Mit «Wellness» Gäste ködern
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Haus & Garten 1/2001
01.01.2001
Schweiz Tourismus gibt jedes Jahr einen Katalog für Wellness-Ferien in der Schweiz heraus, kontrolliert die Hotels aber nicht. Kein Wunder, wenn immer mehr Erholungssuchende auf der Suche nach Qualität ins Ausland verreisen.
Im Bereich Wellness herrscht in der Schweiz Wildwuchs. Ein profiliertes Label gibt es noch nicht. Schweiz Tourismus und der Schweizer Hotelier-Verein, die grössten Werbe-Plattformen von Schweizer Wellness-Hotels, haben bis anhin keine gemeinsamen Qualitäts...
Schweiz Tourismus gibt jedes Jahr einen Katalog für Wellness-Ferien in der Schweiz heraus, kontrolliert die Hotels aber nicht. Kein Wunder, wenn immer mehr Erholungssuchende auf der Suche nach Qualität ins Ausland verreisen.
Im Bereich Wellness herrscht in der Schweiz Wildwuchs. Ein profiliertes Label gibt es noch nicht. Schweiz Tourismus und der Schweizer Hotelier-Verein, die grössten Werbe-Plattformen von Schweizer Wellness-Hotels, haben bis anhin keine gemeinsamen Qualitätskriterien entwickelt.
Ein Hotel, das in den Wellness-Ferienkatalog von Schweiz Tourismus aufgenommen werden möchte, muss neben Basiskriterien (Infrastruktur und Fachpersonal) nur minimalen Anforderungen genügen.
Von den fünf Wellness-Säulen Bewegung, Ernährung, Entspannung, Schönheit und Gesundheit muss es nur einen Bereich vollumfänglich abdecken. Für die Aufnahme in den Katalog bezahlt es Schweiz Tourismus dann 3000 bis 5000 Franken.
Fragebogen ausfüllen - und schon Wellness-Hotel
Das Aufnahme-Verfahren ist simpel: Es genügt, sich per zweiseitigem Fragebogen selber als Wohlfühl-Hotel zu deklarieren. Eine unabhängige Instanz, welche die Angaben kontrolliert, fehlt aber.
«Wir sind damit auch nicht zufrieden», sagt Ladina Giovanoli, zuständig für Wellness bei Schweiz Tourismus: «Aber es liegt nicht in unserer Kompetenz, ein Hotel, das den Anforderungen nicht genügt, einfach auszuschliessen.»
Im Klartext: Schweiz Tourismus vermarktet Wellness-Hotels, aber kümmert sich nicht weiter um die Qualität dieser Hotels.
Nur so kann es passieren, dass - überspitzt formuliert - ein Hotel mit einem Mountain-Bike im Keller, einem Thermalbad im Dorf oder einem Kosmetik-Studio in der Nähe im selben Katalog wie ein «gestandenes» Wellness-Hotel erscheinen kann.
Kein Wunder, wenn einige Hoteliers nicht mehr im Katalog aufgeführt sein wollen: Zum Beispiel die Verantwortlichen des Bad Schinznach oder des Hotels Victoria Jungfrau in Interlaken. «Für uns war der Auftritt im Katalog 2000 nicht mehr interessant», erklärt Martin Beck, Verkaufsdirektor im Victoria Jungfrau, «wir konzentrieren uns lieber auf unsere eigenen Marketing-Aktivitäten.»
Es gibt aber noch einen andern Grund, warum einige Hoteliers unzufrieden sind. Sie möchten, dass man «Wellness» deutlich gesundheitsorientiert definiert. Weil die Krankenkassen mit ihren Leistungen immer zurückhaltender geworden sind, weichen Kur- und Rehabilitations-Anbieter auf das verwandte Segment Wellness aus. In den Augen vieler passen Wellness- und Kurgäste aber nicht zusammen. Längst nicht alle Wellness-Gäste können ihre Ferien geniessen, wenn nebenan jemand versucht, sich von einer schweren Operation zu erholen.
