"Ich hatte Todesangst - doch keiner nahm mich ernst" - Cornelia Grossenbacher, 40, Leben mit Panikattacken
Inhalt
Gesundheitstipp 9/2004
15.09.2004
Aufgezeichnet: Christian Egg
Die Attacken begannen eines Nachts vor drei Jahren. Plötzlich spürte ich eine Enge in der Brust und konnte kaum mehr atmen. Ich bekam Todesangst. Jetzt erwischt es mich, dachte ich - Herzinfarkt.
Mit Blaulicht fuhr man mich ins Spital und testete mein Herz. Alles normal, sagten die Ärzte. Ich war wie vor den Kopf gestossen. «Ich sterbe hier, und die merken es nicht», war alles, was ich denken konnte.
Ich hatte Angst, an einem Herzinfarkt zu sterben. Ein halbes ...
Die Attacken begannen eines Nachts vor drei Jahren. Plötzlich spürte ich eine Enge in der Brust und konnte kaum mehr atmen. Ich bekam Todesangst. Jetzt erwischt es mich, dachte ich - Herzinfarkt.
Mit Blaulicht fuhr man mich ins Spital und testete mein Herz. Alles normal, sagten die Ärzte. Ich war wie vor den Kopf gestossen. «Ich sterbe hier, und die merken es nicht», war alles, was ich denken konnte.
Ich hatte Angst, an einem Herzinfarkt zu sterben. Ein halbes Jahr zuvor hatte mein Partner einen Infarkt erlitten. Ohne bleibende Schäden zwar, aber mir hatte das einen gewaltigen Schrecken eingejagt.
Schliesslich schickten mich die Ärzte mit Beruhigungstabletten nach Hause. Es wurde aber nicht besser: Etwa alle zwei Wochen kam ein neuer Anfall. Einmal ging ich noch ins Spital, aber dort nahmen sie mich wieder nicht ernst. Danach liess ich es sein.
Ich zog mich immer mehr zurück, getraute mich kaum mehr unter die Leute. In meinem Beruf ist das besonders schlimm: Zusammen mit meinem Partner führe ich eine Quartierbeiz. Was, wenn ich mitten im Restaurant tot umfalle? Also blieb ich mehr und mehr im Büro und war kaum mehr arbeitsfähig.
Schliesslich ging ich zu einem Herzspezialisten. Auch der fand nichts. Ich sei wohl etwas sensibel, sagte er nur. Aber die Anfälle wurden immer schlimmer, sie dauerten bis zu zwei Stunden. Ich verlor die Freude am Leben, bekam Angst vor dem Liftfahren, vor Tunnels, ja vor dem Autofahren überhaupt. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte sterben. Wahrscheinlich wäre es auch so weit gekommen, wenn mir nicht eine Bekannte ihren Psychiater empfohlen hätte.
Zuerst hatte ich Hemmungen. Psychiater, dachte ich, die sind für Menschen, die ihr Leben nicht im Griff haben. Aber dann ging ich hin - und fühlte mich zum ersten Mal ernst genommen! Er stellte die Diagnose Panikattacken, gab mir Medikamente und seine Handynummer: Ich könne ihn jederzeit anrufen, wenn ich eine Attacke bekäme. Das war sehr beruhigend.
Seit zweieinhalb Jahren nehme ich nun die Medikamente, etwa einmal im Monat gehe ich zum Psychiater. Mein Ziel ist es, irgendwann mit den Medikamenten aufzuhören. Aber ich habe Angst, dass die Attacken dann wiederkommen.
Mein Psychiater glaubt, er könne mich heilen. Ich denke eher, ich werde immer damit leben müssen. Zum Glück habe ich nur positive Nebenwirkungen von den Medikamenten - ich habe 15 Kilo abgenommen.
Weshalb die Panikattacken plötzlich begannen, kann ich nur vermuten. Ich war schon immer etwas ängstlich. Nach dem Herzinfarkt meines Partners musste ich für zwei arbeiten. Dazu kam die ständige Sorge um ihn. Das war wohl einfach zu viel.
Im Alltag denke ich kaum mehr an die Krankheit. Ich arbeite wieder normal im Restaurant. Einige Dinge haben sich aber geändert. Ich achte darauf, dass ich nicht zu viel Alkohol trinke und genügend schlafe. Auch mit Koffein muss ich aufpassen. Es macht mich nervös, ich bekomme Angst vor einer neuen Attacke. Eine richtige Panikattacke hatte ich seither erst einmal, als ich zu viel getrunken hatte - selber schuld.
Ich habe gelernt, den Situationen, die mir Angst machen, nicht mehr aus dem Weg zu gehen. Zum Beispiel nehme ich ganz bewusst den Lift. Jedes Mal, wenn ich dann keine Panikattacke bekomme, ist das für mich ein kleiner Erfolg.
Frauen leiden häufiger an Panikattacken als Männer
Während einer Panikattacke leiden Betroffene unter Todesängsten und körperlichen Beschwerden wie Kurzatmigkeit, Benommenheit, Herzklopfen oder Zittern. In der Regel steckt aber kein körperliches Leiden dahinter. Koffein, Alkohol und verschiedene Medikamente können Panikattacken fördern.
Etwa ein Prozent der Bevölkerung sind von Panikattacken betroffen, Frauen häufiger als Männer. Die Behandlung besteht in einer Psychotherapie, meist kombiniert mit Medikamenten.
- Anlaufstelle: Angst- und Panikhilfe Schweiz, Tel. 0848 801 109, Mo-Fr 9-12 Uhr sowie Do 14- 18 Uhr, www.aphs.ch.
- Selbsthilfegruppen: Kontakt über die Stiftung Kosch, Tel. 0848 810 814, www.kosch.ch