Die Apotheken verdienen mit rezeptfreien Schlafmitteln viel Geld. Letztes Jahr verkauften sie 1,56 Millionen Packungen. Der Verkauf von rezeptpflichtigen Schlafmitteln nimmt ab, der Verkauf rezeptfreier Präparate steigt. Das zeigen Zahlen des Pharmaverbands Interpharma.
Doch die Apotheken beraten Kunden mit Schlafproblemen häufig schlecht. Nur knapp jede zweite Apotheke erkundigt sich bei den Kunden nach möglichen Ursachen. Wer um ein bestimmtes Schlafmittel bittet, wird kaum je gefragt, seit wann er unter Schlafproblemen leidet und wie lange er das Mittel bereits einnimmt. Das zeigt eine saldo-Stichprobe mit 40 Besuchen in 20 Schweizer Apotheken (siehe Anhang).
Beim ersten Besuch klagte die 25-jährige Testkundin über Schlafprobleme und fragte nach einem geeigneten Mittel. Sie kann seit zwei Wochen nicht mehr gut ein- und durchschlafen und hat noch nie Schlafmittel ausprobiert.
Das Resultat der Stichprobe: Nur gut die Hälfte der Apotheken erkundigte sich nach möglichen Ursachen und der Art der Schlafprobleme. Nur 4 von 20 fragten nach, ob die Kundin noch andere Medikamente nehme. Bloss eine einzige Apotheke erklärte, wie lange die Kundin das empfohlene Mittel einnehmen soll.
Wenig Beratung, dafür geschäftstüchtig
Andererseits erwiesen sich die Apotheken als geschäftstüchtig: Die saldo-Testkundin verliess kein Geschäft ohne Schlafmittel. Neunmal erhielt sie ein pflanzliches Produkt, fünfmal ein chemisches und fünfmal gar ein pflanzliches und ein chemisches, einmal ein homöopathisches Mittel. Das kann ins Geld gehen. Eine Zürcher Apotheke verkaufte der Testkundin «Zeller Schlaf Forte», «Zeller Entspannung» und «Benocten». Kosten: Fr. 71.20.
Beim zweiten Besuch fragte der Testkunde nach dem rezeptfreien Schlafmittel Benocten. Es soll laut Heilmittelbehörde Swissmedic nicht länger als zwei Wochen eingenommen werden. Dann ist eine ärztliche Abklärung angesagt. Der Kunde kann seit fünf Wochen nicht mehr durchschlafen und nimmt seit zehn Tagen Benocten.
Resultat: Keine einzige Apotheke empfahl die Konsultation eines Arztes. Nur zwei Apotheken klärten die Probleme des Kunden näher ab. 13 von 20 Apotheken fragten, ob der Kunde Benocten bereits kenne. Als der Kunde bejahte, wiesen nur 7 Apotheken darauf hin, dass er das Medikament nicht regelmässig nehmen sollte. Und nur 5 davon warnten konkret, dass sich der Körper an das Mittel gewöhnt und der Kunde nicht mehr ohne Benocten schlafen könne. Dies waren die Basler City Apotheke, die Bahnhof-Apotheke sowie die Christoffel-Apotheke in Bern, die Zürcher Rotpunkt-Apotheke zur Bleiche und die Coop-Vitality-Apotheke an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Fazit der 40 Besuche: Nicht eine Apotheke hat die Testpersonen beim ersten und beim zweiten Besuch gut beraten. Nur die Christoffel- Apotheke und die Bahnhof Apotheke – beide in Bern – haben wenigstens beim zweiten Mal alles richtig gemacht.
Verband bedauert «nicht optimale Beratung»
saldo teilte den Apotheken das Ergebnis mit. Neun reagierten nicht. Galenica-Sprecherin Tanja Bertholet bestätigt, dass alle von saldo erwähnten Kriterien in einem Beratungsgespräch erfüllt werden müssten. Die fünf besuchten Apotheken würden aber in Bahnhofsnähe liegen. «Hier wollen sich die Kunden oft nicht die Zeit für eine ausführliche Beratung nehmen.» Zur Galenica-Gruppe gehören Amavita, Coop-Vitality- und Sun-Store-Apotheken.
Der Apothekerverband Pharmasuisse bedauert, dass die Beratungen «nicht optimal» waren. Schlafstörungen, die länger als zwei Wochen andauern, bedürfen einer ärztlichen Abklärung. Sprecherin Silvia Weigel: «Aufgrund potenzieller unerwünschter Wirkungen sollte die Einnahme von Schlafmitteln zeitlich begrenzt sein.» Der verantwortliche Apotheker müsse die Beratungsqualität gewährleisten, unabhängig davon, wer bedient.
Ähnliche Resultate bei früheren Stichproben
Doch das ist ein frommer Wunsch, wie frühere Stichproben von saldo in Apotheken zeigen:
In einer Stichprobe vor zwei Jahren verlangten saldo-Testpersonen ein rezeptpflichtiges und ein rezeptfreies Präparat (Ausgabe 20/13). Nimmt man sie kombiniert ein, können sie schwere gesundheitliche Schäden hervorrufen. Beim ersten Besuch erwähnten nur sechs Apotheken das Risiko. Beim zweiten Mal gab jede dritte Apotheke die Medikamente ohne Warnung ab.
2010 schickte saldo eine fast untergewichtige Testperson in 20 Apotheken, um das Diätmittel Alli zu kaufen (Ausgabe 6/10). Dieses ist für Übergewichtige bestimmt mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 28. Die Testperson hätte 18 Kilo mehr wiegen müssen. Nur drei Apotheken fragten nach Gewicht, Grösse und BMI. Mehr als die Hälfte der Apotheken verkaufte das Medikament ohne Vorbehalte.
Die Apotheken in der Stichprobe
- Basel: Amavita Apotheke Central, Centralbahnplatz 13; BahnhofApotheke Wenger, Centralbahnstrasse 20; Benu Barfüsser Apotheke, Barfüsserplatz 14; City Apotheke, Aeschenvorstadt 4; Goldene Engel Apotheke, Freie Strasse 20
- Bern: Bahnhof Apotheke, im Hauptbahnhof; Christoffel-Apotheke, Christoffelgasse 3; Coop Vitality Apotheke Ryfflihof, Genfergasse 3; Dropa Apotheke Bern, Neuengasse 41; Sun Store Apotheke, Storchengässchen 6
- Luzern: Benu Bahnhof Apotheke, Railcity; Cysat Apotheke, Pilatusstrasse 14; City Apotheke, Rössligasse 17; Falken Rotpunkt Apotheke, Weggisstrasse 2; Rigi Apotheke, Grendelstrasse 2
- Zürich: Amavita Apotheke, Bahnhofstrasse 108; Bahnhof Apotheke, Bahnhofplatz 15; Coop-Vitality-Apotheke, Bahnhofstrasse 81; Rotpunkt-Apotheke zur Bleiche, Bleicherweg 46; Top-Pharm Apotheke Paradeplatz, Poststrasse 6