Am kommenden Freitag ist der jüdische Versöhnungstag. Der liebe Gott richtet am Jom Kippur über alle Menschen und vergibt ihnen ihre Sünden. Ein Selbst­läufer ist das aber nicht. Man muss schon ­etwas tun, damit der Ewige die Sünden tilgt.

Meistens hilft Beten oder Weinen. Um ganz sicher zu sein, gibt es in Israel verschiedene Organisationen, die helfen. Zum Beispiel der Verein Kupat Ha’ir. Das ist hebräisch und bedeutet: die Armenkasse der Stadt. Die Organisation hat guten Kontakt zu israelischen Rabbinern. Wenn ich 18 Dollar spende, schliesst mich ein Rabbiner in sein Gebet ein. Dann werden meine Sünden verziehen. Damit der liebe Gott auch die vielen Sünden meiner Frau und die der drei Kinder verzeiht, kostet mich das 90 Dollar. Das ist nicht viel. Aber ob das bei meinem Sündenregister reicht? Ich bin skeptisch. 

Wenn ich 240 Dollar spende, ­verspricht mir Kupat Ha’ir, steht ein Rabbi vierzig Tage lang «nonstop» an der Jerusalemer Klagemauer und schreit für meine Ver­gebung. Das hört sich schon besser an.  

Noch habe ich nichts überwiesen. Denn da gibt es noch eine andere Organisation. Sie heisst Kollel Chatzos. Wenn ich ihr 1750 Dollar spende, beten gleich ein Dutzend Rabbiner für das Seelenheil meiner Familie. Noch dazu werde ich auch Wunder erleben, versprechen mir die Rabbiner. Auf der Homepage lese ich zahlreiche Danksagungen. Jemand wurde vom Krebs geheilt, bei einem anderen läuft das Geschäft endlich besser, und der dritte fand – gelobt sei Gott! – einen Job.

Übrigens: Für 100 Franken bete auch ich für Ihr Seelenheil!