Die Stromrechnung setzt sich aus drei Teilen zusammen: aus den Kosten für den gelieferten Strom (Energiekosten), aus den Kosten für dessen Transport (Netzkosten) sowie aus Steuern und Abgaben. Daran wird sich vorläufig nichts ändern.
Ändern könnte sich im Rahmen der laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes aber, wie diese Kosten berechnet werden: Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen drängt darauf, bei den Netzkosten Leistungstarife einzuführen.
Rechnung nicht mehr nach Verbrauch
Heute stellen die Stromlieferanten die Netzkosten in der Regel mit einem fixen Grundpreis und einem verbrauchsabhängigen Betrag in Rechnung. Neu wollen sie die verbrauchsabhängige Komponente durch einen Tarif ergänzen oder gar ersetzen, der sich auf die maximal bezogene elektrische Leistung abstützt.
Diese hängt ab von der Leistung der einzelnen Elektrogeräte – zum Beispiel 1000 Watt beim Staubsauger, 2000 Watt beim Föhn oder 4000 Watt beim Kochherd – und steigt an, je mehr dieser Geräte gleichzeitig in Betrieb sind. Massgeblich für den Tarif wäre neu die tägliche Leistungsspitze. Und sie kann, zum Beispiel wegen mehrerer gleichzeitig eingeschalteter Kochplatten am Mittag, auch dann hoch sein, wenn der Haushalt insgesamt sparsam mit Strom umgeht.
Solarproduktion nicht mehr rentabel
Die Strombranche zielt mit ihrem Ansinnen vorab auf private Haushalte, die zum Beispiel mit einer Solaranlage eigene Elektrizität produzieren und teils selber verbrauchen. Diese würden gegenwärtig zu wenig an die Netzkosten zahlen. Denn der Eigenverbrauch reduziere ihren Strombezug aus dem Netz und damit ihren Beitrag an die Netzkosten.
Für die Stromversorger aber blieben diese Kosten unverändert, da die Netzkapazität dennoch auf den maximalen Leistungsbezug ausgelegt werden müsse. Leistungs- statt verbrauchsabhängige Tarife führen deshalb nach Meinung des Stromverbands «zur Verbesserung der Verursachergerechtigkeit».
Man kann das auch anders sehen: «Der unausgesprochene Zweck des von der Strombranche propagierten Tarifsystems besteht offensichtlich darin, die Wirtschaftlichkeit von Solarstromanlagen zu untergraben», sagt der Energiefachmann und frühere SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiner. Der «neuen» Konkurrenz solle quasi der Stecker gezogen werden.
Rechsteiner hat in einer Studie die Auswirkungen von Leistungstarifen und anderen fixen Tarif-Elementen analysiert. Sein Befund ist alarmierend: «In Kombination mit sinkenden Vergütungen für die Stromeinspeisung können hohe Fixkostenanteile kleine und mittlere Solarstromanlagen unrentabel machen. Zudem profitieren die Vielverbraucher. Sie werden entlastet, während Personen mit kleinen Einkommen und kleinem Verbrauch mehr zahlen.»
Das sei «unsozial und ungerecht», so Rudolf Rechsteiner, denn nicht die maximale Leistung der Kleinbezüger verursache Netzkosten, sondern die verbrauchte Strommenge zur Zeit der Spitzenlast.
Mehrkosten für sparsame Haushalte
Tatsächlich: Die Einführung von Leistungstarifen bei den Netzkosten hätte auch für Haushalte ohne Solaranlage gravierende Folgen. Das bestätigt eine Untersuchung, die der Internet-Vergleichsdienst Mynewenergy.ch zusammen mit dem Verband unabhängiger Energieerzeuger Vese durchführte (Details siehe www.mynewenergy.ch ! Aktuell).
Das Ergebnis ist eindeutig: Sparsame Haushalte und solche, die dank eigener Solaranlage weniger Strom aus dem Netz beziehen, müssten mit happigen Mehrkosten rechnen.
Um bis zu 63 Prozent höhere Rechnung
Die Jahresstromrechnung für einen sparsamen Single-Haushalt etwa würde um rund 19 Prozent ansteigen, wenn man den Durchschnitt der sechs Stromversorger EWZ, Stadtwerk Winterthur, EKZ, BKW, CKW und Groupe E nimmt. Für eine Familie, die dank ihrer Solaranlage mit Speicher nur etwa 1400 Kilowattstunden (kWh) Elektrizität aus dem Netz verbraucht, beliefe sich der Aufschlag im Durchschnitt auf fast 44 Prozent – beim EWZ allein gar auf 63 Prozent. Umgekehrt würde eine Familie mit einem hohen Verbrauch von 7000 kWh pro Jahr im Durchschnitt 11,4 Prozent weniger zahlen (siehe Grafik im PDF).
Studienmitautorin Christina Marchand bringts auf den Punkt: «Die geplanten Leistungstarife benachteiligen sparsames Verhalten und unterbinden den weiteren Ausbau der Solarenergie.» Gery Schwager