Die Schweizer trinken immer weniger Kuhmilch: Vor zehn Jahren waren es 79 Liter pro Jahr, 2015 nur noch 59. Die Zweifel werden stärker, ob sie so gesund ist, wie der Milchverband behauptet (Gesundheitstipp 3/2017). Dazu kommt: Ungefähr einer von fünf Schweizern kann Milchzucker nicht richtig verdauen. Die Folgen sind Blähungen, Durchfall oder Bauchweh.
Gefährlicher, aber auch seltener ist die Allergie auf Milcheiweiss. Weniger als 1 Prozent der Bevölkerung ist davon betroffen. Wenn Allergiker Milch trinken, können sie Beschwerden wie Ausschläge, Husten oder Augenentzündungen bekommen – manchmal sogar Atemnot und Kreislaufprobleme.
Immer mehr Konsumenten steigen auf Ziegen- oder Schafmilch um. Der Grund: Sie glauben, diese Milchsorten seien gesünder. Auch der «Tages-Anzeiger» schrieb kürzlich, Ziegenmilch sei für Allergiker besser verträglich. Doch das stimmt nicht. Karin Stalder vom Allergiezentrum Schweiz sagt: «Wer gegen Kuhmilch allergisch ist, zeigt häufig auch eine Allergie gegen andere Milcharten.» Denn die darin enthaltenen Eiweisse sind ähnlich. Auch für Leute, die Milchzucker nicht vertragen, sind Ziegen- und Schafmilch laut Stalder keine geeignete Alternative. Denn darin steckt ungefähr gleich viel Zucker wie in Kuhmilch – nämlich rund viereinhalb Gramm pro Deziliter.
Für Leute, die Milchzucker nicht vertragen, gibt es eine bessere Alternative zur Kuhmilch: Milchprodukte wie Quark und Käse. Bei ihnen haben Bakterien den Milchzucker teilweise oder ganz abgebaut. Sabine Oberrauch von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung sagt: «Je länger der Käse gereift ist, umso niedriger ist der Milchzuckergehalt.»
Harte Käsesorten wie Parmesan, Hobelkäse, Gruyère oder Sbrinz enthalten keine Laktose und sind deshalb für alle gut verträglich. In halbharten Käsesorten wie Tilsiter stecken laut Karin Stalder nur Spuren von Laktose.
Auch in anderen Milchprodukten findet sich deutlich weniger Zucker als in der Milch. Zum Vergleich: 100 Gramm Hüttenkäse enthalten nur halb so viel Zucker wie Vollmilch, aber rund vier Mal so viel Eiweiss. Harter Käse ist zudem ein wertvoller Kalziumlieferant. Mit 50 Gramm Parmesan deckt man bereits die Hälfte des Kalzium-Tagesbedarfs.
Milchallergie: «Es gibt keine Verbote»
Wer Milchzucker schlecht verdauen kann, muss Milchprodukte wie Joghurt oder Quark also nicht komplett meiden. «Die meisten Betroffenen vertragen kleine Mengen Laktose», erklärt Karin Stalder. «Vor allem, wenn sie die Milchprodukte über den Tag verteilt oder zusammen mit anderen Lebensmitteln essen.»
Die Allergiefachfrau rät Betroffenen zu testen, welche Milchprodukte sie in welchen Mengen vertragen: «Es gibt grundsätzlich keine Verbote.» Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt, erfahrungsgemäss seien 8 bis 10 Gramm Laktose, verteilt über den ganzen Tag, gut verträglich. Er rät, die Menge langsam zu steigern und auszuprobieren, wie viel drinliegt.
Eiweissallergiker müssen hingegen auf sämtliche Milchprodukte verzichten. Karin Stalder: «Diese Menschen können im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche allergische Reaktion entwickeln.» Ihnen bleiben nur pflanzliche Ersatzprodukte aus Soja, Mandeln, Reis oder Hafer.
Milchprodukte senken Krankheitsrisiko
Es gibt noch weitere Gründe, die für Käse, Joghurt und Sauermilch sprechen. Eine grosse Studie mit über 100 000 Schwedinnen und Schweden zeigte vor drei Jahren: Leute, die vergorene Milchprodukte essen, erleiden weniger Knochenbrüche und Herzinfarkte als Personen, die viel Milch trinken. Die Forscher vermuten, dass ein Milchzuckerbestandteil dafür verantwortlich sein könnte: Bei Tierversuchen beschleunigte er die Alterung.
Auch das Krebsrisiko scheint kleiner zu sein. Die deutsche Ernährungsexpertin Maike Nestle schrieb vor einem Jahr in der Fachzeitschrift «UGB Forum», Joghurt und Käse würden Wachstumshormone im Körper weniger stark stimulieren als Milch. Forscher vermuten, dass diese Hormone das Wachstum von Krebszellen fördern.
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