Krankenkasse hilft beim Iglu-Bauen
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Haus & Garten 1/2001
01.01.2001
Beiträge ans Fitness-Abo, verbilligte Kurse, gesund und günstig essen im Gourmet-Tempel: Viele Krankenkassen belohnen Gesundheitsbewusste mit kleinen Geschenken. Deshalb extra eine Zusatzversicherung abzuschliessen, lohnt sich aber kaum.
Grosse Krankenkassen wie Helsana, Concordia, Visana und Wincare zahlen ihren Versicherten über eine Zusatzversicherung einen Beitrag von 200 Franken ans Abo fürs Fitness-Center. Mindestens die Hälfte der Fitnessgemeinde in der Schweiz bezieht...
Beiträge ans Fitness-Abo, verbilligte Kurse, gesund und günstig essen im Gourmet-Tempel: Viele Krankenkassen belohnen Gesundheitsbewusste mit kleinen Geschenken. Deshalb extra eine Zusatzversicherung abzuschliessen, lohnt sich aber kaum.
Grosse Krankenkassen wie Helsana, Concordia, Visana und Wincare zahlen ihren Versicherten über eine Zusatzversicherung einen Beitrag von 200 Franken ans Abo fürs Fitness-Center. Mindestens die Hälfte der Fitnessgemeinde in der Schweiz bezieht diesen Bonus - also über 250 000 Personen.
Die Krankenkassen tragen so mit 45 Millionen Franken oder zehn Prozent zum Gesamtumsatz in der Branche bei. Damit ist eines klar: Die Massnahme hilft auf jeden Fall der Fitnessbranche.
Ob sie auch gesundheitsfördernd und Kosten sparend ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die CSS kam in einer Kosten-Nutzen-Analyse zum Schluss: «Die Beiträge sind insgesamt nicht kostensenkend.» Die Kasse zog die Konsequenzen und strich den Beitrag ans FitnessAbo per Ende 1999 wieder aus dem Leistungskatalog. «Viele lösten zwar ein Abo, gaben aber das Training vorzeitig wieder auf», so CSS-Sprecher Stephan Michel.
Aus ähnlichen Gründen haben Kassen wie die Intras und Sanitas auf den Zustupf ans Fitness-Abo schon immer verzichtet.
Bei der CSS heisst es weiter: «Wenn wir bloss Fitness-Center unterstützen, so diskriminieren wir damit andere Aktivitäten wie Turnen, Velofahren oder Schwimmen.» Deshalb hat die CSS jetzt ein Paket mit über 40 gesundheitsfördernden Massnahmen geschnürt.
Gutscheine als Zückerchen für Gesundheitsbewusste
Übers Fitness-Abo hinaus verteilt die Visana solche Zückerchen: ein Paket von drei Checks im Gesamtwert von 175 Franken für Entspannungs- und Fitnesskurse in der Gruppe. Die sind inzwischen so beliebt, dass es «einen riesigen Aufschrei gäbe, falls wir die Checks nicht mehr offerieren», sagt Pressesprecher Urs Pfenninger von der Visana.
Die Swica stellt neben dem Fitness-Abo insgesamt 500 Franken für die weitere Gesundheitsförderung in Aussicht. Wer zum Beispiel einen Ernährungskurs besucht, bekommt eine Entschädigung. Bei der Helsana gehören zu einem ähnlichen Paket von über 30 Kursarten auch Schwangerschaftsturnen und Rückbildungsgymnastik.
Die Beispiele von Swica, CSS, Visana und Helsana haben inzwischen in der ganzen Branche Schule gemacht. Sämtliche grösseren Kassen haben ein mehr oder weniger schweres Paket mit Gutscheinen für die Gesundheitsförderung geschnürt. In den Genuss der Bonusleistungen gelangt allerdings nur, wer eine oder mehrere Zusatzversicherungen abschliesst.
Vom Ernährungskurs bis zum Sportverein
Jede Krankenkasse definiert den Bereich Gesundheitsförderung anders: In der fürs Fitness-Abo entscheidenden Zusatzversicherung können auch Kurse enthalten sein für Bewegung, Entspannung, Ernährung sowie für medizinische Vorsorge (Impfungen, gynäkologische Untersuchungen, Checkups) - wie etwa bei Wincare und Intras. Bei der Groupe Mutuel, der KPT und der ÖKK wird die Mitgliedschaft in (gewissen) Sportvereinen honoriert.
