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Gesundheitstipp 8/2000
01.08.2000
Schweizer Forscher zeigen: Zahnplomben können Alzheimer begünstigen
Hochgiftiges Quecksilber aus Amalgam-Füllungen gelangt bis ins Gehirn. Der Verdacht erhärtet sich, dass es dort schreckliche Nerven-Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson fördert. Die Lobby der Zahnärzte warnt die Öffentlichkeit nur zögerlich.
Die heimtückische Krankheit beginnt mit Gedächtnisverlust. Dann folgen Bewegungsstörungen und Depressionen. Am Schluss steht der totale Zerfall de...
Schweizer Forscher zeigen: Zahnplomben können Alzheimer begünstigen
Hochgiftiges Quecksilber aus Amalgam-Füllungen gelangt bis ins Gehirn. Der Verdacht erhärtet sich, dass es dort schreckliche Nerven-Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson fördert. Die Lobby der Zahnärzte warnt die Öffentlichkeit nur zögerlich.
Die heimtückische Krankheit beginnt mit Gedächtnisverlust. Dann folgen Bewegungsstörungen und Depressionen. Am Schluss steht der totale Zerfall der Persönlichkeit. Alzheimer ist eine schreckliche Krankheit. Obduktionen von Verstorbenen zeigen, dass das Hirn schrumpft - und es ist stärker mit Quecksilber belastet als bei normalen Menschen. Dies haben mehrere wissenschaftliche Studien gezeigt.
Rund die Hälfte dieses Quecksilbers stammt von Quecksilber-Dämpfen, die beim Kauen im Laufe der Jahre aus Amalgam-Füllungen entweichen. Dämpfe werden auch während der Behandlung beim Zahnarzt freigesetzt.
Selbst die Zahnärzte-Gesellschaften bestreiten heute nicht mehr, dass sich Quecksilber aus Amalgam-Füllungen im Zentralnervensystem des Gehirns und in den Nieren ansammelt. Noch niemand habe allerdings bewiesen, dass das Quecksilber im Hirn krank machen könne.
Doch seriöse Untersuchungen weisen immer stärker darauf hin, dass die Quecksilber-Belastung des Gehirns zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson beiträgt.
Jüngstes Alarmzeichen von der Universitätsklinik Basel
Das jüngste Alarmzeichen kommt dieses Jahr von einer Schweizer Studie, die das wissenschaftliche Fachblatt «Journal of Neurochemistry» veröffentlichte.
Im Labor fanden Professor Hannes B. Stähelin von der Geriatrischen Universitätsklinik Basel und Gianfranco Olivieri von der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel heraus, dass «anorganisches Quecksilber einige Ausprägungen der Alzheimer-Erkrankung beeinflussen kann».
Die Studie deckt erstmals auf, mit welchen biologischen Mechanismen das Quecksilber zu Alzheimer beitragen kann. Das Forscher-Team kommt zum Schluss: «Vermutlich spielt Quecksilber beim Entstehen der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle.»
Schon seit 1996 rät die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO wenigstens denjenigen von Amalgam-Füllungen ab, die bereits an «bestimmten Nervenkrankheiten wie Alzheimer und Multiple Sklerose» leiden. Einen Verzicht auf solche Plomben empfiehlt die SSO ebenfalls Kindern unter sechs Jahren und Schwangeren.
Auch wer nachts mit den Zähnen knirscht, «sollte keine Amalgam-Füllungen im Munde haben». Beim Knirschen entweicht wie beim Kauen besonders viel Quecksilber-Dampf. Quecksilber verflüchtigt sich nämlich bereits bei einer Temperatur von 20 Grad. Im Laufe eines Jahrzehnts kann mehr als ein Drittel des Quecksilbers aus Amalgam-Füllungen entweichen.
Der grösste Teil gelangt über die Lunge zu den Nieren und zum Hirn. Der Körper braucht den langen Zeitraum von zwölf Jahren, um gerade mal die Hälfte des angesammelten Quecksilbers wieder abzubauen. Nervenkrankheiten, Zittern und Verhaltensstörungen sind bestens dokumentierte Folgen von Quecksilber-Vergiftungen.
Schon 1985 hatte die «International Academy of Oral Medicine and Toxicology» empfohlen, von «Amalgam-Füllungen so lange abzusehen, bis pathologische Sicherheit darüber besteht, dass diese Füllungen sicher sind».
