Erika Liechti: «Plötzlich gab es im Rücken einen heftigen Knacks»
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Haus & Garten 1/2001
01.01.2001
Vor einem Jahr brach sich Erika Liechti einen Lendenwirbel - beim Probetraining in einem Fitness-Center. Unfälle beim Trainieren sind keine Seltenheit. Wer einige Regeln beachtet, kann das Risiko senken.
«Es gab einen lauten Knacks, den auch andere hörten. Ein heftiger Schmerz durchfuhr meinen Rücken. Ich glaubte, ohnmächtig zu werden.» So schildert Erika Liechti aus Gümligen BE den Unfall, den sie Ende Oktober 1999 im Gym Fit Club in Bern erlitt. Die Diagnose: Bruc...
Vor einem Jahr brach sich Erika Liechti einen Lendenwirbel - beim Probetraining in einem Fitness-Center. Unfälle beim Trainieren sind keine Seltenheit. Wer einige Regeln beachtet, kann das Risiko senken.
«Es gab einen lauten Knacks, den auch andere hörten. Ein heftiger Schmerz durchfuhr meinen Rücken. Ich glaubte, ohnmächtig zu werden.» So schildert Erika Liechti aus Gümligen BE den Unfall, den sie Ende Oktober 1999 im Gym Fit Club in Bern erlitt. Die Diagnose: Bruch am zweiten Lendenwirbel.
Was war passiert? Die 39-Jährige hatte vom Fitness-Center einen Bon für zwei Gratiseintritte zugeschickt erhalten. Mit einer Freundin besuchte sie den Club. Erika Liechti und ihre Freundin wärmten sich kurz auf und beantworteten ein paar Fragen zu ihrem Gesundheitszustand. Danach liessen sie sich von einem Fitness-Trainer die Rückenmuskulatur messen.
Erika Liechti setzte sich zu diesem Zweck an ein Kraftgerät, an dem sie die Schulterblätter gegen den Widerstand einer Kunststoffrolle nach hinten drücken musste. «Der Trainer forderte mich auf, noch etwas mehr zu geben», erinnert sie sich. «Deshalb murkste ich ein bisschen. Und da passierte es.»
Unter grossen Schmerzen ging Erika Liechti nach Hause. Erst zwei Tage später stellte ein Chiropraktiker fest, dass der Wirbel gebrochen war. Mit unzähligen Untersuchungen versuchten Spezialisten herauszufinden, ob der Lendenwirbel schon vorher angegriffen war. Doch sie fanden keine Krankheit, keinen Tumor, und auch unter Osteoporose leidet Erika Liechti nicht.
Sorgen mit dem Rücken, Ärger mit Versicherungen
Während Monaten war sie in Behandlung: beim Arzt, beim Chiropraktiker, beim Akupunkteur, beim Physiotherapeuten. Dennoch muss sie heute sagen: «Mein Rücken wird wohl nie mehr so sein wie vor dem Unfall.»
Doch es sind nicht nur die ständig wiederkehrenden Schmerzen, die ihr zu schaffen machen. «Ich habe inzwischen ein gestörtes Verhältnis zu meinem Körper», hat sie festgestellt, «ich lebe in ständiger Angst, mir etwas zu brechen.»
Zu den Sorgen mit ihrem Rücken kommt auch der Ärger mit den Versicherungen. Den grössten Teil der Kosten zahlte zwar die Unfallversicherung. Doch für den Rest will niemand aufkommen. Die Krankenkasse zahlt nicht, weil es sich um einen Unfall handelt. Und die Versicherung des Gym Fit Clubs, die Winterthur, auch nicht, weil es sich nicht um einen Haftpflichtfall handle.
«Das Geschehen muss als schicksalshaft bezeichnet werden, ohne dass der zuständige Trainer darauf hätte Einfluss nehmen können», schreibt die Versicherung in einem Brief an Werner Kupferschmid, den Anwalt von Erika Liechti. Der Trainer bestreitet, Erika Liechti angespornt zu haben.
Anwalt Kupferschmid riet seiner Mandantin schliesslich, nicht gerichtlich gegen die Versicherung vorzugehen. «Wir hätten dem Trainer ein Verschulden nachweisen müssen. Zum Beispiel, dass er sie übermässig forciert oder falsch instruiert hat. Und wir hätten auch beweisen müssen, dass das der Grund für die Verletzung war. Doch diesen Beweis zu erbringen ist in diesem Fall fast unmöglich», sagt Anwalt Werner Kupferschmid.
