Es ist nie zu spät für den sportlichen Neustart
In jedem Alter und selbst mit einem künstlichen Hüftgelenk kann man Sport treiben. Längst nicht alle Sportarten aber eignen sich für ältere Semester.
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Haus & Garten 3/2005
29.06.2005
Martin Arnold
Seniorinnen und Senioren, gehen Sie auf den Vitaparcours und machen Sie Krafttraining! Eine Studie des Instituts für Sport der Universität Basel belegt nämlich: Ob Menschen alt sind oder jung - der Neuaufbau von Muskeln unterscheidet sich kaum. Mit anderen Worten: Es ist auch im Alter noch möglich, erschlaffte Muskeln wieder zu kräftigen.
In einer US-Studie betrug bei einer Gruppe von über 60-Jährigen der Kraftzuwachs während eines 6- bis 13-wöchigen Trainings über 200 P...
Seniorinnen und Senioren, gehen Sie auf den Vitaparcours und machen Sie Krafttraining! Eine Studie des Instituts für Sport der Universität Basel belegt nämlich: Ob Menschen alt sind oder jung - der Neuaufbau von Muskeln unterscheidet sich kaum. Mit anderen Worten: Es ist auch im Alter noch möglich, erschlaffte Muskeln wieder zu kräftigen.
In einer US-Studie betrug bei einer Gruppe von über 60-Jährigen der Kraftzuwachs während eines 6- bis 13-wöchigen Trainings über 200 Prozent. Eine starke Muskulatur wiederum schützt die Knochen besser vor Brüchen und die Gelenke vor Überbelastungen. Medizinisch unbestritten ist auch: Krafttraining verbessert die Immunabwehr bei Erkrankungen und beschleunigt die Regeneration nach Verletzungen. Denn für die Wundheilung benötigt der Körper grosse Mengen Stickstoff, den er sich durch den Abbau von Muskelgewebe holt.
Senioren, die sich fit halten, belasten zudem das Gesundheitswesen weniger: Über 70-Jährige, die regelmässig trainieren, kosten die Krankenkasse jährlich im Schnitt 3300 Franken, nicht Trainierende 6000 Franken, wie eine Erhebung der Krankenkassen ergab. Das erstaunt nicht: Eine deutsche Studie zeigt, dass regelmässiger Sport die Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten, um 25 Prozent erhöht - und damit die Folgen eines Sturzes klar mildert.
Bewegung: Der Schlüssel zum Wohlbefinden
Wenn ältere Menschen immer schwächer werden, liegt das oft an mehreren Faktoren wie mangelhafter Ernährung, körperlicher Inaktivität und hormonellen Veränderungen. Eine deutsche Studie zum Beispiel zeigt: Bereits die Hälfte der 50- bis 59-jährigen Frauen und ein Drittel der Männer sind nicht mehr in der Lage, drei Stockwerke ohne übermässige Anstrengung zu Fuss zu bewältigen. In der Schweiz treiben 55 Prozent der über 60-Jährigen kaum oder gar keinen Sport. Dies ist das Ergebnis einer Analyse zum Seniorensport, die 2001 im Auftrag des Bundesamtes für Sport (Baspo) durchgeführt wurde.
Gegen körperliche Inaktivität können Senioren aktiv etwas unternehmen, selbst wenn sie sich zuvor nicht mehr viel bewegt haben, sagt Nelli Schorro von der Pro Senectute Zürich: «Kraft, Koordination und Kondition sind der Schlüssel zum Wohlbefinden im Alter.»
René Mathys von der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) warnt jedoch vor einem allzu ehrgeizigen Einstieg in den Sport. «Wichtig ist, dass Sport treibende Seniorinnen und Senioren ihre Möglichkeiten richtig einschätzen und das Terrain im Auge behalten, wenn sie unterwegs sind.» Die Statistik besagt nämlich: Von 3770 Unfällen im Seniorensport passieren 1510 beim Bergwandern. Hinzu kommen 1140 Verunfallte im Skisport.
