Viele Ärzte verschreiben älteren Menschen Medikamente gegen Depressionen, damit die Senioren besser schlafen können. Und Demenzkranke erhalten Neuroleptika, da diese Medikamente beruhigen. Dabei gibt es schon lange Hinweise, dass solche Pillen das Risiko für einen frühzeitigen Tod erhöhen können. Das sagt Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber der Fachzeitung «Pharmakritik».
Wie hoch das Risiko tatsächlich ist, hat kürzlich eine Studie des schwedischen Gesundheitsministeriums im Fachblatt «British Journal of Clinical Pharmacology» untersucht. Die Forscher überprüften die Akten von 286 000 Patienten, die zwischen 2008 und 2013 in Schweden im Alter von über 65 Jahren gestorben waren. Jeder Vierte hatte vor dem Tod regelmässig ein Medikament gegen Depressionen genommen, fast jeder Zehnte ein Neuroleptikum. Bei den 65- bis 79-Jährigen, die solche Medikamente schluckten, war die Sterberate deutlich erhöht (siehe Tabelle im PDF).
Bei den Antidepressiva führten jene Medikamente zum grössten Sterberisiko, die die Ärzte besonders häufig verschreiben. Dazu gehören Seropram, Remeron oder Zoloft. Innerhalb eines Jahres starben über 20 von 1000 Pa-tienten. Bei Mitteln wie Saroten, Cipralex, Efexor oder Deroxat waren es 17 Patienten. Zum Vergleich: Bei Senioren, die diese Medikamente nicht einnahmen, waren es 15 Patienten (siehe Tabelle im PDF).
Neuroleptika sind besonders problematisch
Noch höher ist das Risiko bei den Neuroleptika. Haloperidol, der Wirkstoff von Haldol, verfünffacht das Sterberisiko nahezu: Im gleichen Zeitraum starben 70 von 1000 Patienten. Bei Risperidon, dem Wirkstoff von Risperdal, waren es 44.
Als Grund für das frühzeitige Sterben vermuten Forscher Herzprobleme. Viele Psychopharmaka verändern den Rhythmus des Herzens. Hinweise sind Wassereinlagerungen, Schwindel, unklare Stürze oder Atemnot. Etzel Gysling: «Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden.» Gysling rät, Antidepressiva und Neuroleptika bei älteren Menschen sehr zurückhaltend einzusetzen.
Ärzte sollten auf das Risiko hinweisen
Die Experten des deutschen Arzneimittelbriefs fordern, dass Ärzte die Patienten und ihre Angehörigen auf das Risiko aufmerksam machen. Patienten sollten zudem nicht mehrere Medikamente gleichzeitig nehmen, die ein erhöhtes Risiko für Herzstörungen darstellen. Zudem müsse man bei den Patienten immer wieder kontrollieren, ob nicht bereits eine Herzstörung vorliege.
Janssen-Cilag, Herstellerin von Haldol und Risperdal, schreibt, es sei bekannt, dass die Medikamente Herzprobleme bei Älteren verschlimmern könnten. Ärzte dürften Risperdal nur bei älteren Patienten mit Demenz einsetzen, die schwere Symptome haben und die man nicht anders behandeln könne.
Merck Sharp & Dohme, Herstellerin von Remeron, schreibt, die Mehrzahl der Todesfälle sei mit einer Überdosis der Medikamente verbunden. Sie würden bei Patienten mit anderen Risikofaktoren auftreten oder wenn gleichzeitig noch andere Medikamente im Spiel seien. Auch Eli Lilly, Herstellerin von Zyprexa, sagt, es käme auf die Dosis an, wie riskant das Mittel sei.
Astrazeneca, Herstellerin von Seroquel, sagt, bei älteren Patienten müsse man immer vorsichtig sein, vor
allem wenn sie noch andere Medikamente einnehmen oder bereits Herzprobleme hätten.