Wasser ist im südlichen Teil der Alpen oft knapp. Besonders wenig regnet es im Wallis, im Aosta­tal und im Südtirol. Deshalb müssen die Bauern in diesen Regionen ihre Wiesen und Felder seit jeher bewässern. Zu diesem Zweck haben sie kilometerlange Kanäle gebaut. Der grosse Vorteil für Wanderer: Entlang der meisten Bewässerungskanäle führt ein schmaler Weg.

Sehr viele Kanalwege sind im Wallis. Dort heissen die Bewäs­se­rungs­kanäle Suonen. Wander­führer Beat Leiggener aus Naters VS sagt: «Das Wandern entlang eines Wasserlaufs ist besonders attraktiv, er­frischend und entspannend.» Zudem sind viele Suonen spektakulär angelegt und führen streckenweise durch steile Schluchten. Die meisten Suonenwege sind flach, die Höhen­differenz ist gering. Nur zu Beginn ist ein Aufstieg ­nötig, um von der Bahn- oder Postautostation die Suone zu erreichen. Wegen des ­südlichen Klimas sind längere Wanderungen problem­los bis Ende Ok­tober möglich.

Beat Leiggeners Lieblingsweg führt entlang der Niwärch-Suone in der Nähe von Visp (siehe Wanderung 3). «Diese Leitung ist sehr ­imposant und wurde im 14. Jahrhundert gebaut», sagt er. «Das ­Wasser fliesst auch durch ausgehöhlte Baumstämme. Die Landschaft ist unglaublich schön.» Zwischen Wäldern und Alp­weiden schaut ganz hinten im Tal das Bietschhorn hervor. Die Wanderung entlang dem Niwärch kann man gut kombinieren – und zwar mit der ­Gorperi-­Suone, die auf der anderen Talseite verläuft. Allerdings führt der Weg teilweise durch schroffe Felswände – man sollte schwindel­frei sein. Wer unter Höhen­angst leidet, muss aber nicht auf die Wanderung verzichten: Von Ausserberg gibts auch den Weg entlang der Undra-­Suone ins Baltschiedertal, ohne exponierte Stellen.

Im Unterwallis gibt es ebenfalls zahlreiche Bewässerungskanäle. Nur nennt man sie dort Bisses. ­Armand Dussex, Buchautor und Gründer des Suonenmuseums von Botyre oberhalb Sion, sagt: «Die ­alten Wasserleitungen ermöglichen den Wanderern, auf einfache Weise unberührte und einsame Seitentäler zu entdecken.» Eine der spektakulärsten Leitungen im Unterwallis liegt bei Crans-Montana – die ­Bisse du Ro. Sie führt streckenweise durch überhängende Felswände. Der Weg wurde in den letzten Jahren aufwendig ausgebaut und mit stabilen Holzgeländern gesichert.

Gemütliche Wanderung für Familien

Gemütlicher ist eine Suonenwanderung beim Bergdorf Grächen südlich von Visp. Dort fliessen die ­Suonen durch duftende Föhren- und Lärchenwälder und über sanft ­abfallende Alpwiesen. Gefährliche Stellen gibt es keine (Karte 2). Die Rund­wanderung entlang der ­Eggeri- und Chilcheri-Suone zum schäumenden Riedbach ist auch für Familien und Senioren problemlos machbar.

Kilometerlange Wasserleitungen wie im Wallis gibt es in den Kantonen Tessin und Graubünden nicht. Doch zuhinterst im Maggiatal, beim Bergdorf Fusio, wurde vor einigen Jahren ein ­alter Kanal instand ­gesetzt, der eine Alp mit Wasser versorgte. Eine Rund­wanderung führt zu diesem Kanal. Auch beim Bergdorf Santa Maria im bündnerischen Münstertal lässt sich ein alter Kanal mit einer gemütlichen Wanderung entdecken.

Wer vom Münstertal mit dem Postauto wenige Kilometer weiter über die Grenze fährt, findet im Vinschgau ein Eldorado der Bewässerungskanäle. Im Vinschgau regnet es ähnlich selten wie im Wallis. Deshalb konstruierten die Bauern zahlreiche Bewässerungskanäle, die sogenannten Waale. Peter Mathys aus Bolligen BE führte mehrmals Wandergruppen des SAC und der Kirchgemeinde Bolligen durchs Vinsch­gau. «Das Wandern auf den Waalwegen ist gemütlicher als im Wallis», sagt er. Kommt dazu: «Bei allen riskanten Stellen sind stabile Geländer montiert.» Deshalb seien die Waalwege ideal für Senioren und für Wanderer, die wenig Erfahrung in alpinem Gelände haben. Die Waalwege sind nie weit entfernt von Südtiroler Dörfern und Städten und mit Zug und Bus gut erreichbar. «Entlang der Waalwege gibt es viele kleine Beizli, die Jausen», weiss Peter Mathys. Einer der schönsten Wege führt dem Schnalswaal entlang zum Schloss Juval, das dem Bergsteiger Reinhold Messner gehört.

