Kürzlich wollte ich auf dem Balkon Blumen pflanzen, doch der Sack mit der Erde rutschte mir von den Beinen – es gab eine Sauerei. Ich hab mich furchtbar aufgeregt, wie es jeder andere auch getan hätte. Früher hätte ich meine Kleider abgeklopft und schnell die Erde aufgewischt. Doch im Rollstuhl dauert das viel länger.
Alles dauert länger. Früher genügten zwei Stunden für den Wohnungsputz. Heute schaffe ich es in dieser Zeit gerade einmal mit dem Staubsauger von der Küche ins Wohnzimmer. Um drei Kehrichtsäcke rauszutragen, brauche ich eine halbe Stunde. Und wenn ich am Morgen duschen will, muss ich zuerst vom Bett in den Rollstuhl und in die Dusche, dann zurück aufs Bett, um mich abzutrocknen und anzuziehen, und dann wieder ins Bad, um mich zu schminken.
Seit einem Jahr bin ich querschnittgelähmt. Ich war mit Freundinnen Gleitschirmfliegen. Das Wetter war wunderschön. Beim Landen machte ich einen Fehler und knallte aus etwa 17 Metern zu Boden, mit den Füssen voran. Es stauchte mich zusammen, mein Rücken tat so weh, dass ich sofort wusste: Er ist gebrochen. Ich bin Pflegefachfrau und kenne die Symptome. Mein Freund kam. Er hatte meinen Absturz gesehen. Meine Freundinnen kamen. Ich fühlte mich umsorgt. Aber mir war klar: Wenn ich überlebe, lande ich im Rollstuhl.
Nach drei Operationen kam ich für sieben Monate ins Schweizer Paraplegikerzentrum. Am Anfang lag ich nur im Bett und hatte Schmerzen. Ich brauchte für alles Hilfe und fühlte mich fremdbestimmt. Aber ich war so dankbar, dass ich noch lebte! So lernte ich, wie man den Rollstuhl bedient und ein Auto mit Handgas steuert, wie man duscht und Druckstellen auf der Haut verhindert. Familie, Freunde und Mitpatienten machten mir Mut.
Manchmal habe ich Tiefs. Zum Beispiel, als mir die Berufsberaterin sagte, ich könne nicht mehr als Pflegefachfrau in der Psychiatrie arbeiten. Ich weinte und fluchte den ganzen Abend. Am nächsten Tag rief ich meinen Chef an. Er nahm mich zurück – ich freute mich riesig. Seit Januar arbeite ich wieder und erledige Arbeiten, die man im Rollstuhl machen kann: Ich gehe mit den Patienten spazieren, einkaufen und helfe beim Kochen. Es tut mir gut, aus dem Haus zu kommen und gebraucht zu werden.
Manchmal komme ich an meine Grenzen: Ich reiste mit meinem Freund, meinem Bruder und einem Freund durch Schweden und Dänemark. Eines Tages blieb ich mit dem Rollstuhl im Sand stecken und musste warten, bis die anderen zurück waren. Da realisierte ich, dass ich nie mehr Strandferien machen kann. Das stimmte mich traurig.
Doch mein Freund und mein Bruder helfen mir über viele Hindernisse. So trugen sie mich neulich auf dem Pilatus huckepack von der Luftseilbahn zum Aussichtspunkt.
Querschnittlähmung: Jeder zweite Patient war verunfallt
Bei einer Querschnittlähmung sind Nervenbahnen im Rückenmark verletzt. Betroffene können die Beine nicht mehr bewegen. Nicht nur die Muskeln sind gelähmt, sondern die Blasenfunktion oder das Schmerzempfinden ist beeinträchtigt.
Letztes Jahr betreute das Schweizer Paraplegikerzentrum 155 neue Patienten. Die Hälfte hatte durch Krankheit, die andere Hälfte wegen eines Unfalls eine Querschnittlähmung erlitten. Bei den Unfällen handelt es sich bei 43 Prozent um Stürze, bei 35 Prozent um Sport- und beim Rest um Verkehrsunfälle.
Kontakt und Infos:
Schweizer Paraplegiker-Stiftung
6207 Nottwil
Tel. 041 939 62 62
sps@paraplegie.ch
www.paraplegie.ch