Tankerunfälle: Zu Lasten der Umwelt und der Steuerzahler
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saldo 2/2000
02.02.2000
Der Tanker Erika war schrottreif. Dennoch lief er aus - im Auftrag
einer Schweizer Firma. Für Schäden war er nur symbolisch versichert.
Jeder Schweizer Autohalter muss für sein Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung abschliessen, die Schäden in der Höhe von mindestens drei Millionen Franken deckt. Sonst erhält er keine Nummernschilder und darf nicht auf den Strassen herumkurven. Wenn die Swissair mit einer MD-11 über den Atlantik fliegt, sind Schäden für rund 1,5 M...
Der Tanker Erika war schrottreif. Dennoch lief er aus - im Auftrag
einer Schweizer Firma. Für Schäden war er nur symbolisch versichert.
Jeder Schweizer Autohalter muss für sein Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung abschliessen, die Schäden in der Höhe von mindestens drei Millionen Franken deckt. Sonst erhält er keine Nummernschilder und darf nicht auf den Strassen herumkurven. Wenn die Swissair mit einer MD-11 über den Atlantik fliegt, sind Schäden für rund 1,5 Milliarden Franken versichert.
Wer hingegen schrottreife Öltanker über die Weltmeere schickt, muss nur gerade lächerlich geringe Haftpflichtversicherungen abschliessen. Dies zeigt das Beispiel des Öltankers Erika, der vor Weihnachten an der bretonischen Küste zerbrach und eine gigantische Umwelt-katastrophe auslöste.
Verantwortliche kommen glimpflich davon
Die Erika war bei der Steam-ship Mutual Association in London für nur gerade 11 Millionen Dollar versichert. Ein von den Ölkonzernen gespiesener Fonds, der International Oil Pollution Compensation Fund, wird zwar weitere 173 Millionen Dollar aufbringen. Doch auch "diese insgesamt 184 Millionen Dollar reichen nirgends hin, um den immensen Schaden zu decken", erklärt Bruno
Rebelle, Geschäftsführer von Greenpeace Frankreich. "Damit kann nicht einmal das im Tanker verbliebene Öl abgepumpt und die Strände gesäubert werden", doppelt Christian Bussau von Greenpeace Deutschland nach.
Für die Differenz wird der französische Staat aufkommen müssen - das heisst
die Steuerzahler Frankreichs. Zum Vergleich: Die Havarie der Exxon-Valdez vor der Küste Alaskas vor 10 Jahren verursachte Schäden von über vier Milliarden Dollar.
Die für den Schrott-Tanker Erika Verantwortlichen hingegen kommen glimpflich davon: Die Eigentümerin der Erika, die Tevere Shipping in Malta, braucht sich keine Sorgen zu machen. Im schlimmsten Fall müsse sie für ein paar Jahre eine
höhere Versicherungsprämie bezahlen, meinen die französischen Ermittler der Tankerkatastrophe in ihrem Bericht.
Die Katastrophe hätte verhindert werden können
Auch die Mieterin der Erika, das schweizerisch-bahamaische Unternehmen Selmont/ Amarship mit Sitz in Luga-no, kann ungestört weiter
geschäften. Es hatte den
Tanker für den verhängnisvollen Transport gechartert und damit Geld verdient. Doch für den Schaden muss das Unternehmen nicht aufkommen. Auch nicht der Ölkonzern TotalFina, der den Auftrag erteilte.
Experten fordern deshalb neue Haftpflichtregelungen. Einer von ihnen ist Jean Hulliger, Direktor des Schweizerischen Seeschifffahrtsamtes in Basel: "Über wirksamere Kontrollen und über eine Haftpflicht, die den gewal-
tigen Schäden angepasst ist, muss auf internationaler Ebene diskutiert werden." Zudem seien alle Beteiligten in die Verantwortung einzubinden, auch der Charterer.
Solange die vorgeschriebenen Haftpflichtlimiten nicht erhöht werden, sind die
Reeder kaum motiviert, ihre Tanker besser zu kontrollieren und zu unterhalten. Dabei zeigt gerade die Havarie der Erika, dass die Katastrophe leicht hätte vermieden wer-den können. Der schlechte Zustand des Ölkahns war
bekannt. Im August 1998 schon wurden bei einer
Inspektion durch die italie-nische Schiffsprüfungsfirma Rina Rostschäden entdeckt. Die Inspektion blieb jedoch ohne Folgen.
Die Rina untersuchte das Schiff am 22. November 1999 erneut und verlangte an bestimmten Stellen die Verstärkung des Bugs. Doch auch diese Arbeiten wurden nicht ausgeführt. Von der amerikanischen Firma Mackenzie, welche die Qualität von Schiffen bewertet, erhielt die Erika die schlechteste Note.
Erika hatte keine doppelwandige Aussenhülle
Der 25-jährige Tanker hätte also auf den Schrottplatz
und nicht auf die Weltmeere gehört. "Die Frage der Schiffssicherheit spielt bei den Geschäftsüberlegungen der Reedereien, Charterfirmen und Ölkonzerne kaum eine Rolle", sagt Ölexperte Christian Bussau. Die heute geltenden internationalen Bestimmungen zwingen sie auch nicht dazu. Wie bei alten Schiffen üblich, hatte die Erika beispielsweise keine doppelte Aussenhülle. Bricht eine Wand, läuft das Öl ungehindert aus. Dopp