Ab 2002 solls «straffere Qualitätskriterien» geben
Die wenig befriedigende Situation soll sich aber ändern: Eine im November 2000 besiegelte Vereinbarung zwischen dem Schweizer Hotelier-Verein, Schweiz Tourismus sowie dem Verband Schweizer Kurhäuser sieht ab dem Jahr 2002 einen gemeinsamen Marketing-Auftritt vor. Gemäss Giovanoli ist klar: «Dann sprechen wir die Zielgruppen Rehabilitation, Kur und Wellness getrennt an.» Und speziell im Wellness-Bereich sind «straffere und konsquentere Qualitätskriterien» vorgesehen.
In dieser Hinsicht ist Österreich der Schweiz weit voraus: So wurde bereits vor zehn Jahren die Wellness-Kooperation «Schlank & Schön» gegründet, die heute über 61 Hotels im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich verfügt.
In einer jährlichen Kontrolle werden die Mitglieder und etwaige Neubewerber mittels zwölfseitigen Fragekatalogs kleinlichst auf ihre Professionalität getestet.
«Entspricht ein Hotel den Anforderungen nicht mehr, fliegt es aus der Kooperation», sagt Kristina Madl, Produktverantwortliche von «Schlank & Schön».
Gemäss Carmen Breuss, Chefin der Österreich-Werbung in Zürich, unterscheiden sich die beiden Märkte sehr: «In der Schweiz überwiegt in vielen Hotels nach wie vor das Denken im eigenen Gärtchen. In Österreich wurden seit 1986 achtzehn verschiedene Gruppierungen gegründet. Die einzelnen Hotels profitieren unter dem jeweiligen Dach von einer professionellen Vermarktung.»
Neben «Schlank & Schön» heissen weitere Gruppierungen «Kinderhotels» oder «Wellness Hotels Austria». Statt sich an einem losen Anforderungsprofil zu orientieren, kontrollieren sich die einzelnen Mitgliederbetriebe gleich selber. Und das schlägt sich in einem qualitativen Vorsprung der österreichischen gegenüber den Schweizer Hotels nieder.
Es erstaunt deshalb nicht, wenn immer mehr Schweizer sich für Wellness-Ferien im Ausland entscheiden. Bereits beherbergen die «Schlank & Schön»-Hotels fast zehn Prozent Gäste aus unserem Land.
Wer den Ansprüchen nicht genügt, fliegt raus
Genauso wie in Österreich haben sich in Deutschland die auf Wellness spezialisierten Hotels zu einer Vermarktungsorganisation zusammengeschlossen.
Die so genannten «Wellness Hotels Deutschland» mit über 30 Mitgliedern stammen vorwiegend aus den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Mit dem Beitritt verpflichten sich die Hoteliers zu einer Qualitätsprüfung und einem Kriterienkatalog. Einem Hotel mit unvollständiger Infrastruktur oder fehlender Professionalität wird die Mitgliedschaft entzogen.
Gregor Waser
Sport, Beauty? So buchen Sie das richtige Hotel
Auf die Beschreibungen in den Katalogen alleine sollte man sich keinesfalls verlassen. Prüfen Sie das Hotel vor dem Buchen am besten selber.
- Klären Sie zuerst Ihre eigenen Bedürfnisse: Wollen Sie in erster Linie Sport-, Entspannungs- oder Beauty-Ferien machen?
- Das Bewährteste bei einer Suche ist immer: Hören Sie sich im Freundeskreis um. Kennt jemand eine gute Adresse?
- Schildern Sie im Hotel Ihrer vorläufigen Wahl Ihre Bedürfnisse.
- Lassen Sie sich die Wellness-Infrastruktur genau beschreiben: Anzahl und Art der Bädern und Saunen, Einrichtungen im Fitnessraum, Entspannungsprogramme und Beauty-Angebote.
- Bietet das Hotel gesundheitsorientierte Ernährung an?
- Gibts Biking-Touren oder geführte Wanderungen?
- Sind Fachleute im Haus anwesend (Fitness-Trainer, Schönheitsberaterin usw.)? Lassen Sie sich die entsprechenden Telefonnummern für detaillierte Infos geben.
- Ist das Hotel ruhig gelegen? Liegen die Zimmer auf der ruhigen Seite?
- Sind Kinder willkommen?
- Fragen Sie nach Zusatzkosten - zum Beispiel: Werden die Kinder gratis betreut? Gibt es Bademäntel kostenlos?
- Offeriert das Hotel Spezialangebote?