Falsche Lieferungen, schlechte Qualität und teure Hotlines: Eine St. Galler Firma zockte in den Jahren 2010 und 2011 systematisch Kunden von TV- Verkaufsshows wie «Teletip-Shop» und «Preishit.tv» ab. Die St. Galler Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Firma mit ihrer Masche allein zwischen Oktober 2010 und Juli 2011 Nettoerträge von über 2,5 Millionen Franken erzielte. Geschäftsführer G.G. wurde deshalb nach einem Jahr Untersuchungshaft zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt (
K-Tipp 19/2017).
Drahtzieher im Hintergrund war jedoch der Österreicher Ewald Struggl. Er amtierte bis Ende 2011 als Verwaltungsrat der Television Merchandising AG in Liechtenstein. Diese bestimmte gemäss Strafbefehl faktisch die Geschicke der St. Galler Teleshop-Firma – und sackte unter anderem die Telefongebühren aus den Kundenreklamationen ein. Struggl hatte 2008 als damaliger Geschäftsführer des Teletip-Shops und der Television Merchandising AG die Machenschaften im «Kassensturz» öffentlich verteidigt. Nach Ausstrahlung der Sendung wurde beim damaligen Liechtensteiner Amt für Handel und Transport eine Anlaufstelle für geprellte Kunden eingerichtet. In den darauffolgenden zwei Jahren gingen mehrere Tausend Beschwerden ein.
Im Gegensatz zu G.G. wurde Struggl nicht verurteilt. Heut ist er ist wieder aktiv im Teleshopping-Business. Dies ergaben Recherchen des K-Tipp. Über ein weit verzweigtes Firmennetz vertreibt der 48-Jährige jetzt Teekapseln.
Enttäuschender Inhaltsstoff
Laut Angaben auf der Website und in der TV-Werbung sollen diese Kapseln besonders gesund sein, indem sie etwa mehr Energie verleihen oder beim Abnehmen helfen würden. Beworben werden die Kapseln als «Problemlöser» mit «revolutionären Inhaltsstoffen» und «klinisch geprüft».
«Gesundheitstipp»-Arzt Thomas Walser hält nichts von den Anpreisungen: «Es sind gesundheitlich nutzlose Produkte und dazu völlig überteuert.» So sei der Inhaltsstoff Glucomannan schon lange bekannt und habe «bisher in medizinischen Anwendungen enttäuscht». Er sei deshalb nicht als Medikament zugelassen. Zudem könne der Stoff Nebenwirkungen haben wie zum Beispiel starke Blähungen. Struggl wollte die angeblichen Studien zur Wirksamkeit nicht herausgeben. Die Teekapseln will Struggl mit seiner Liechtensteiner Firma Stratos AG künftig in Grono GR in einer stillgelegten Fabrik produzieren.
Zwei Millionen vom Kanton Graubünden
Dabei kann er auf finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand zählen. Der Regierungsrat des Kantons Graubünden entschied gemäss einer Mitteilung im Sommer, der Functional Food Grono GmbH einen Kantonsbeitrag von 500 000 Franken zuzusichern und zudem ein Kantonsdarlehen in der Höhe von 1,5 Millionen zu gewähren. «Die Functional Food Grono GmbH wird als zentraler Fertigungsstandort der Stratos AG aufgebaut», hiess es weiter in der Regierungsmitteilung.
Im Handelsregister sind Ewald Struggl und Rechtsanwalt Max Auer aus Wil SG als Geschäftsführer der Functional Food Grono GmbH eingetragen. Pikant: Auers Geschäftsadresse ist auch der Sitz der St. Galler Teleshop-Firma des bestraften G.G. Auer schreibt, die Teleshop-Firma unterhalte an seiner Büroadresse «völlig legal eine reine Domiziladresse», bis die Liquidation vollzogen sei. Für die Functional Food erbringe er eine «rein anwaltliche Beratungstätigkeit». Es gebe «keine Verbindung in irgendeiner Art und Weise» zwischen den beiden Firmen.
Über seinen Anwalt verwies Struggl darauf, dass sämtliche Untersuchungen der liechtensteinischen und schweizerischen Behörden eingestellt worden seien, «weil kein (straf-)rechtlich zu beanstandender Sachverhalt vorlag». Aus diesem Grund sieht man auch beim Kanton Graubünden keine Notwendigkeit, die zugesicherten Gelder zu streichen. Es sei «nicht ersichtlich, inwiefern die Beitragszusicherung rückgängig gemacht werden könnte».
Raiffeisen-Verwaltungsrat mittendrin
Als Kontaktadresse ist auf Ewald Struggls Verkaufsseiten die Firma TVtrend AG in Herisau AR angegeben. Diese ist im Handelsregister auf Gabriel Imboden aus Niederwil SG eingetragen. Der Wirtschaftsprüfer ist kein unbeschriebenes Blatt: Er machte das Inkasso für die Firma Dilei AG. Diese verängstigte vor rund sieben Jahren mit bedrohlichen Briefen überwiegend betagte Empfänger. Ziel: «Wundermünzen» von Hellseherinnen verkaufen (K-Tipp 6/2010). Imboden ist Verwaltungsrat der Raiffeisenbank Gossau-Niederwil und der Pensionskasse GSB Personalvorsorge. Er liess mehrere Anfragen des K-Tipp unbeantwortet.