Chirurgen drohen mit Operationsstopp
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Gesundheitstipp 4/2000
31.03.2000
Streit um Patientengelder: Der neue Arzttarif passt den Chirurgen nicht.
Chirurgen bedrohen den neuen Arzttarif Tarmed: Sie wollen mehr Geld. Doch dies ginge auf Kosten der Haus- und Kinderärzte - und der Patienten
Der gesamtschweizerische Arzttarif Tarmed, der 2001 in Kraft treten soll, bringt für die Patienten Vorteile: Ärzte dürfen künftig Gespräche viel besser verrechnen. Davon profitieren vor allem Haus- und Kinderärzte.
Die bisher oft ü...
Streit um Patientengelder: Der neue Arzttarif passt den Chirurgen nicht.
Chirurgen bedrohen den neuen Arzttarif Tarmed: Sie wollen mehr Geld. Doch dies ginge auf Kosten der Haus- und Kinderärzte - und der Patienten
Der gesamtschweizerische Arzttarif Tarmed, der 2001 in Kraft treten soll, bringt für die Patienten Vorteile: Ärzte dürfen künftig Gespräche viel besser verrechnen. Davon profitieren vor allem Haus- und Kinderärzte.
Die bisher oft überzahlten Chirurgen fühlen sich jedoch massiv benachteiligt. Vor allem bei Standard-Eingriffen wie Blinddarm- oder Mandelentfernungen, so befürchten sie, würde Tarmed zu enormen Einkommenseinbussen führen. François A. Bernath, Generalsekretär der Vereinigung invasiv und operativ tätiger Ärzte (FMS), droht mit Operationsstopp: "Weil solche Operationen zu diesem Preis nicht rentieren, werden sie die Chirurgen eben nicht mehr durchführen."
Im Zentrum der Diskussion steht ein umstrittenes Taxpunkt-System. Die Ärzte dürfen ihre Leistungen über Taxpunkte abrechnen. Ein Taxpunkt hat einen bestimmten Wert.
Bei einem angenommenen Wert von 1 Franken fordern die Chirurgen für eine Mandeloperation 324 statt der neu festgelegten 108 Franken. Für eine Nagelentfernung verlangen sie gar 130 Franken. Das bedeutet einen Aufschlag von 1300 Prozent.
Auch über den Wert der Taxpunkte streiten sich die Fachleute: Die Krankenkassen forderten vor kurzem, dass ein Taxpunkt nur 62 bis 82 Rappen kostet - das Einkommen aller Ärzte würde sinken. Zumindest darin, wie viele Taxpunkte ein Eingriff wert ist, will die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) den Chirurgen entgegenkommen.
Der Haken: Der neue Arzttarif muss kostenneutral sein. Das heisst, die gesamten Kosten für medizinische Leistungen aus der Grundversicherung dürfen nicht zunehmen.
Walter Frei, Pressesprecher des Konkordats der Schweizer Krankenversicherer (KSK): "Wenn die Chirurgen mehr verdienen wollen, geht das auf Kosten anderer Fachrichtungen wie der Haus- oder Kinderärzte."
Die KSK, so ihr Präsident Ueli Müller, will deshalb gar nicht mehr über die Forderungen der Chirurgen diskutieren. Auch für Jürg Pellaton, Tarifdelegierter der Schweizer Gesellschaft für Allgemeinmedizin, ist klar: "Wir haben in früheren Verhandlungen bereits Abstriche zugunsten der Chirurgen gemacht." Noch ist ungewiss, ob es Nachverhandlungen gibt. Walter Frei vom KSK: "Wenn sich die Ärzte nicht einigen, gefährden sie den ganzen Tarmed."
Kasten: So viel verlangen die Chirurgen
Blinddarm
Tarmed (neu): 201
Forderung der Chirurgen: 340
Spitalleistungskatalog (bisher): 396
Nagelentfernung
Tarmed (neu): 10
Forderung der Chirurgen: 130
Spitalleistungskatalog (bisher): 148
Geburtsleistung
Tarmed (neu): 185
Forderung der Chirurgen: 444
Spitalleistungskatalog (bisher): 470
Mandelentfernung
Tarmed (neu): 108
Forderung der Chirurgen: 324
Spitalleistungskatalog (bisher): 495
Meniskus
Tarmed (neu): 189
Forderung der Chirurgen: 430
Spitalleistungskatalog (bisher): 618
Hüftgelenkprothese
Tarmed (neu): 855
Forderung der Chirurgen: 1116
Spitalleistungskatalog (bisher): 1980
Tumor an Niere
Tarmed (neu): 870
Forderung der Chirurgen: 1800
Spitalleistungskatalog (bisher): 2227
Werte in Taxpunkten. Annahme: Ein Taxpunkt entspricht einem Franken