Kopfweh, Schlafstörungen, Kreislaufprobleme, Herzrhythmusstörungen, Muskelschmerzen, Konzentra­tionsschwäche: Mit diesen Symptomen kann der menschliche Körper auf Elektrosmog reagieren. 

Die Firma eSmog Protect AG in Rotkreuz ZG prüfte im Auftrag von saldo die Strahlenbelastung in sechs verschiedenen Wagentypen der SBB. Die Messungen fanden auf acht Strecken zu Haupt- und Nebenverkehrszeiten statt, vor allem in der Zugsmitte. Insgesamt sammelten die Experten über 50 000 Messwerte. 

Funknetze sind kein grosses Problem

Die gute Nachricht: Die durch WLAN, Handys oder weitere Funknetze verursachte Belastung (hochfrequente Strahlen) ist in allen untersuchten Wagen fast durchwegs gering. Die durchschnittlichen Messwerte sind in drei von sechs Wagentypen im grünen Bereich (siehe Infografik). Zu Stoss­zeiten verstärken sich die hochfrequenten Strahlen, da mehr Reisende Handys und Tablets benutzen.  

Höher sind die Emissionen, die dort entstehen, wo unter Spannung stehende Leitungen verlegt sind ­(niederfrequente elektrische Felder). In Doppelstockwagen ist die Belastung je nach Modell im unteren oder oberen Teil höher, da sich die Leitungen je nach Bauart an verschiedenen Orten befinden. Am stärksten sind die elektrischen Felder im Einheitswagen II, dem ältesten der geprüften Wagentypen. 

Mehr Strahlung auf vielbefahrenen Strecken 

Die grösste Belastung verursacht die Stromversorgung von Antriebsmotoren, Heizungs-, Kälte- und Klima­anlagen, Lüftungsinstallationen und der Beleuchtung (niederfrequente magnetische Felder). Alle untersuchten Züge weisen Messwerte im roten Bereich auf. Mehrere Faktoren erhöhen die Belastung. Wenn ein Zug beschleunigt und elektrische Energie verbraucht oder beim Bremsen Strom ins Netz zurückspeist, ist der Stromfluss und damit das magnetische Feld grösser.

Beispiel: Ein Interregio beschleunigt und bremst öfter als ein Intercity. Daher ist die Belastung im Interregio tendenziell höher. Auch auf ansteigenden Strecken benötigt ein Zug mehr Strom. Auf viel befahrenen Stre­cken nehmen die Emissionen ebenfalls zu, da in den Versorgungsleitungen mehr Strom fliesst. Auf Nebenstrecken ist die niederfrequente Belastung tendenziell tiefer.

Bei der Beurteilung der Messwerte stützen sich die Experten auf die sogenannten EMVU-Richtwerte. Das sind Erfahrungswerte, die von Elektrobiologen in der Schweiz und in Deutschland seit rund 20 Jahren angewendet werden. Werden diese Werte überschritten, können empfindliche Personen laut den Fachleuten mit Beschwerden reagieren. Das Bundesamt für Umwelt hält die EMVU-Werte nicht für relevant: «Sie sind nicht rechtsverbindlich und für uns kein Massstab.»

eSmog Protect bezieht für die Beurteilung der Hochfrequenzstrahlen und der Magnetfelder auch sogenannte Anlagegrenzwerte aus der Schweizer Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) mit ein. Sie ­gelten an «Orten mit empfindlicher Nutzung» wie Wohnungen, Arbeitsplätze oder Schulräume. Die gemessene niederfrequente magnetische Belastung überschrei­tet in allen Zügen den Anlagegrenzwert. Ausnahme ist der  «Dosto-Kiss».

Das Bundesamt zeigt sich unbeeindruckt. Die von den Experten miteinbezogenen Anlagegrenzwerte seien für Züge nicht massgebend. Sprecherin Rebekka Reichlin: «Da Züge keine Gebäude sind und sich der Mensch dort in der Regel nicht dauernd aufhält, gilt der Fahrgastraum nicht als Ort mit empfindlicher Nutzung.» Auf den gleichen Standpunkt stellen sich die SBB. Laut Reichlin decken sich die saldo-Messwerte mit früheren Messungen des Bun­des­amts. Sie gibt zu: «Die festgestellten Intensitäten liegen über dem Durchschnitt, dem die Bevölkerung im Alltag ausgesetzt ist.» Es be­stehe aber kein Handlungsbedarf.

Besserer Schutz wäre möglich

Die Passagiere könnten besser geschützt werden. Laut eSmog Protect liesse sich die Belastung der elektrischen Felder reduzieren, indem in den Zügen abgeschirmte Kabel verwendet würden. Das Bundesamt bestätigt, dass man die Belastung «durch eine Optimierung der Stromleiter» vermindern könnte. 

Die SBB sagen, sie seien «laufend daran, nach finanzierbaren Möglichkeiten zu suchen, die niederfrequente Belastung weiter zu redu­zieren».