Die Gym-Fit-Geschäftsführerin Elisabeth Sinz Müller ist sich keiner Schuld bewusst. «Ein solches Vorkommnis ist einmalig und nicht voraussehbar», schreibt sie dem K-Spezial. Und: «Der Trainer, eine bestausgewiesene Fachperson mit Universitätsabschluss als Turn- und Sportlehrer, konnte aufgrund des ausgefüllten Gesundheits-Fragebogens und des begleitenden Gesprächs keinerlei Risiken feststellen.» Der Gym Fit Club hat deshalb nach dem Unfall bei Geräten und Betreuung nichts verändert.
Richtig trainieren - Verletzungen vermeiden
So aussergewöhnlich die Verletzung von Erika Liechti auch sein mag - Unfälle gibt es in Fitness-Centern immer wieder. Laut den Statistiken der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) verletzen sich Besucher von Fitness-Centern durchschnittlich einmal pro 5000 Trainingsstunden. Viermal häufiger sind Beschwerden.
Drei Viertel der Verletzungen und Beschwerden treten beim Training an Kraftgeräten auf; am häufigsten sind Muskelzerrungen im Schulterbereich und Rückenbeschwerden. Beim Aerobic überwiegen Verrenkungen und Bänderrisse am Knöchel sowie Kniebeschwerden.
Damit Sie sich nicht verletzen, beachten Sie folgende Tipps:
- Wärmen Sie sich vor dem Training gut auf. Dehnen Sie dabei vor allem jene Muskelgruppen, die Sie belasten wollen, leicht vor.
- Führen Sie die Übungen langsam aus. So vermeiden Sie Fehl- und Überbelastungen.
- Fragen Sie sofort den Trainer, wenn Sie unsicher sind.
- Trainieren Sie konzentriert. Lassen Sie sich während der Übungen nicht ablenken.
- Kontrollieren Sie sich selber: Achten Sie darauf, ob Sie die Übungen richtig ausführen.
- Halten Sie sich an die Vorgaben des Trainers. Erhöhen Sie die Belastung nicht selbständig.
- Sollte die Belastung zu gross sein, dann trainieren Sie mit weniger Gewicht (Widerstand).
- Schliessen Sie das Training mit einigen Lockerungs- und Dehnungsübungen ab.
- Und besonders wichtig: Verzichten Sie aufs Training, wenn Sie übermüdet sind.
Marco Diener
So finden Sie ein gutes Fitness-Center
- Hören Sie sich bei Kollegen um. Welches Fitness-Center hat einen guten Ruf?
- Informieren Sie sich, ob das Fitness-Center Angebote hat für alle drei Konditionsfaktoren (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit).
- Fragen Sie auch nach Gruppentrainings, Ernährungsberatung oder sportärztlicher Betreuung, sofern Ihnen das wichtig ist.
Das Probetraining
- Melden Sie sich für ein Gratis-Probetraining an.
- Intervenieren Sie, wenn Sie vor dem Training nicht einen Fragebogen zu Ihrem Gesundheitszustand ausfüllen müssen. Dort dürfen Fragen nach Medikamentenkonsum und anderen Risikofaktoren nicht fehlen. Zudem sollte der Trainer Sie auch nach Ihren Zielen fragen.
- Nach dem Aufwärmen sollte der Trainer mit Ihnen einen Praxis-Test machen. So ermittelt er Ihr Leistungsniveau.
- Achten Sie darauf, dass der Trainer die Übungen vormacht, dass er verständliche Anweisungen gibt und Ihre Fehler allenfalls auch korrigiert.
- Versuchen Sie herauszufinden, ob der Trainer nach dem Leistungstest ein Trainingsprogramm für Sie persönlich zusammenstellt. Oder ob es sich um ein Standard-Programm handelt.
n Stellen Sie ruhig auch knifflige Fragen. Wenn der Trainer unklar oder ausweichend antwortet, ist er nicht sehr kompetent.
n Lassen Sie sich nicht forcieren. Die meisten Leute sind zu ehrgeizig. Ein guter Trainer wird Ihren Ehrgeiz eher zügeln.
- Schauen Sie sich auch den Zustand der Geräte an, soweit Sie ihn als Laie beurteilen können.
n Kontrollieren Sie auch, ob die sanitären Anlagen sauber sind.
- Sprechen Sie mit anderen Kunden. Sie kennen die Stärken und die Schwächen des Fitness-Centers.
- Wenn Sie unzufrieden sind, gehen Sie in ein anderes Fitness-Center zum Probetraining.
Der Vertrag
- Wenn Sie zufrieden sind, dann absolvieren Sie am besten noch ein weiteres Training in diesem Center. Sollte die Betreuung beim zweiten Mal schon deutlich schlechter sein, dann müssen die Alarmglocken läuten.
- Haben Sie sich für ein Fitness-Center entschieden? Dann wartet der letzte Stolperstein: der Vertrag. Wichtig ist hier vor allem, ob, wann und aus welchen Gründen Sie den Vertrag kündigen können.