Laut Professor David Bellinger von der Harvard Medical School können selbst geringe Mengen Quecksilber im Laufe der Jahre zu einer Lähmung der Reflexe, gestörter Motorik und zu schwindender Sehkraft führen: «Es gibt jedoch erst wenige aussagekräftige Studien. Es braucht unbedingt mehr Forschung.»
Ungeachtet ihrer eigenen Empfehlungen behaupten die Zahnärztlichen Universitäts-Institute und die Schweizer Zahnärzte-Gesellschaft SSO weiterhin, das in den Zähnen verwendete Quecksilber sei «relativ harmlos» und Vergiftungen seien «sehr unwahrscheinlich». Es gehe nur darum, «kleinste, medizinisch nicht einmal nachgewiesene Risiken» auszuschalten.
Sie erwähnen gerne Studien, die keinen Zusammenhang zwischen Quecksilber und Amalgam gefunden haben. Auch Professor Adrian Lussi von den zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern zitiert gegenüber dem Puls-Tip lieber eine Publikation, die keinen Zusammenhang mit Alzheimer sieht und sogar verneint, dass Quecksilber aus Amalgam-Füllungen das Gehirn belastet. Diese Studie hat aber nur das Verbandsorgan der amerikanischen Zahnärzte (JADA) publiziert, jedoch keine wissenschaftliche Zeitschrift.
Zahnärzte mussten immer wieder zurückkrebsen
Die SSO hatte lange Zeit sogar abgestritten, dass Quecksilber aus Amalgam-Füllungen überhaupt in Nieren und Gehirn gelangen kann. Als der Beweis erbracht war, behaupteten SSO-Exponenten, diese Amalgam-Belastung sei im Vergleich zum Quecksilber aus der täglichen Nahrung «vernachlässigbar klein». Erst 1995 akzeptierten sie Studien ihrer Kollegen der zahnärztlichen Poliklinik im Münster (BRD). Diese sagen, dass die Konzentration von Quecksilber in Gehirn und Nieren «im Wesentlichen von der Zahl der Amalgam-Füllungen bestimmt» ist. Sie mussten ebenfalls akzeptieren, dass der Quecksilber-Dampf «die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta-Schranke durchdringen kann».
Noch heute wollen manche Zahnärzte die Harmlosigkeit von Amalgam beweisen, indem sie auf die «erfolgreiche Anwendung und Erfahrung seit 150 Jahren» hinweisen. In Wahrheit ist es eine 150-jährige Geschichte schlimmer Vergiftungen und Symptome, wie sie auch bei Alzheimer und Parkinson auftreten (nachzulesen in «150 Years of Dental Amalgam» von Professor Fredrik Berglund).
Vor 1900 war Amalgam in den USA vorübergehend sogar verboten. Die Amalgam-Produzenten mussten die Zusammensetzung der Amalgam-Legierung mehrmals ändern. Jedes Mal hatten Zahnarzt-Verbände erklärt, die neuen Amalgam-Füllungen seien einwandfrei.
Dass Füllungen aus Silber-Amalgam Krankheiten hervorrufen können, haben 1955 sogar der Laborleiter des Amalgam-Herstellers Degussa und 1982 ein Berater der Bayer AG publiziert. Doch die Zahnärzte nahmen diese Stimmen der damaligen Amalgam-Hersteller nicht zur Kenntnis.
Gesetzgeber musste gegen Zahnärzte einschreiten
Zahnärzte hatten von Quecksilber lange Zeit wenig Ahnung. Dies zeigt auch ihr jahrzehntelang fahrlässiger Umgang mit diesem Material in ihren Praxen. Der Gesetzgeber musste ihnen schliesslich verbieten, Amalgam-Abfälle weiterhin sorglos ins Abwasser zu entsorgen.
Wenig Informationen sind bei den Alzheimer- und Parkinson-Vereinigungen zu holen. Diese beiden «Selbsthilfe-Organisationen» lassen ihre Aktivitäten teilweise von der Pharmaindustrie bezahlen. «Studien im Zusammenhang mit Quecksilber sind uns nicht bekannt», schrieb die Parkinson-Vereinigung dem Puls-Tip. Von der Alzheimer-Vereinigung war trotz mehrfachen Nachhakens keine Auskunft zu erhalten.