Vor allem in den Bergen müssen ältere Menschen aufpassen, wenn sie nicht mehr so trittsicher und womöglich von einer langen Wanderung ermüdet sind. Gleichgewichtsprobleme, Schwindel, ein schwieriges Terrain sowie eine verlangsamte Reaktion sind dann meist die Ursache für Stürze, die 80 Prozent der Senioren-Sportunfälle ausmachen.
Mannschaftsspiele mit Bällen sind heikel
Andres Schneider, verantwortlich für Seniorensport im Baspo, sagt, welche Sportarten sich für Senioren nicht eignen. «Es sind solche, die Schnelligkeit, ein gutes Sehvermögen, ein intaktes Gehör, Reaktionsschnelligkeit und die Fähigkeit zu komplexen technischen Koordinationen verlangen. Wenn dann - wie beim Fussball - auch noch ruckartige Bewegungen und Körperkontakt hinzukommen, besteht die Gefahr der Überforderung.»
Zu den nicht empfehlenswerten sportlichen Hobbys gehören deshalb viele Mannschaftssportarten mit Bällen.
Wer aber nicht auf Ballspiele verzichten will, sollte Schaumstoffbälle wählen. Sie verlangsamen das Spiel, verkleinern das Spielfeld und die Regeln kann man flexibel dem Alter der Mitspielerinnen und Mitspieler anpassen.
Empfehlenswert für ältere Menschen sind laut Schneider zyklische Sportarten. Diese zeichnen sich durch relativ gleichartige, sich ständig wiederholende Bewegungsabläufe (Zyklen) aus. Spaziergänge, Wandern, Joggen, Schwimmen, Velofahren, Gymnastik, Yoga, Tai-Chi, Nordic Walking, aber auch Vitaparcours sind geeignet.
Der wichtigste Anbieter von sportlichen Betätigungen ist die Pro Senectute. Hinzu kommen die klassischen Sportvereine, private Anbieter und zunehmend auch Fitnesscenter. Martin Steinhauer, Präsident des Schweizerischen Fitnesscenter-Verbandes: «Ältere Menschen sind ein bedeutendes Kundensegment geworden.» Aber: «Die älteren Mitglieder wollen keine lärmige Umgebung. Zudem möchten sie in normalen Turnkleidern trainieren können und benötigen - zumindest in der Anfangszeit - eine intensive Betreuung.» Fitnesscenter, die all dies offerieren, sind daher eher im oberen Preissegment zu finden.
30 Minuten Bewegung pro Tag
Wer auch im Alter sportlich aktiv bleiben will, sollte an Folgendes denken:
Zeitaufwand: Bewegen Sie sich jeden Tag mindestens 30 Minuten in Form von Alltagsaktivitäten oder Bewegung mit mittlerer Intensität (siehe auch «Speck weg im Alltag», Seite 22). Das Training muss nicht an einem Stück absolviert werden. Jede körperliche Aktivität, die mindestens 10 Minuten dauert, kann über den Tag addiert werden. Bei Bewegung mittlerer Intensität sollte man etwas ausser Atem kommen, Schwitzen ist aber nicht nötig. Geeignete Bewegungsarten sind Walking, Radfahren sowie leichte Haus- und Gartenarbeiten.
Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit: Machen Sie zusätzlich zwei- bis dreimal pro Woche Fitnesstraining, Gymnastik und Spiel. Die Gesundheit kann mit 20 bis 60 Minuten Ausdauertraining - zum Beispiel Jogging, Skilanglauf und Schwimmen - aktiv gefördert werden. Kraft und Beweglichkeit steigert auch Gymnastik. Konsultieren Sie nach einem längeren Unterbruch der sportlichen Aktivität sowie bei Beschwerden und Unsicherheiten einen Arzt.
Vor und nach dem Training: Wärmen Sie sich vor Beginn des Trainings auf und schliessen Sie es mit einer ruhigen, entspannenden Phase ab.
Rahmenbedingungen: Überlegen Sie sich immer, ob Gelände, Wetter, Wegstrecken, Zeitverhältnisse etc. Ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechen.