Patienten mit Epilepsie müssen oft Pillen schlucken. Doch diese können die schlimmen Attacken im Gehirn nicht immer verhindern. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass auch eine gezielte Diät wirkt: die ketogene Diät. Sie enthält extrem viel Fett und nur wenig Kohlenhydrate.
Kürzlich wertete der Neurologe Pavel Klein vom Epilepsie- und Schlafcenter in Bethesda (USA) die Ergebnisse von zehn Studien aus. Diese hatten untersucht, wie verschiedene Diäten das Auftreten von Epilepsie-Attacken bei Erwachsenen beeinflussten. Das Fazit von Pavel Klein: Wer sich mit der ketogenen Diät ernährt, hatte im Durchschnitt nur noch halb so viele epileptische Attacken wie vorher.
Einige Patienten hatten dank der Diät sogar lediglich noch eine statt zehn Attacken. Bei der ketogenen Diät muss der Körper seine Energie aus Fett beziehen, und das geschieht auch bei längerem Hungern. Dadurch entstehen im Körper vermehrt saure Abbauprodukte, die Ketone. Von ihnen stammt auch der Name der Diät. Welche Rolle diese Ketone spielen, ist dem Forscher allerdings noch unklar. Ähnlich schnitt eine leicht abgeänderte Diät nach Atkins ab. Auch diese Diät enthält viel Fett und kaum Kohlenhydrate. Forscher Klein veröffentlichte seine Untersuchungen im Fachblatt «Neurology». Allerdings untersuchte Klein nur etwa 130 Patienten. Zudem profitierten vor allem Patienten mit seltenen Krankheiten, wie zum Beispiel der tubulären Sklerose. Dabei verändern sich Haut und Gehirn, der Körper bildet Tumoren in Gehirn und anderen Organen. Die Folge sind epileptische Anfälle.
Bei Erwachsenen lässt die Wirkung schnell nach
Bereits in früheren Studien hatte man bei Kindern erkannt, dass die Diät wirkt, und zwar innerhalb weniger Wochen. Bei Kindern bleibt der Effekt auch erhalten, wenn sie die Diät wieder absetzen. Bei Erwachsenen hingegen, so die neuesten Erkenntnisse, lässt die Wirkung sofort wieder nach. Für Günther Krämer vom Neurozentrum Bellevue in Zürich, den Präsidenten der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie, kommt eine solche Diät dennoch grundsätzlich für alle Patienten in Frage, «bei denen eine Behandlung mit Medikamenten allein nicht erfolgreich ist».
Allerdings: Die ketogene Diät ist komplex und aufwendig. Weil sie so wenig Kohlenhydrate enthält, fallen Patienten leicht in eine Unterzuckerung. Für das Einstellen schicken Ärzte ihre Patienten deshalb ins Spital. Dort ermitteln Fachleute den Bedarf an Kalorien und Eiweiss exakt anhand von Alter, Grösse und Gewicht. Ausserdem wird festgestellt, wie viel sich die Patienten bewegen. Ein Computer errechnet das optimale Verhältnis von Fett, Kohlenhydraten und Eiweiss für den Patienten. Dieses Verhältnis bleibt dann für alle Mahlzeiten dasselbe.
«Nebenwirkungen lassen sich gut kontrollieren»
Der hohe Fettanteil von 60 bis 90 Prozent lässt sich zudem nur durch Lebensmittel wie Speck, Eier, Butter, fettreiche Gemüse wie Avocados oder Oliven sowie durch Zugabe von Rahm, Mascarpone oder Mayonnaise erreichen. Als Süssungsmittel kommt Zucker nicht in Frage, sondern künstliche Süssstoffe oder Stevia.
Die etwas abgeänderte Atkins-Diät enthält immerhin etwa 10 bis 20 Gramm Kohlenhydrate am Tag, das macht sie alltagstauglicher und auch schmackhafter.
Dennoch: Bei solch deftiger Nahrung müssen Patienten – wenn auch selten – mit Nebenwirkungen rechnen. Sie verlieren häufig an Gewicht. Jeder Zweite leidet an Verstopfung und Verdauungsstörungen, weil die Diät zu wenige Ballaststoffe enthält. Oft müssen Patienten künstliche Vitamine und Mineralstoffe wie Kalzium schlucken, weil sie mit der Nahrung zu wenig bekommen. Auch das Risiko für Nierensteine ist erhöht.
Schwere Nebenwirkungen sind allerdings selten, sagt Judith Kröll vom Schweizerischen Epilepsie-Zentrum Zürich. «Sie lassen sich zudem gut kontrollieren.» Unsicher ist, ob die fette Nahrung langfristig zu Herzkrankheiten und Schlaganfälle führen kann. Kröll: «Dies kann man nicht abschliessend beurteilen.»
Eine Alternative zu diesen Diäten ist die Glyx-Diät. Sie enthält weniger Fett und wesentlich mehr Kohlenhydrate. Diese sind sehr komplex und beeinflussen den Insulin- und damit den Blutzuckerspiegel wenig. Patienten berichten, dass diese Diät ihnen ebenfalls helfen kann, die Anfälle zu vermindern. Der wissenschaftliche Beleg fehlt allerdings bis heute. Auch die fetten Atkins- und Keto-Diäten beeinflussen den Blutzuckerspiegel wenig. Forscher vermuten deshalb, dass nicht nur Keto-Körper gut sind für Epilepsie-Patienten, sondern vor allem ein moderater Insulinspiegel.
Mehr Infos: Schweizerischer Verein für Epilepsie, www.epi-suisse.ch
Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige: Tel. 043 488 68 80 oder info@epi-suisse.ch