Die Schweizer Behörden haben sich - im Gegensatz zu ausländischen - lange nicht um Amalgam gekümmert. Der Grund: Die Verwendung der Metalllegierung brauchte bis vor kurzem keine Bewilligung. Daher waren auch keine Beamten dafür zuständig.
Das Bundesamt für Gesundheit BAG will aber in wenigen Wochen zum ersten Mal empfehlen, Amalgam wenigstens bei Kindern, Schwangeren sowie Nierenkranken nicht mehr zu verwenden. Von Alzheimer- und Parkinson-Patienten ist nicht die Rede. Das BAG hält sich an die Weltgesundheitsorganisation WHO, die sagt, dass Amalgam «sicher und wirksam» sei und es keinen Beweis dafür gebe, dass das Entfernen von Amalgam Krankheits-Symptome zum Verschwinden bringt.
Das BAG will weder die wissenschaftliche Literatur zur Kenntnis nehmen noch die Krankheits-Geschichten von Amalgam-Opfern im Schweizer Verein der Amalgam-Geschädigten. Der schwedische Zahnpatienten-Verband hat sogar 9900 Mitglieder, die überzeugt sind, wegen des Zahnamalgams krank geworden zu sein.
Das amerikanische Umwelt-Bundesamt EPA sagt, dass eine langfristige Belastung mit Quecksilber vor allem das Hirn und Nervensystem von Kindern beeinträchtigen. Dies habe Konzentrations-Störungen zur Folge.
Auch das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel hat sich mit den Risiken des Amalgams gründlich befasst. Es empfiehlt Kindern unter sechs Jahren und Schwangeren, sich kein Amalgam in die Zähne füllen zu lassen. Bei allen andern sollen die Zahnärzte die Amalgam-Füllungen auf ein Minimum reduzieren, weil «jede Amalgam-Füllung zur Quecksilberbelastung des Menschen beiträgt».
«Das Gesundheitsrisiko ist noch nicht abgeklärt»
Im US-Staat Arizona zum Beispiel sind Zahnärzte gar gesetzlich verpflichtet, ihre Patienten darüber zu informieren, dass
1. Amalgam aus 43-50 Prozent Quecksilber besteht,
2. Quecksilber aus Amalgam-Füllungen in Organe des Körpers entweicht,
3. das Gesundheitsrisiko noch nicht abgeklärt ist.
Über tausend Amalgam-Geschädigte hatten in den letzten Jahren in Deutschland Strafanzeigen eingereicht. Der Prozess endete 1996 mit einem Vergleich. Die angeklagte ehemalige Amalgam-Herstellerin Degussa willigte ein, weitere Amalgam-Forschung mit über einer Million Mark zu unterstützen. Im gerichtlichen Beschluss erklärte der Frankfurter Staatsanwalt Erich Schöndorf: «Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist es unbedingt erforderlich, dass Firmen, die weiterhin Amalgam herstellen, beispielsweise über Beipackzettel deutlich und unmissverständlich auf die Gefährlichkeit von Amalgam hinweisen.» Und an die Adresse der Zahnärzte: «Wer künftig auf ausreichende Patienteninformation glaubt verzichten zu können, haftet auch strafrechtlich als Arzt für amalgambedingte Gesundheitsschäden seiner Patienten.»
Die Zahnärzte reagieren gelassen. Sie vertrauen darauf, dass es äusserst schwierig ist, im konkreten Fall eine direkte Schuld des Amalgams nachzuweisen. Sie wissen, dass bei Alzheimer oder Parkinson mehrere Faktoren zusammenwirken: Laut Professor Hannes B. Stähelin von der Geriatrischen Universitätsklinik Basel zählen dazu unter anderem die Belastung mit Blei, Cadmium oder Aluminium, Pestizid-Rückstände, ein hohes Gebäralter, Arteriosklerose sowie Alzheimer in der Familie (genetische Prädisposition).
Professor Boyd Haley hat an der Universität Kentucky als Mediziner und Biochemiker die Wirkungen von Quecksilber auf das Gehirn erforscht. Er sagt: «Nach allem, was wir bisher wissenschaftlich festgestellt haben, handelt es sich bei Quecksilber im Gehirn um eine Zeitbombe. Im Alter können die Folgen verheerend sein.»
