“Der Schrecken kommt später” - Hanspeter Conrad, 39
Bei Grossbränden ist Hanspeter Conrad ganz vorne dabei. Seinen härtesten Einsatz leistete er letzten Herbst bei der Katastrophe im Viamala-Tunnel.
Inhalt
Gesundheitstipp 6/2007
13.06.2007
Andreas Gossweiler
Hanspeter Conrad, Feuerwehrleute werden oft mit schrecklichen Szenen konfrontiert. Welcher Einsatz war der schlimmste?
Der Brand im Viamala-Tunnel.
Warum?
Unser Trupp musste schauen, ob im Tunnel noch Menschen waren, und brennende Autos löschen. In der Nähe des Tunneleingangs lagen zwei Leute am Boden. Wir merkten aber schnell, dass wir ihnen nicht mehr helfen konnten. In der Mitte des Tunnels brannte ein Wagen. Den sah ich erst, als ich unmittelbar davor stand. Wegen des dic...
Hanspeter Conrad, Feuerwehrleute werden oft mit schrecklichen Szenen konfrontiert. Welcher Einsatz war der schlimmste?
Der Brand im Viamala-Tunnel.
Warum?
Unser Trupp musste schauen, ob im Tunnel noch Menschen waren, und brennende Autos löschen. In der Nähe des Tunneleingangs lagen zwei Leute am Boden. Wir merkten aber schnell, dass wir ihnen nicht mehr helfen konnten. In der Mitte des Tunnels brannte ein Wagen. Den sah ich erst, als ich unmittelbar davor stand. Wegen des dicken Rauchs war alles schwarz. Ich sah nur den roten Schein des Feuers, sonst gar nichts. Und die Luft war extrem heiss. Ich war sofort bachnass.
Wie hält man so etwas aus?
Ich achte immer darauf, dass der ganze Körper von der Schutzkleidung bedeckt ist. Sonst verbrennt die heisse Luft die Haut. Bei jedem Einsatz erkundigen wir Feuerwehrleute uns immer wieder gegenseitig, wie es dem andern geht. So schützen wir uns vor Kreislaufproblemen.
Befanden sich Menschen im brennenden Auto?
Im Auto sass eine Familie mit zwei Kindern. Sie waren bereits tot. Wegen des dichten Rauchs hatten sie keine Überlebenschancen.
Waren Sie schockiert, als Sie diese Szene sahen?
Nein. Bei einem Feuerwehreinsatz konzentriere ich mich auf die Arbeit. Der Schrecken, die Gefühle kommen erst später.
Wie hat sich denn das bei Ihnen geäussert?
Ein paar Nächte lang habe ich unruhig geschlafen. Ich sah vor mir das brennende Auto. Ich fragte mich nach dem Einsatz auch, ob ich alles richtig gemacht hatte. Es wäre für mich schlimm, wenn ich mir sagen müsste, dass ich mehr hätte tun können, um jemanden zu retten.
Ist das Ihre grösste Sorge als Feuerwehrmann?
Ja. Die Entscheidung, wie weit wir gehen sollen, ist immer heikel. Wir nehmen ein grösseres Risiko auf uns, wenn Menschen in Gefahr sind. Als ein Haus im Zentrum von Thusis brannte, gingen wir hinein, weil wir vermuteten, dass noch Menschen darin waren. Das war sehr gefährlich, weil die Fussböden teilweise eingestürzt waren. Wir mussten uns den Wänden entlangtasten.
Wie haben Sie die Erlebnisse im Viamala-Tunnel verarbeitet?
Am nächsten Tag sprach ich mit meiner Frau darüber. Das hat mir sehr gut getan. Zwei Tage später trafen sich alle Rettungskräfte. Wir haben den Einsatz mit Psychologen besprochen.
Wie haben Sie das Gespräch erlebt?
Es war sehr interessant zu hören, wie die anderen Helfer den Einsatz erlebt haben. Unserem Kommandanten machte es zu schaffen, dass er uns in den Tunnel schicken musste, obwohl er nicht genau wusste, was passiert war. Überlebende berichteten, es habe Explosionen gegeben. Das stimmte aber nicht. Wegen der Hitze waren nur Pneus geplatzt.
Haben Sie heute noch Probleme wegen des Viamala-Unglücks?
Nein. Inzwischen habe ich die Eindrücke gut verarbeitet. Dabei hat mir geholfen, dass die Untersuchungen zeigten, dass wir gut gearbeitet haben. Wir waren sehr schnell im Tunnel. Es war unmöglich, mehr Leute zu retten.
Hanspeter Conrad
Der 39-jährige Forstingenieur wohnt mit Frau, Sohn und Tochter in Thusis GR. Er ist schon seit 19 Jahren freiwillig bei der Feuerwehr von Thusis dabei. Als Mitglied der Atemschutztruppe ist er mit Atemmaske und Presslufttank ausgerüstet. Er kommt bei den meisten Bränden zum Einsatz.
Hanspeter Conrad entspannt sich am liebsten mit Bergwanderungen, bei der Jagd oder beim Gestalten von Holzskulpturen.