Die süsse Hundeschokolade liegt in der Zürcher Zoohandlung Raible in der hintersten Ecke. Inhaber Raphael Ravljen sagt missbilligend: «Wir raten von Futter mit Zucker ab.» Dieses sei für Katzen und Hunde genauso gefährlich wie für Menschen. «Wir führen darum nur ein kleines Sortiment an zuckrigem Tierfutter.»
Für eine Zoohandlung fast ein Kunststück. Denn ein Grossteil der Hersteller verwendet für Katzen- und Hundefutter alle möglichen Zuckersorten, darunter Haushaltszucker. Professor Josef Kamphues, Leiter des Instituts für Tierernährung der Universität Hannover, betrachtet zuckerhaltiges Futter kritisch: «Zucker im Katzen- und Hundefutter ist unnötig, ausgenommen jener in der Muttermilch.»
Hunde und Katzen würden Zucker schlecht verdauen, Katzen meist noch schlechter als Hunde. «Wegen zu viel Zucker können diese Tiere unter Verdauungsstörungen leiden, Karies bekommen und verfetten», sagt Kamphues. Zudem können sie genau wie Menschen unter Diabetes leiden.
Als zugesetzter Farbstoff häufig nicht deklariert
Hersteller müssen Zucker als Zutat auf der Verpackung deklarieren. Dient Zucker nur zum Färben, dürfen sie ihn aber unter dem Sammelbegriff Farbstoffe mit dem Vermerk EG-Zusatzstoffe – in der Europäischen Union zugelassene Zusatzstoffe – verschwinden lassen.
Mengenmässig sind die Zutaten in absteigender Reihenfolge aufzulisten. Bei Snacks wie dem Knochen Jumbone Maxi mit Rind von Pedigree folgt Zucker nach Getreide an zweiter Stelle – der Knochen enthält also mehr Zucker als Fleisch. Zuckerbomben sind Gimpet-Mäuschen und Vitakraft-Drops mit den Geschmacksrichtungen «Milch-Schoko» und «Yoghurt», wo Zucker die Zutatenliste sogar anführt. Diese Produkte bestehen grösstenteils aus Zucker.
Die Hersteller zuckern Futter laut eigenen Angaben vor allem, damit es für den Menschen appetitlicher aussieht. Dazu greifen sie gern zu Haushaltszucker, wie etwa Mars Schweiz. Der Konzern produziert Whiskas, Sheba, Kitekat, Brekkies, Nutro, Perfect Fit, Pedigree, Frolic und Cesar. Vitakraft süsst laut Aussagen des Geschäftsführers Hans-Peter Grimm seine Produkte, um einen «angenehmen Duft und Geschmack für Tier und Halter» zu erzielen. Zucker verbessere auch Konsistenz und Aussehen im Iams-Nassfutter. Kiki Wackenhut, Tierärztin beim Hersteller Iams: «Anders als bei Hundebesitzern ist für Katzenhalter die Appetitlichkeit des Futters noch wichtiger als gesundheitliche Aspekte.»
Viele Hersteller nennen keine Zahlen zum Zuckergehalt
Der Zuckergehalt erreicht laut Mars-Sprecherin Julia Henner im Nass- und Trockenfutter bis zu 0,5 Gewichtsprozent – bei Snacks kann er viel höher sein. Auch Coop und Migros zuckern Eigenmarken für eine schönere Farbe und ein besseres Aroma. Bei Migros beträgt der Zuckergehalt gemäss eigenen Angaben im Nass- und Trockenfutter weniger als 0,1 Prozent, bei den Snacks bis zu 15 Prozent. Coop gibt Werte bis zu 0,2 Prozent an. Zuckerfrei ist das Bio-Hundefutter von Coop.
Die Begründung: Zucker erschwere das Verdauen der Proteine und führe zu Karies. Zudem können sogar schädigende Nährstoffe entstehen. Trotzdem bietet Coop zuckerhaltiges Futter an.
Keine Auskunft zum Zuckergehalt gab Nestlé mit Marken wie Purina One, Felix, Gourmet, Friskies und Matzinger. Gimborn, Hersteller von Gimborn- und Gimpet-Snacks, will das Rezept geheimhalten. Auch Vitakraft wollte zu seinen zuckerreichen Snacks trotz mehrmaligem Nachfragen keine Zahlen nennen. Tierfutter-Produzent Hills beantwortete die saldo-Fragen ebenfalls nicht.
Hersteller bezeichnen Zucker als «Energielieferanten»
Auskunftsfreudiger waren die Hersteller, wenn es um die Frage ging, wie sich Zucker auf den Organismus von Katzen und Hunden auswirkt. Laut Mars Schweiz rufen geringe Caramel-Mengen, wie sie in der Heimtier-Nahrungsindustrie verwendet werden, weder Beeinträchtigungen der Zahngesundheit noch andere Krankheiten hervor.
Coop, welcher neben Eigenmarken wie Cha-Cha-Cha oder Prix Garantie auch Produkte von Mars Schweiz verkauft, schloss sich dieser Aussage an. Wenige Tage später verwies Coop jedoch im Zusammenhang mit seinem zuckerfreien Bio-Futter auf die Risiken von zuckerhaltigem Futter.
Für Vitakraft ist Zucker ein Energielieferant, in geringen Mengen sei er jedoch wirkungslos. Gimborn stützt sich auf Aussagen einer nicht genannten Universität, wonach «ein gemässigter Einsatz von Zucker in der Regel gut vertragen» werde.
Rezeptur auf die Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet
Professor Marcel Wanner, Leiter des Instituts für Tierernährung an der Universität Zürich, nimmt die Hersteller in Schutz. «Das Futter muss die physiologischen Bedürfnisse des Tieres und die psychologischen Bedürfnisse des Besitzers decken.» Deshalb soll das Futter ansprechend aussehen. «Kein Tierhalter akzeptiert unappetitliches Futter», sagt Wanner. Gälten nur die Wünsche der Tiere, würde Zucker zumindest vom Menüplan der Katzen verschwinden: Diesen fehlt die Fähigkeit, Süsses zu schmecken.