Das Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen steht in der Ostschweiz. Es wurde 1987 gebaut und hat aktuell einen Gebäudeversicherungswert von 3 Millionen Franken. Ein Architekturbüro hat ausgerechnet: In zwölf Jahren – dann ist das Gebäude 40 Jahre alt – besteht ein Renovationsbedarf mit geschätzten Kosten von total 900 000 Franken.

Die zehn Wohnungen gehören Stockwerkeigentümern – und diese äufnen in der Regel einen Erneuerungfonds mit jährlichen Ein­zahlungen. Das Ziel: Wenn Renovationen oder Totalsanierungen nötig werden, steht das benötigte Geld auf einem dafür reservierten Konto zur Verfügung.

Erneuerungsfonds: «In älteren Häusern meist zu niedrig dotiert»

Doch bei diesem Haus wird das nicht der Fall sein. Zurzeit liegen im Erneuerungsfonds nur 165 000 Franken. Die einzelnen Wohnungsbesitzer zahlten bisher pro Jahr 2500 Franken ein. Um das Ziel von 900 000 Franken zu erreichen, müsste jeder künftig rund 6000 Franken pro Jahr einzahlen. 

Der Wohnblock in der Ostschweiz ist zwar ein Spezialfall: Die Wohnungen waren ursprünglich vermietet und wurden erst 1997 in Stockwerkeigentum umgewandelt. Deshalb wurde auch erst ab diesem Zeitpunkt mit dem Sparprozess für den Erneuerungfonds begonnen.

Doch es ist keine Seltenheit, dass bei älteren Liegenschaften nicht genügend Geld für Sanierungen im Erneuerungfonds liegt. In vielen Häusern müssen nach 30 bis 40 Jahren vor allem Heizung, Aussenfassade, Fenster, Dächer und allenfalls die Umgebung saniert werden. Es kann sein, dass alles aufs Mal nötig ist – und auch noch eine Liftrenovation dazukommt. Das kostet viel. «Meist sind jedoch die Erneuerungsfonds älterer Liegenschaften viel zu niedrig dotiert», sagt Immobilientreuhänder Benno Zoller aus Wil SG.

In vielen älteren und teils auch in neueren Reglementen steht die Bestimmung, dass die Eigentümer jährlich 2 Promille des Gebäudeneuwerts in den Erneuerungsfonds einzahlen. Und zwar so lange, bis der Fonds 3 Prozent des Gebäudeversicherungswerts der Liegenschaft erreicht hat. Dieser von der Gebäudeversicherung festgelegte Wert beziffert die Summe, die ein Wiederaufbau nach einer Zerstörung des Hauses kosten würde.

Jährlich mindestens 0,5 Prozent des ­Gebäudewerts einzahlen

Basierend auf dieser Regelung rechnet Benno Zoller vor: «Bei ­einem Mehrfamilienhaus mit ­einem ­Gebäudeversicherungswert von 3,5 Millionen würde so die jähr­liche Rückstellung aller Eigentümer zusammen 7000 Franken betragen. Und der Fonds müsste nicht mehr geäufnet werden, sobald 105 000 Franken vorhanden sind.» Für Zoller ist klar: «Ein solcher Fonds genügt bei weitem nicht, um die notwendigen Erneuerungen der gemeinschaftlichen Teile und Anlagen zu finanzieren.»

Seit einigen Jahren wird denn auch empfohlen, den Fonds jährlich mit 0,5 Prozent des Gebäudeversicherungswerts zu äufnen. Das wären in diesem Fall 17 500 Franken jährlich. Auch das wäre laut Zoller noch zu wenig. Er rät, jedes Jahr 0,7 bis 1 Prozent in den Erneuerungsfonds einzuzahlen.

Die Hochschule Luzern geht von mindestens 0,5 Prozent pro Jahr aus. «Wobei 0,7 bis 1 Prozent für bestehende, ältere Liegenschaften sicherlich geboten sind», betont Amelie Mayer vom dortigen Kompetenzzentrum «Typologie & Planung in Architektur». 

Und bis zu welcher Höhe soll man den Erneuerungsfonds äufnen? Sie ergibt sich aus dem Alter der Liegenschaft, der Bauart und der Komplexität sowie aus der Grösse der Stockwerkeigentums­liegenschaft. «Wir empfehlen als Obergrenze mindestens 10 Prozent des Gebäudeversicherungswerts», hält Mayer fest. Und: «Beschliesst eine Stockwerkeigentümerschaft, auch ausgewählte nützliche Massnahmen über den Erneuerungsfonds abzudecken – etwa eine energetische Sanierung –, wäre auch eine höhere Obergrenze noch angemessen.»

Notwendige Erneuerung hinauszuschieben kann teure Folgen haben

Die Berner Immobilientreuhänderin Petra Grognuz schätzt, dass der aktuelle Sanierungsbedarf in den Schweizer Stockwerkeigentümergemeinschaften einige Mil­liarden Franken beträgt. 

Auch die Hochschule Luzern stellt fest: «Wir beobachten, dass Entscheidungen über notwendige Erneuerungen verzögert, gar nicht gefällt oder mit einer strategisch langfristig unzureichenden Ausrichtung getroffen werden», sagt Amelie Mayer. Dadurch sinkt ­tendenziell der Wert ­einer Liegenschaft. Wird später die Totalsanierung beschlossen und kann ein Stockwerkeigentümer dann seinen Anteil nicht zahlen, wird er von der Gemeinschaft betrieben. Im schlimmsten Fall muss der Eigen­tümer dann seine Wohnung ­verkaufen.

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Totalsanierung: Das müssen Sie als Wohnungsbesitzer beachten

  • Richten Sie von Anfang an einen Erneuerungsfonds ein. ­Äufnen Sie diesen jährlich in einer Höhe von 0,7 bis 1 Prozent des Gebäudeversicherungs­neuwerts. Dies so lange, bis er eine bestimmte Summe erreicht hat: Die Hochschule Luzern empfiehlt als Obergrenze mindestens 10 Prozent des Gebäudeversicherungswerts.
  • Machen Sie zusammen mit einem Architekten einen Er­neuerungsplan mit Kostenschätzung für die nächsten 20 bis 40 Jahre. Dieser sollte auf der Lebensdauer der wichtigen gemeinschaftlichen Bauteile und den geschätzten langfristigen Kosten basieren. So sehen Sie, wann die nötigen Renovationen anfallen und ob die Ausgaben dann durch den Erneuerungsfonds gedeckt sind.
  • Vergessen Sie nicht: Aus dem Erneuerungsfonds werden nur Erneuerungen und umfassende Sanierungen an gemeinschaft­lichen Teilen bezahlt. Für den Unterhalt der eigenen Wohnung muss jeder Stockwerkeigentümer selber aufkommen und dafür allenfalls früh genug Geld zur Seite legen.