Am meisten Vergünstigungen winken einem Versicherten bei der Swica, sofern er beide Zusatzversicherungen Completa Praeventa und Optima abgeschlossen hat. Er kann, wenn er alle Möglichkeiten ausreizt, über 1500 Franken für freiwillige Gesundheitsförderung beziehen.
Trotzdem lässt sich allfälligen Bonus-Rittern nicht einfach die Mitgliedschaft bei der Swica empfehlen. Der saubere rechnerische Vergleich zwischen den einzelnen Krankenkassen ist nämlich unmöglich. Viel zu unterschiedlich sind die angebotenen Leistungen und die Kosten für die Zusatzversicherungen.
Wer aber - bei welcher Kasse auch immer - trotzdem zu rechnen beginnt, kommt zum Schluss: Es lohnt sich in den meisten Fällen kaum, wegen solcher Gutscheine eine Zusatzversicherung abzuschliessen. Zu hoch sind die Durchschnittsprämien dafür. Im Schnitt liegen sie bei einem 30-Jährigen zwischen 10 und 45 Franken pro Monat.
Zurückhaltung bei Wellness-Angeboten
Beiträge an freiwillige, nicht vom Arzt verordnete Badeferien in Wellness-Centern sind nur bei ganz wenigen Kassen ein Thema: Die Helsana zahlt maximal 200 Franken für Angebote der Motio AG, die ÖKK vergünstigt eigene Wellness-Angebote und die Swica gewährt 150 Franken auf sieben Tage in 20 ausgewählten Hotels.
Während die Supra gegenwärtig abklärt, ob sie solche Wellness-Angebote in Zukunft ebenfalls teilvergütet, gibt es bei anderen Kassen bereits wieder gegenläufige Entwicklungen. «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu hohe Erwartungen schüren. Sonst stellt sich die Frage, ob wir Wanderschuhe oder gar gesunde Strassenschuhe mitfinanzieren sollen», übt Pfenninger von der Visana Selbstkritik. Die Visana hat aus solchen Überlegungen ihre Badeferien-Checks, mit denen sie vor Jahren für Aufsehen sorgte, inzwischen wieder gestrichen.
Dass die Kassen bei Badeferien in Wellness-Centern zurückhaltend sind, hat aber noch einen triftigeren Grund: Grosszügigkeit würde die Prämien schnell in Schwindel erregende Höhen treiben. Die Prämien müssen nämlich die Kosten der zusatzversicherten Leistungen voll und ganz decken. Sie durch Gelder der obligatorischen Grundversicherung quer zu subventionieren, ist gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) verboten.
Im Kampf um Kunden greifen Kassen zu PR-Gags
Wer einen längeren Bade- oder Kuraufenthalt ins Auge fasst und dafür von den Krankenkassen grössere Leistungen beziehen möchte, der kann das nur auf ärztliche Anordnung hin - und zwar nach Spitalaufenthalt oder schwerer Krankheit zur gezielten Rehabilitation.
Sicher ist: Beim Kampf um Kunden versuchen sich die Krankenkassen auch in Zukunft mit originellen bis ausgefallenen Angeboten zu übertreffen. Am weitesten treibt es gegenwärtig die ÖKK mit dem Begriff Gesundheitsförderung: Sie hat diverse Partner für ihr Präventionsprogramm engagiert - vom Starkoch Lucas Rosenblatt bis zu Outdoor- und Trekking-Unternehmen.
ÖKK-Versicherte können so zu billigeren Konditionen im Gourmet-Restaurant gesund essen und beim IgluBauen oder Lama-Trekking frische Luft schnappen. Solche Angebote haben kaum mehr etwas mit den eigentlichen Aufgaben einer Krankenkasse zu tun. Vielmehr sind das PR-Gags, mit denen die Krankenkassen auffallen und sich von Konkurrenten unterscheiden möchten.
Diesem Zweck dienen auch die verschiedenen Partnerschaften: Die Helsana kooperiert mit der Motio AG und mit Ryffel Running, die Swica mit der Migros-Klubschule und mit Schweiz Tourismus und die KPT ist Generalsponsor von SwissSki.
Solche strategischen Verbindungen steigern natürlich den Bekanntheitsgrad der jeweiligen Krankenkasse. Das ist sicher gut fürs Geschäft. Ob es auch zum Vorteil der Versicherten ist, bleibt jedoch die grosse Frage.
Pirmin Schilliger