Schon länger weiss man, dass die Mammografie-Programme nur sehr wenige Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahren – nämlich nur eine von tausend. Bisher hoffte man aber, dass man dank der regelmässigen Röntgenuntersuche den Krebs zumindest so früh entdeckt, dass er noch gut zu behandeln ist. Doch nun zerschlägt sich auch diese Hoffnung: Es gibt praktisch gleich viele Fälle von fortgeschrittenem Brustkrebs.
Zu diesem Schluss kommt jetzt eine grosse Studie aus Skandinavien. Die Forscher hatten die Brustkrebsfälle aus Norwegen vor und nach Einführung der Mammografie-Programme geprüft. Der einzige Lichtblick: Die Ärzte entdeckten dank der Untersuche deutlich mehr Tumoren in einem frühen Brustkrebsstadium.
Laut Jürg Nadig, Krebsspezialist aus Bülach ZH, ist die Studie sorgfältig gemacht. Das Resultat überrasche ihn nicht: «Untersuchungen aus den USA kamen zu einem ähnlichen Ergebnis.» Die Zahl der fortgeschrittenen Tumoren nimmt trotz Mammografien nicht ab, die von Krebs im Frühstadium aber zu. Einer der Gründe: «Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Brustkrebs», so Arzt Nadig. Die einen machen Ableger, bevor man sie mit der Mammografie erkennen kann, die anderen so spät, dass man sie auch durch das Abtasten der Brust noch rechtzeitig entdeckt. Die Röntgenuntersuche bringen aber zahlreiche Tumoren ans Tageslicht, die den Frauen zeitlebens keine Probleme verursacht und deshalb auch keine Ängste ausgelöst hätten.
Das Fazit des Spezialisten Nadig: «Das Screening bringt wahrscheinlich mehr Schaden als Nutzen.» Die Programme würden dazu führen, dass mehr Frauen unter den Folgen der Brustkrebsbehandlung leiden müssen.
Der Verband «Swiss Cancer Screening» sieht das anders. Die neue Studie habe «einige methodische Schwachstellen», so Geschäftsführerin Claudia Weiss. Es gebe auch viele Studien, die zu einem gegenteiligen Resultat gekommen seien: «Für uns überwiegt aus wissenschaftlicher Sicht der Nutzen der Brustkrebs-Früherkennung», sagt Weiss. Es sei wichtig, die Frauen ausgewogen und verständlich über die Vor- und Nachteile zu informieren.