Sie sind in kleinen, unscheinbaren Fläschchen verborgen: der schwere Duft der Damaszenerrose oder der fruchtig-frische von Bergamotte. Doch ätherische Öle verbreiten nicht nur Wohlgerüche, sie sind auch Medizin. So bessern sie zum Beispiel Gelenkschmerzen, lindern Schnupfen, helfen beim Einschlafen oder bringen den Kreislauf in Schwung.
Erika Haussener, Leiterin der Schweizerischen Schule für Aromatherapie in Belp BE, kommt ins Schwärmen, wenn sie von ätherischen Ölen spricht – etwa von Cajeput: «Es ist ausgezeichnet für Hals, Nase und Ohren!» Das Öl riecht ähnlich wie Kampfer und ist ideal für die Erkältungszeit.
Unterdessen behandeln auch viele Kliniken ihre Patienten mit ätherischen Ölen. Geburtsabteilungen bieten eine Aromatherapie an, ebenso die psychiatrischen Unikliniken in Basel und Zürich oder die Rehaklinik in Gais AR.
Wirksam schon in kleinen Mengen
Ätherische Öle wirken schon in sehr geringen Mengen, zum Beispiel, wenn man sie in einer Duftlampe oder in einem elektrischen Vernebler verwendet. Forscher gehen davon aus, dass die Duftmoleküle die Riechnerven in der Nase reizen und diese das Signal in die Gehirnregion leiten, die für Gefühle zuständig ist. Auf diese Weise wirken ätherische Öle vor allem auf die Psyche, sei es bei Ängsten, Stress oder Schlafproblemen. So hat Pflegefachfrau Nicole Scherrer von der Rehaklinik Gais gute Erfahrungen mit duftenden Fussbädern gemacht, etwa, wenn sie dazu das ätherische Öl von Lavendel, süsser Orange oder sibirischer Fichte verwendet. «Das hilft den Patienten beim Einschlafen», sagt Scherrer. Auch bei Kopfweh, Erkältungen, Ängsten und Stress vertraut sie auf die natürlichen Duftstoffe.
Etwas intensiver wirkt das Inhalieren. Dabei atmet man die Duftstoffe zum Beispiel über ein paar Tropfen auf einem Taschentuch ein oder über warmem Wasser. Eine kleine Studie der Universität von Minnesota (USA) wies nach, dass Inhalieren mit Lavendelöl gegen Schlafprobleme hilft. «Das funktioniert auch mit einer Nackenrolle», sagt Erika Haussener. Dafür wärmt sie ein Frotteetuch, wickelt es um eine Nackenrolle und gibt auf beide Enden einen Tropfen Lavendelöl.
Laut Hanns Hatt, Professor an der Bochumer Ruhr-Universität (D), gelangen ätherische Öle beim Inhalieren auch ins Blut, und zwar in genügend grosser Menge, um auf die Zellen zu wirken. Der Körper nimmt die Duftstoffe über die Schleimhäute von Nase und Bronchien auf. Das passiert auch bei einem warmen Bad. Haussener verwendet dann z. B. Cajeput: «Man mischt 6 bis 8 Tropfen mit etwas Meersalz und gibt das ins Badewasser.» Das Salz ist nötig, damit sich das Öl im Wasser löst. Man kann auch Rahm oder Honig verwenden. Beim Baden wirken die ätherischen Öle zudem über die Haut.
Für Massagen mischt man ein Schnapsglas Mandelöl mit 4 bis 6 Tropfen ätherischem Öl. Es dringt nicht nur durch die Haut ins Blut, sondern wirkt auch auf der Haut, indem es kühlt oder wärmt. Das kennt man von Sport- und Rheumasalben. Ätherische Öle sollte man immer verdünnen. Denn einige reizen die Haut oder machen sie empfindlich auf Sonnenlicht, zum Beispiel Bergamotte (siehe Tabelle im PDF).
Einige ätherische Öle wirken gegen Bakterien
Zum Auftragen verwendet man auch Lösungen in Alkohol, etwa Pfefferminzöl. Trägt man es auf die Schläfen auf, kühlt es und lindert Kopfweh. Gewisse ätherische Öle wirken auch gegen Bakterien, Pilze und einige Viren. Studien haben dies belegt – zumindest im Labor. Laut Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH gilt das unter anderem auch für Koriander, Lavendel und Thymian. «Ätherische Öle können wahrscheinlich nur dann Keime abtöten, wenn man sie – in verdünnter Form – direkt auf die betroffene Stelle aufträgt», so Koradi. Etwa bei Fusspilz oder Herpes.
Wer solche Öle ausprobieren möchte, findet eine grosse Auswahl in spezialisierten Geschäften, Drogerien und Apotheken. Erika Haussener rät, zu Beginn nicht allzu unbekannte Düfte zu verwenden. «Man sollte den Geruch grundsätzlich mögen.» Dann heisst es, vorsichtig zu dosieren: «Oft reichen zwei, drei Tropfen», so die Fachfrau.
Zu viel vom intensiven Duft kann Kopfweh auslösen. Vorsicht gilt bei Hautkrankheiten, Asthma und in der Schwangerschaft. Auch Babys und Kleinkinder sollte man nicht selber behandeln. Zudem sollte man bei ätherischen Ölen das Verfalldatum beachten. Licht, Wärme und Sauerstoff können sie zersetzen, zum Beispiel in halb leeren Fläschchen. Laut Martin Koradi steigt dann das Risiko, dass sie die Haut reizen.