Rente oder Kapital? Tipps zur Vorsorge
Soll man das Pensionskassenguthaben als Rente oder als Kapital beziehen? Die Antwort darauf ist für viele Menschen der finanziell folgenschwerste Entscheid ihres Lebens.
Inhalt
K-Geld 5/2005
12.10.2005
Fredy Hämmerli, Philipp Lütscher
Die Frage «Rente oder Kapital?» ist in Einzelfällen schnell beantwortet: Eine schwer kranke Bankdirektorin, verwitwet und Mutter von erwachsenen Kindern, bezieht sinnvollerweise das Kapital.
Wegen ihres absehbaren Todes erreichen ihre gesamten Rentenbezüge sehr wahrscheinlich nie die Höhe des Kapitals. Sie hinterlässt weder Witwer noch minderjährige Kinder, die auf eine Rente angewiesen wären. Und dank ihren Kenntnissen der Finanzmärkte kann sie das Vorsorgekapital vermut...
Die Frage «Rente oder Kapital?» ist in Einzelfällen schnell beantwortet: Eine schwer kranke Bankdirektorin, verwitwet und Mutter von erwachsenen Kindern, bezieht sinnvollerweise das Kapital.
Wegen ihres absehbaren Todes erreichen ihre gesamten Rentenbezüge sehr wahrscheinlich nie die Höhe des Kapitals. Sie hinterlässt weder Witwer noch minderjährige Kinder, die auf eine Rente angewiesen wären. Und dank ihren Kenntnissen der Finanzmärkte kann sie das Vorsorgekapital vermutlich sicher und gleichzeitig gewinnbringend anlegen und ihren erwachsenen Kindern vererben.
Ein vor Gesundheit strotzender Mann hingegen, der, nichts von Geld versteht und mit einer viel jüngeren Frau verheiratet ist, wählt besser die Rente.
Er kann alle Anlageentscheide delegieren und erhält eine gesicherte Rente bis ins möglicherweise hohe Alter. Und nach seinem Tod ist auch seine Witwe für den Rest ihres vermutlich noch langen Lebens abgesichert.
Doch so klar liegen die Verhältnisse nur selten. Die Gesundheit und damit die Lebenserwartung sind meist durchschnittlich und der Ehepartner ist meist etwa gleich alt. Ausserdem wissen nur die wenigsten, wie man ein Vermögen sicher und gleichzeitig möglichst rentabel anlegt.
Man sollte also anhand der persönlichen Verhältnisse abwägen, was für die Rente und was für den Kapitalbezug spricht.
Kapitalbezug: Bei den Steuern bevorzugt
Der Kapitalbezug hat folgende Vorteile:
- Hohe Flexibilität: Die Höhe der Bezüge lässt sich den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. Wer zum Beispiel kurz nach der Pensionierung eine teure Reise plant, kann sie durch den Kapitalbezug leichter finanzieren als mit einer Rente. Solche kurzfristig hohen Bezüge müssen aber in späteren Jahren mit einer entsprechenden Reduktion des Kapitalverbrauchs kompensiert werden.
- Günstige Besteuerung: Die Auszahlung wird zu einem Vorzugssatz getrennt vom übrigen Einkommen besteuert. In den Folgejahren sind nur noch die Kapitalerträge als Einkommen sowie das Kapital selbst im Vermögen steuerpflichtig. Die Rente dagegen unterliegt in den meisten Kantonen voll der Einkommenssteuer.
- Vermögen für die Erben: Im Todesfall geht das gesamte verbliebene Kapital an die Erben. Von einer Rente profitieren die nächsten Angehörigen nur eingeschränkt, weitere Erben meist gar nicht.
- Rendite: Wer Erfahrung mit Geldanlagen hat, kann ein höheres Einkommen erzielen als mit der Rente (siehe Tabelle).
- Amortisation der Hypothek: Eigenheimbesitzer können mit dem Kapital eine Hypothek abzahlen.
Der Rentenbezug hingegen hat folgende Vorteile:
- Einkommen bis ans Lebensende: Die Rentenzahlung ist unabhängig von der Lebensdauer bis zum Tod gewährleistet.
- Witwen- und Witwerrente: Wer mit einem weit jüngeren Partner verheiratet ist, sollte die Rente wählen. Nach dem Tod des Rentenbezügers erhält der Partner in diesem Fall bis ans Lebensende oder bis zu einer Wiederverheiratung eine Witwen- oder Witwerrente in der Höhe von 60 Prozent der bisherigen Rente.
- Gesicherte Einkünfte: Das Anlagerisiko trägt weitgehend die Pensionskasse.
Kapitalbezug und Rente kombinieren
Wer das Kapital bezieht, läuft hingegen Gefahr, dass unglückliche oder riskante Anlagen das Vermögen frühzeitig schmelzen lassen. Im hohen Alter beschränkt sich das Einkommen dann auf die AHV-Rente.
Das wiegt umso schwerer, als künftig Pensionierte in einzelnen Kantonen allenfalls nicht mehr von Ergänzungsleistungen profitieren, sofern sie das Kapital bezogen haben. In Genf ist diese Regelung bereits Tatsache.
Angesichts des Dilemmas, mit dem sich viele Berufstätige vor der Pensionierung konfrontiert sehen, kann eine Mischform aus Kapitalbezug und Rente sinnvoll sein. Seit Jahresbeginn müssen alle Vorsorgeeinrichtungen zulassen, mindestens 25 Prozent des Altersguthabens als Kapital zu beziehen.
Viele Reglemente sehen sogar individuelle Splittingmöglichkeiten vor. So kann man die Vorzüge der beiden Bezugsformen kombinieren: Eine beschränkte Rente dient zur Absicherung der Existenz bis ins hohe Alter. Den mehr oder weniger grossen Rest bezieht man als Kapital, um sich besondere Wünsche zu erfüllen.
Weitere Infos finden Sie im Merkblatt «Rente oder Kapital?», das Sie im Internet unter www.kgeld.ch kostenlos herunterladen können.
Versicherungen profitieren beim Teilbezug des Kapitals
Die Vorsorgeeinrichtungen müssen mindestens 25 Prozent des Altersguthabens als Kapitalleistung anbieten - und sparen damit Geld.
Bis Ende 2004 mussten die Pensionskassen ihren Versicherten lediglich eine Rente auszahlen, die Kapitalauszahlung war gesetzlich nicht vorgesehen. Seit Jahresbeginn sind die Kassen nun verpflichtet, ein Viertel des Vermögens auf Wunsch als Kapital auszuzahlen.
Wer nun allerdings meint, er könne das Verhältnis von Renten- und Kapitalleistung in jedem Fall frei wählen, täuscht sich: «Die Personalvorsorgestiftungen sind frei, bestimmte oder sogar individuelle Splitformen anzubieten, solange sie mindestens 25 Prozent als Kapitalbezug ermöglichen», sagt Barbara Greiner, Juristin im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).
Zumindest die grossen Sammelstiftungen wollen sich aber flexibel verhalten, wie eine K-Geld-Umfrage ergeben hat: Winterthur-Columna, Zürich-Vita und Swisslife ermöglichen auch ein individuelles Splitting.
Folge des Kapitalbezugs: Die Rente sinkt
Ganz uneigennützig sind sie dabei nicht: «Der Kapitalbezug ist für die Stiftungen einfacher, sicherer und billiger als der Rentenbezug», sagt Stefan Thurnherr, BVG-Experte beim VZ Vermögenszentrum in Zürich.
Alle angefragten Sammelstiftungen entnehmen das Kapital nämlich aus dem obligatorischen Teil der Altersvorsorge. Für die Rente bleibt also mehr überobligatorisches Kapital. Die Folge: Die Rente sinkt.
Ursache dafür ist der Umwandlungssatz, der die Höhe der Rente massgeblich beeinflusst. Er wird im obligatorischen Teil des Vermögens in den nächsten Jahren zwar schrittweise auf 6,8 Prozent gesenkt, ist damit aber immer noch deutlich höher als der Umwandlungssatz, den die drei genannten und weitere Sammelstiftungen für den überobligatorischen Teil anwenden.
Verhandeln Sie mit Ihrer Pensionskasse!
Ein Beispiel: Ein Versicherter mit einem PK-Vermögen von Fr. 800 000.- lässt sich ein Viertel als Rente auszahlen. Die für die Rente verbleibenden Fr. 600 000.- bestehen also zu einem grossen Teil aus überobligatorischem Vermögen mit tiefem Umwandlungssatz. Die daraus resultierende Rente ist pro Jahr Fr. 2000.- tiefer, als wenn die Fr. 200 000.- Kapital aus dem überobligatorischen Vermögen bezogen worden wären.
Das ist gemäss BSV in Ordnung: «Der gesetzlich vorgesehene Normalfall bleibt die Rente. Wer einen Teil seines Guthabens als Kapital beziehen will, muss Abstriche in Kauf nehmen», sagt Rinaldo Gadola vom BSV.
«Aus welchem Topf das Kapital kommt, ist Verhandlungssache», hält Pensionskassenexperte Thurnherr dagegen. «Man sollte seine Pensionskasse also auffordern, das Geld aus dem Überobligatorium zu beziehen.»