Ein junger Japaner sitzt seinem Psychiater ­gegenüber. Er könne nicht schlafen, berichtet er mit leiser, monotoner Stimme. Er sei immer müde. Oft müsse er am Wochenende arbeiten. Die Diagnose: Depression. In einer anderen Szene berichtet ein älteres Ehepaar von seinem Sohn. Ständig sei er erschöpft gewesen. Er habe sich bei der Arbeit als Versager gefühlt. Dann habe er sich das Leben genommen. Die Mutter weint.

In Japan ist die Zahl der Depressiven im letzten Jahrzehnt explodiert. Auch in den westlichen Ländern steigt sie. Heute soll bereits jeder Fünfte im Lauf des Lebens einmal erkranken. Der Film will den Ursachen nachspüren: «Wieso produziert die Gesellschaft heute so viele Depressive?»

Die Doku gibt ein anregendes, aber auch ­verwirrendes Potpourri an Antworten. Präsentiert bekommt man sie in Interviews mit Psychiatern, Soziologen und Philosophen aus der ganzen Welt.

Die Hauptgründe: der enorme Leistungsdruck und die Reizüberflutung – wie sie in Japan besonders ausgeprägt sind. Zudem habe die Alltagssprache den Begriff Depression verwässert. Nicht jedes Leid sei eine Depression. Als Beispiel hierzu dient die griechische Wirtschaftskrise. Das Leid der Griechen sei nicht mit Medikamenten zu bekämpfen. 

Bloss: Wer an der Misere Schuld hat, trauen sich die Filmemacher nicht deutlich anzusprechen. Es ist immer von der «heutigen Gesellschaft» oder dem «System» die Rede. Wie die Pharmaindustrie Ärzte und Patienten beeinflusst, um die Umsatzzahlen für ihre Psychopillen zu steigern, kommt nur am Rande zur Sprache. Ungeschoren kommen auch die Wirtschaftsbosse davon, die den Druck auf ihre Mitarbeiter erzeugen.

empfehlenswert

«Depression – eine Krankheit erobert die Welt» Arte, Dienstag, 24. März, 22 Uhr