Letzte Woche begegnete ich zufällig Bernhard, einem alten Schulkollegen meines Bruders. Bernhard ist Jahrgang 1956. Er erzählte mir von seinem Leben für die Post. Nach der Sekundarschule machte er eine Lehre zum Postbeamten. Dann folgte eine klassische Postkarriere bis zum Poststellenleiter einer grösseren Gemeinde am rechten Ufer des Thunersees. 43 Jahre arbeitete er für die Post – mit Leib und Seele. 

In den letzten Jahren stand er in Thun am Schalter, weil seine Poststelle geschlossen wurde. Der Wechsel war mit einem deutlich tieferen Lohn verbunden. Das war für ihn nachvollziehbar. Kürzlich aber der Bescheid: Kündigung per 2018! Seine jungen Chefs begründen sie mit Sparmassnahmen, seine Qualifikationen waren stets gut. Bernhard war nicht der Einzige: 

In seiner Gruppe traf es die beiden Männer über 60 mit dem höchsten Lohn.  

Die Post muss gemäss Gesamtarbeitsvertrag die Pensionskassenbeiträge bis zum Alter 65 übernehmen. Bernhard kann also wenigstens in seiner Pensionskasse eine Lücke vermeiden. Trotzdem: Er wird mit 62 eine neue Stelle ­suchen müssen. Vermutlich ist dies chancenlos – weil er sein Leben lang bei der Post arbeitete und diese ihn nun nicht mehr braucht. Trotzdem muss er als Postspezialist Bewerbung um Bewerbung schreiben. Auch dem Arbeitsvermittlungszentrum ist klar: Das ist für die Galerie.

Bernhard würde sich gerne nützlicher machen. Statt sinnlose Alibi-Bewerbungen zu schreiben, um die Arbeitslosenentschädigung zu erhalten, könnte er in dieser Zeit eine soziale Institution unterstützen. Er könnte sich vorstellen, in Altersheimen Besuche zu machen, vorzulesen, mit den Leuten zu spazieren. Er könnte sich so nützlich machen. Er habe immer noch Energie, sagt er. Er meinte aber auch: «Ich sehe, dass sich der Postmarkt verändert, dass es Umstrukturierungen braucht. Aber doch nicht so!» 

Und ich dachte: über 40 Jahre für die Post gelebt, aber drei Jahre vor der Pensionierung in die Arbeitslosigkeit abgeschoben. Der Staats­betrieb geht mit schlechtem Beispiel voran. Und scheffelt derweil weiterhin hohe Gewinne: Im ersten Halbjahr 2017 schon wieder fast 400 Millionen Franken.