Auch im grenz­nahen Aostatal gibt es viele Möglichkeiten. Hier nennt man die alten Wasserlei­tungen «Ru». Von der Bahnstation Châtillon aus ist ein Rundgang entlang des Ru de la Plaine zu empfehlen. Der Weg führt über bequeme Holzpasserellen und ermöglicht schöne Aussichten über das Aostatal. Nach der Wanderung bietet das Thermalbad Saint-Vincent ­Erholung.

Tipps: So wandern Sie mit Genuss

  • Wählen Sie eine Tour, die Sie gut bewältigen können. Achten Sie auf die Distanz und die Höhenmeter.
  • Orientieren Sie sich im ­Gelände mit einer Wanderkarte im Massstab 1:25 000.
  • Tragen Sie Wanderschuhe, die Sohlen mit ­einem griffigen Profil haben.
  • Nehmen Sie genug Proviant und pro Person mindestens 1,5 Liter Wasser mit.

Buchtipps:

  • Johannes Gerber: «Wandern an sagenhaften Suonen», Rotten Verlag, ca. Fr. 35.–
  • Armand Dussex: «Grandes randonnées le long des ­bisses», Rossolis Verlag, ca. Fr. 25.–
  • Hanspaul Menara: «Südtiroler Waalwege», Athesia Tappeiner Verlag, ca. Fr. 35.–

Die acht Wanderungen im Überblick

Schwierigkeitsgrad:

T1 = Wanderweg ohne besondere Gefahren
T2 = Bergwanderweg in teils steilem Gelände 
T3 = Anspruchsvoller Bergwanderweg mit ausgesetzten Stellen

Liène-Tal (Wallis)

Route: Von Icogne über die Grand Bisse de Lens und die Bisse du Ro nach Crans-Montana
Wanderzeit: 5 Stunden
Höhenmeter: 650 m k, 200 m m
Schwierigkeit: T2, stellenweise T3 (nur für Schwindelfreie)
Informationen: Myswitzerland.com
Suchbegriff: Bisse du Ro

Grächen (Wallis)

Route: Von Grächen über die Eggeri-Suone und die Chilcheri-Suone zurück nach Grächen
Wanderzeit: 4 Stunden
Höhenmeter: 300 Meter k, 300 Meter m
Schwierigkeit: T1
Informationen: Graechen.ch
Suchbegriff: Eggeri Chilcheri

Baltschiedertal (Wallis)

Route: Von Ausserberg über die Niwärch-Suone und die Gorperi-Suone nach Eggerberg
Wanderzeit: 5 Stunden
Höhenmeter: 350 Meter k, 450 Meter m
Schwierigkeit: T3 (nur für Schwindelfreie)
Informationen: Les-bisses-du-valais.ch ] ­Suchbegriff: Niwärch

Massaschlucht (Wallis)

Route: Von Ried-Mörel über den Massaweg nach Blatten
Wanderzeit: 4 Stunden
Höhenmeter: 150 Meter k, 10 Meter m
Schwierigkeit: T2
Informationen: Wandersite.ch ] Suchbegriff: Massa-Weg (Suonenweg)

Maggiatal (Tessin)

Route: Von Fusio zum Lago di Mognola und entlang dem Acquedotto zurück nach Fusio
Wanderzeit: 6 Stunden
Höhenmeter: 800 Meter k, 800 Meter m
Schwierigkeit: T3
Informationen: Myswitzerland.com ] Suchbegriff: Bäche und Aquädukte im Val Lavizzara

Aostatal (Italien)

Route: Von Châtillon über den Ru de la Plaine nach St. Vincent und zurück
Wanderzeit: 4 Stunden
Höhenmeter: 400 Meter k, 400 Meter m
Schwierigkeit: T2
Informationen: Inalto.org
Suchbegriff: Ru de la Plaine

Münstertal (Graubünden)

Route: Von Sta. Maria entlang dem Aual Claif ins Muranzina-Tal und zurück nach Sta. Maria
Wanderzeit: 2 Stunden
Höhenmeter: 150 Meter k, 150 Meter m
Schwierigkeit: T2
Informationen: Biosfera.ch ] Über uns ]Downloads ]Auals

Vinschgau (Italien)

Route: Von Kastelbell über den Schnalswaal zum Schloss Juval
Wanderzeit: 2 Stunden
Höhenmeter: 300 Meter k
Schwierigkeit: T1
Informationen: Vinschgau.net ] Suchbegriff: Schnalswaalweg