Der digitalisierte Hyperkonsum

Der Soziologe Harald Welzer ist kein Freund des World Wide Web. In seinem neuen, furios geschriebenen Buch widmet er sich der Digitalisierung und deren Folgen. Er spricht von einer «dreckigen» Industrie, die Macht über die Menschen gewinnt. 

Für die Produktion von Computern und Handys brauchen die Hersteller seltene Erze wie Coltan. Diese würden in Afrika von Kindern mit blossen Händen geschürft. Sorgen macht Welzer auch, dass es fast unmöglich geworden ist, Smartphone und Internet zu benutzen, ohne dass private Informationen für Dritte zugänglich sind. Finanzkapitalismus, soziale Ungerechtigkeit, Hyperkonsum, Raubbau an der Natur, Bildungsmisere, Überbevölkerung, Verkehrsaufkommen, Griechenland – Welzer vermengt in seinem Buch alles zu einem grossen Ganzen. Er begründet das so: «Man kann diese Dinge nicht getrennt voneinander betrachten, zumindest dann nicht, wenn man den Versuch machen will, die gegenwärtigen Macht- und Widerstandsverhältnisse in modernen Gesellschaften auszumessen.» 

Welzer zu lesen ist eine Wonne. Optimistisch stimmt die Lektüre allerdings nicht.

Harald Welzer, «Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit», Verlag S. Fischer, 320 Seiten, ca. Fr. 29.–, E-Book ca. Fr. 21.–

Vorsicht vor Ernährungstipps

Zwischen Wissenschaft und Journalismus herrscht eine Zwangssymbiose. Wissenschafter benötigen Medien, um ihre Studien unters Volk zu bringen. Und Journalisten sind dankbare Abnehmer von Forschungsresultaten. Dabei bleibt oft der kritische Blick auf der Strecke. 

Melanie Mühl und Diana von Kopp arbeiten beide für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». In 42 Kapiteln haben sie «42 verblüffende Ernährungswahrheiten» zusammengestellt. Alle basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen. Mal skurril, mal ernsthaft. Skurril ist etwa die Auswertung der Umfrage «Welches Lebensmittel würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?». Antwort: Alles, was viel Fett und Kohlenhydrate hat, denn das fülle die Energiedepots. Doch die Mehrheit der Befragten nehme lieber kalorienarmen Mais mit. Grund: Vor lauter «Dauerbeschallung mit Ernährungstipps» hätten sich «in vielen Küchen Angst und Verunsicherung» breitgemacht. Im Kapitel über «Ernährungsmythen» bringen Mühl und Kopp die Sache auf den Punkt: «Ist Kaffee gut fürs Herz oder schlecht? Beides, je nach Studie.» 

Das Buch ist ein unterhaltsamer Mix zwischen Plauderei und Studien. Das wirkt zwar leicht ermüdend, bietet aber viel Stoff zum Smalltalk.

Melanie Mühl, Diana von Kopp, «Die Kunst des klugen Essens», Hanser, 256 Seiten, ca. Fr. 24.–, E-Book ca. Fr. 15.–

Wie Pharmafirmen Ärzte hofieren

Der Autor arbeitet in Wien als Neurologe und beschreibt, wie Pharmafirmen Ärzte manipulieren. Zum Beispiel mit Einladungen zu Kongressen. Die Industrie übernimmt alle Kosten. Beliebt sind auch «Aufwand entschädigungen» für Vorträge oder «beratende Tätigkeiten». An einem Vortrag über ein Medikament fand der Autor an seinem Platz einen Umschlag des Herstellers mit 1500 Euro. Alle Kollegen steckten den Umschlag ein, er nicht. Ein weiteres Mittel ist die Nähe: Pharmavertreter kommen vorbei, bieten das «Du» an. Der Autor beschreibt, wie ihn eine Vertreterin anzüglich fragte, was sie für ihn persönlich tun könne. 

Die Stärke des Buches liegt in der Erfahrung des Autors. Ihn ärgern die Lockrufe der Hersteller, die Ärzte nur hofieren, damit sie mehr ihrer Produkte verschreiben. Und ihn nerven Kollegen, die glauben, immun zu sein gegen Verführungsversuche. Er fordert: Fortbildungen sollten unabhängig von der Industrie sein, Ärzte alle Zuwendungen transparent machen und Pharmarvertreter keinen Zutritt zu Praxen und Spitälern haben.

Fahmy Aboulenein, «Die Pharma-Falle. Wie uns die Pharma-Konzerne manipulieren», Edition A, 203 Seiten, ca.
Fr. 26.–, E-Book ca. Fr. 18.–