Kunden zahlen Propaganda
Der Werbeaufwand für die Atom-Abstimmung ist gigantisch. Die Atomstrombefürworter klotzen und setzen dafür sogar das Geld der Strombezüger ein.
Inhalt
saldo 7/2003
16.04.2003
Sigrid Cariola
Rauchende Kohlekraftwerke, dunkle Drohungen von Energienotstand und höheren Steuern - die Atomstrombefürworter ziehen alle Register, um die Abstimmung am 18. Mai für sich zu entscheiden. Tages- und Wochenzeitungen sind voll mit ihren «2 x Nein»-Inseraten, öffentliche Plätze sind seit Wochen zuplakatiert.
Die Abstimmungskampagne gegen die Initiativen «Strom ohne Atom» und «Moratorium Plus» ist eine der teuersten der letzten Jahre: Rund 15 Millionen Franken investiert der...
Rauchende Kohlekraftwerke, dunkle Drohungen von Energienotstand und höheren Steuern - die Atomstrombefürworter ziehen alle Register, um die Abstimmung am 18. Mai für sich zu entscheiden. Tages- und Wochenzeitungen sind voll mit ihren «2 x Nein»-Inseraten, öffentliche Plätze sind seit Wochen zuplakatiert.
Die Abstimmungskampagne gegen die Initiativen «Strom ohne Atom» und «Moratorium Plus» ist eine der teuersten der letzten Jahre: Rund 15 Millionen Franken investiert der Wirtschaftsverband Economiesuisse, um die Initiativen zu bodigen - Kosten für Arbeitsstunden und Infrastruktur sind nicht berücksichtigt. Der politische Gegner, das Initiativ-Komitee «Strom ohne Atom», hat 3 Millionen zur Verfügung.
Beide Zahlen stammen aus den Schubladen des Komitees. Die finanziell mächtige Economiesuisse hingegen nennt keine Beträge und äussert sich auch nicht zu Schätzungen. «Das haben wir noch nie gemacht», sagt der Kommunikationsverantwortliche Urs Rellstab. Über die Gründe der Geheimhaltungsstrategie schweigt er sich ebenfalls aus.
Den weit grössten Anteil schiesst Swisselectric ein
«Der Löwenanteil für die Werbung stammt aus der Elektrizitätswirtschaft», erklärt Armin Braunwalder, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung. Den grössten Brocken berappen dabei die sieben grossen Überlandwerke, die in der Swisselectric zusammengeschlossen sind - laut Braunwalders Schätzungen etwa 8 bis 10 Millionen Franken. Mehr als die Hälfte davon schiesse allein die Axpo-Gruppe ein; sie verfügt über einen hohen Anteil an Atomstrom.
Die kantonalen und lokalen Elektrizitätswerke leisten ebenfalls ihren Obolus - nämlich über Mitgliederbeiträge des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Auch da kommt einiges zusammen: Allein das Zürcher Werk muss Jahresbeiträge zwischen 200 000 und 250 000 Franken leisten, schätzt Niklaus Scherr, Zürcher Ständeratskandidat der Alternativen Liste.
Doch nicht nur die Summe von 15 Millionen Franken ist brisant, sondern auch ihre Herkunft. Denn das Geld hat einen gemeinsamen Ursprung: das Portemonnaie der Stromkonsumenten. «Die Frage ist nur, an welcher Stelle es abgezapft wurde», so Niklaus Scherr. Die Firmenstrukturen der Überlandwerke bieten den Betreibern einen grösseren Spielraum als die städtischen Elektrizitätswerke. Adrian Stiefel vom WWF ärgert sich: «Über den Gebührenzähler leisten selbst erbitterte Atomgegner einen Beitrag an die Kampagne der Befürworter.»
Ein Dilemma, das auch der Bundesrat sieht. In einer Stellungnahme vom 17. März schreibt er: «Weil sich die Unternehmen zum Teil in öffentlicher Hand befinden und die Kunden ihre Stromlieferanten nicht frei wählen können, sollte der Umfang der Mittel verhältnismässig sein.»
Die Wirtschaft verweigert Auskunft über Finanzierung
Zu dieser Verhältnismässigkeit und zum Vorwurf, die Konsumenten zu schröpfen, wollen sich die Verantwortlichen von Economiesuisse und Swisselectric nicht äussern. Auch die Auskunft von Axpo-Direktionsmitglied Rudolf Gubser ist wenig konkret: «Wenn man den wirtschaftlichen Schaden berücksichtigt, den ein Ausstieg aus der Kernenergie bringt, setzen wir die Mittel verhältnismässig ein.»
Rechtliche Mittel, diese Mauer des Schweigens zu durchbrechen, gibt es keine. Der «Moneypulation», dem gezielten Einsatz von Geld, um die politische Meinung zu beeinflussen, sind in der Schweiz keine gesetzlichen Grenzen gesetzt. Im Nationalrat scheiterten bisher alle Vorstösse, die Parteien- oder Kampagnenfinanzierung offen zu legen.
Parlament legt Offenlegung der Geldquellen ab
Für Franziska Teuscher von den Grünen ist das Mass mit der aktuellen Atom-Abstimmung voll: «Organisationen wie Economiesuisse drohen mit ihrer finanziellen Macht, die direkte Demokratie endgültig zu pervertieren.»
Die Aussichten, bald einmal mehr Transparenz über Höhe und Herkunft solcher Gelder zu erhalten, stehen schlecht. Erst vor wenigen Tagen lehnte der Zürcher Kantonsrat einen entsprechenden Antrag ab. Begründung: Eine restlose Deklaration sei kaum durchzusetzen.
Der Bundesrat stiess bei einer Motion vor drei Jahren ins gleiche Horn: «Der Zwang zur Offenlegung darf nicht zu Versuchen verleiten, entsprechende Bestimmungen zu umgehen. Ausländische Beispiele belegen aber genau diese Wirkung.» Konkret: Es wird kein Gesetz gemacht, weil es Menschen gibt, die dagegen verstossen werden.