Die Post halst den Briefträgern eine neue Aufgabe auf. Ein langjähriger Pöstler zum K-Tipp: «Langsam platzt mir der Kragen. Nun müssen wir Briefträger die Kunden auch noch davon überzeugen, die Stopp-Reklame-Kleber von den Briefkästen zu entfernen.» Konkret heisst das: Die Pöstler sollen bei Leuten, die einen Kleber am Briefkasten haben, klingeln. Vor allem bei Neuzuzügern. Denn dort habe es manchmal noch einen Kleber der Vorgänger.

Das Ziel laute: die Zahl der Kleber um mindestens ein Prozent zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Pöstler angewiesen, schon mal Kleber von ihren privaten Briefkästen zu Hause zu entfernen. Zudem sind sie von den Verantwortlichen mit Anleitungen ausgestattet worden. Darauf steht im ­Detail, wie sie auf allfällige Fragen und Einwände von Kunden reagieren sollen.

Post kämpft gegen «Werbeverweigerer»

Über 51 Prozent der Schweizer Briefkästen sind mit Stopp-Reklame-Klebern versehen. Vor 15 Jahren lag der Anteil erst bei gut 31 Prozent. Sehr hoch sind die Kleberquoten in den Städten: In Zürich sind rund 70 Prozent der Briefkästen mit Klebern versehen.

Und das ist für die Post ein Problem. Denn unadressierte Werbesendungen darf sie nach den selbst auferlegten Regeln nicht in Briefkästen mit Stopp-Reklame-Klebern zustellen. Deshalb unternimmt sie grosse Anstrengungen, um die Zahl der Kleber zu senken:

  • 2006 bot die Post den Kunden in gewissen Regionen an, den Kleber «kostenlos und schonend» zu entfernen. Und sie offerierte auch noch ein Geschenk.
  • Vor fünf Jahren nahm die Post einen neuen Anlauf. Sie verschickte Kleber mit der Aufschrift ­«Werbung? OK!». Wer antwortete, konnte bis zu 2000 Franken gewinnen.
  • Und letztes Jahr sponserte die Post einen Wett­bewerb für Nachwuchswerber, den Young Creatives Award des Art Directors Clubs. Aufgabe: «Wie bringt man Werbeverweigerer dazu, den Stopp-Werbung-Kleber vom Briefkasten zu entfernen?»

Die Ausschreibung zum Wettbewerb ist aufschlussreich – unter anderem stand da als Hinweis an die Wettbewerbsteilnehmer: «Es ist politisch heikel, wenn sich die Post als Absender von Massnahmen zur Reduktion der Stopp-Werbung-Kleber zu stark exponiert.»

Die jungen Werber wurden auch darauf vorbereitet, mit wem sie es zu tun haben. Nämlich mit «bekehrbaren Verweigerern» und mit «resistenten Verweigerern». Die «bekehrbaren» sind «eher jüngere Personen mit tiefer Bildung». Um sie geht es also.

«Im Interesse des Zustellpersonals»

Doch zurück zu den Briefträgern. Laut der Anleitung sollen sie den Kunden sagen, dass diese dank den Werbesendungen «Informationen über neue, ­innovative Produkte und Dienstleistungen bis hin zu Geschäftseröffnungen in der Umgebung» erhielten. Sie würden von Sonderangeboten erfahren: «Ein Schweizer Durchschnittshaushalt spart bis 5000 Franken pro Jahr.» Und es gebe «Gutscheine, Gewinnspiele und Warenmuster».

Doch was die Post-­Verantwortlichen dabei ausblenden: Wer einen Stopp-Reklame-Kleber am Briefkasten hat, will eben gerade keine «Gutscheine, Gewinnspiele und Warenmuster».

Die Post fühlt sich, wie sie dem K-Tipp schreibt, «nicht nur den Privatkunden als Empfängern» verpflichtet, sondern auch «den Geschäftskunden wie Produzenten und Händlern, die mit ihren Produkten via Werbung auf dem Postweg zu ihren Kunden gelangen wollen».

Die Post sagt, dass es «ein Ziel von einem Prozent weniger Stopp-Werbung-Klebern» nicht gebe. Die Gespräche mit den Kunden seien «freiwillig».

Doch die Pöstler seien «motiviert». Denn es liege «auch im Interesse des ­Zustellpersonals, dass der Anteil der Haushalte mit Stopp-Werbung-Klebern nicht weiter zunimmt». Dies helfe nämlich, «die Auslastung und Stellen in der Zustellung zu er­halten».

Unadressierte Sendungen

Die Post unterschei­det bei unadressierten Sendungen zwischen «kommerziellen» und «offiziellen» Sendungen. In Briefkästen mit Stopp-Reklame-Klebern stellt die Post nur «offizielle» Sendungen zu. Gemeint sind damit Sendungen:

  • von Behörden,
  • von politischen Parteien,
  • von überparteilichen Komitees vor ­Abstimmungen und Wahlen,
  • amtliche Anzeiger,
  • Sendungen von Recycling- und ­Entsorgungs­unternehmen,
  • von Spendenorganisationen mit Zewo-Siegel.