «Pharmakritik», sind «solche teuren Therapien bei der überwiegenden Zahl der Psoriasis-Patienten nicht vertretbar».
Studien belegen die Wirkung zu wenig
So ist unklar, wie gut die Mittel tatsächlich wirken. Zwar gibt es für alle Medikamente Studien, die darauf hinweisen, dass sie die Hautschuppen zurückdrängen und damit auch den Juckreiz. Doch die Hersteller verglichen die Wirkung der Mittel vor allem mit Scheinpräparaten. Das reicht laut den Experten nicht. Etzel Gysling: «Es gibt kaum Untersuchungen, die zeigen, dass sie auch besser wirken als bewährte Therapien gegen Psoriasis.» Nur das würde den hohen Preis rechtfertigen. Auch müsste man die neuen Präparate untereinander vergleichen. Gysling: «Solange dies die Hersteller nicht gemacht haben, sind ihre Argumente vor allem Werbebotschaften.»
Hinzu kommt: Diese Medikamente haben schwere Nebenwirkungen, weil sie nicht nur Entzündungen unterdrücken, sondern auch das Immunsystem stören. Das deutsche Fachblatt «Arznei-Telegramm» schrieb diesen Frühling, dass Patienten «sehr häufig» Infektionen der Atemwege bekämen, auch Pilzinfektionen seien «häufig». Unklar ist, ob die Medikamente das Risiko für Tumoren erhöhen. Studien weisen darauf hin, dass Enbrel oder Humira in seltenen Fällen Hautkrebs oder Lymphome auslösen (Gesundheitstipp 2/2019).
Für Fachleute ist klar: Ärzte sollten diese neuen Mittel nur in schweren Fällen verschreiben, bei denen andere Therapien versagen. Gysling: «Das betrifft einen winzigen Prozentsatz der Patienten.» Auch der Winterthurer Hautarzt Mark Anliker sagt: «Diese Mittel sind nur bei sehr schweren Fällen gerechtfertigt, um lange Arbeitsausfälle, Spitalaufenthalte oder gar Invalidität zu verhindern.»
Bewährte Therapien sind viel günstiger
Bei den meisten Patienten helfen günstigere Therapien, die seit Jahren erhältlich sind – etwa die Pille Methotrexat. Die Kosten belaufen sich auf einen Zehntel dessen, was die neuen Therapien kosten. Zudem ist es laut Thomas Walser ein «bewährtes Mittel». Allerdings kann es Übelkeit auslösen und die Leber belasten. Walser: «Patienten sollten es so lange nehmen, wie es wirkt und sie es vertragen.»
Eine günstige Alternative ist auch das Mittel Skilerence. Es enthält den Wirkstoff Fumarsäure. Eine Jahrestherapie kostet etwa 2500 Franken. Es sei ein «recht wirksames Medikament», sagt Etzel Gysling. Allerdings kann es Magenprobleme auslösen.
Bei leichteren Fällen helfen Salben mit Salizylsäure. Sie bewirken, dass die Hornschuppen leichter abfallen. Cremes mit Kortison unterdrücken die Entzündung. Pflanzenextrakte vom Mahoniebaum oder Johannisöl lindern den Juckreiz. Thomas Walser: «Oft wirkt eine Kombination am besten.»
Die Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie räumt ein, dass die neuen Mittel nur «für ganz wenige Prozent der Patienten» nötig seien. Sprecher Alexander Navarini sagt, es gebe «keine laxe Verschreibungspraxis».
Novartis sagt, Cosentyx verbessere nachweislich die Lebensqualität der Patienten. Janssen-Cilag und Eli Lilly verweisen auf Studien, laut denen ihre Mittel besser wirken als Methotrexat. Die deutsche kassenärztliche Bundesvereinigung bewertete diese Studien allerdings nur als «Hinweis», nicht als Beleg. Almirall schreibt, Ilumetri habe kaum Nebenwirkungen und störe das Immunsystem nur wenig.
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