Urs P. Gasche
Sind Sie betroffen?
Falls Sie glauben, unter Amalgam zu leiden, können Sie Mitglied werden beim Verein Amalgam-Geschädigter. Sie erhalten auch Informationen über das Entfernen von Amalgam:
Telefonberatungen:
- Dienstags, 13 bis 16 Uhr: Frau Verena Scalabrin-Gander, Winterthur, Tel. 052 212 10 50
- Mittwochs, 17 bis 20 Uhr: Frau Charlotte Probst Frezza, Zürich, Tel. 01 362 53 56
- Donnerstags, 14 bis 16 Uhr, Frau Susy Spycher, Chur, Tel. 081 356 67 33, Verein Amalgam-Geschädigter Postfach 8023 Zürich
Starke Indizien - Zitate aus seriösen Studien
Etliche Studien haben wissenschaftliche Fachzeitschriften überprüft und veröffentlicht:
- Ein Vergleich verschiedener Hirn-Regionen verstorbener Alzheimer-Patienten zeigt, dass Alzheimer-Patienten eine «signifikant höhere Durchschnittsbelastung insbesondere von Brom und Quecksilber aufweisen» («NeuroToxicology», 1986).
- Die gleichen Forscher fanden bei Alzheimer-Verstorbenen eine «erhöhte Belastung mit Quecksilber und Brom, was unsere frühere Studie bestätigt». Deshalb vermuten die Forscher, «dass Quecksilber einen wichtigen toxischen Beitrag zur Alzheimer-Erkrankung leistet» («Brain Research», 1990).
- Alzheimer-Verstorbene unterschieden sich durch eine erhöhte Quecksilber-Belastung («NeuroToxicology», 1988).
- Eine Analyse des Haares und der Fingernägel von 180 Alzheimer-Patienten ergab eine «signifikante Abweichung» von Spurenelementen, darunter Quecksilber, Brom und Cadmium («NeuroToxicology», 1988).
- In Schweden zeigten Hirnzellen von 24 Alzheimer-Patienten im Vergleich mit 28 Gesunden «eine signifikant höhere Belastung mit Aluminium, Cadmium, Quecksilber und Selen» («J Neural Transm Park Dis Dement Sect», 1991)
- Bei Ratten verursacht Quecksilber «identische neurochemische Verletzungen, wie sie bei drei Vierteln der Alzheimer-Patienten festzustellen sind» («NeuroToxicology», 1997).
- Eine andere Untersuchung an Ratten «lässt stark vermuten, dass Quecksilber-Dämpfe die Bedingungen verschlimmern, die klinisch als Alzheimer gelten» («Met Ions Biol Syst», 1997).
- Eine weitere Analyse von sieben Hirnregionen von Alzheimer-Patienten ergab erhöhte Quecksilber-Werte, die jedoch nicht signifikant waren («NeuroToxicology», 1998).
Diese wissenschaftlichen Befunde verstärken den Verdacht: Quecksilber im Gehirn, das zur Hälfte von Amalgam stammt, spielt bei Alzheimer eine Rolle. Ähnliches gilt für verwandte Nerven-Krankheiten wie Parkinson:
- Eine epidemiologische Studie in Singapur ergab einen «klaren Zusammenhang zwischen der Quecksilberbelastung und dem Auftreten von Parkinson». Akute Quecksilber-Vergiftungen hätten ähnliche Folgen wie eine langsame toxische Vergiftung: Zittern von Extremitäten und Lippen, geistige Verwirrtheit usw. («Neuroepidemiology», 1989).
- An neun deutschen Spitälern untersuchten Ärzte 380 Parkinson-Patienten mit 397 vergleichbaren Gesunden aus der Nachbarschaft. Die Parkinson-Patienten hatten vor dem Auftreten ihrer Krankheit «eine bedeutend grössere Anzahl Amalgam-Füllungen» als die Gesunden. Auffällig war zudem die frühere Belastung mit Pestiziden wie Holzschutzmitteln («Neurology», 1996).
- Eine Auswertung verschiedener Studien ergab widersprüchliche Resultate. Ethnische Unterschiede oder verschiedene Arten der Quecksilber-Belastung können dafür verantwortlich sein: «Es braucht weitere Forschung» («Neuroepidemiology», 1999).
(upg)