Pestizid-Alarm in Deutschland: Im Februar 2011 stellten die Behörden fest, dass Linsen zum Teil massiv mit dem Unkrautvertilger Glyphosat belastet waren. Jede dritte Probe enthielt Rückstände, die über dem gesetzlichen Grenzwert lagen. Die deutschen Behörden verfügten einen Verkaufsstopp, auch Coop musste mehrere Chargen zurückrufen.
Jetzt zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipp: Noch immer findet sich Glyphosat in Linsen. Am meisten davon enthielten die teuren Linsen von Jelmoli in Zürich – 1,8 Milligramm pro Kilo. Auch eine Probe aus der Migros war mit 1,0 Milligramm stark belastet (siehe Tabelle).
Bei allen vier Proben, in denen das Labor Glyphosat feststellte, ist als Herkunft Kanada oder «Nordamerika» angegeben. Linsen aus der Türkei oder der EU waren dagegen frei von dem Schadstoff.
Für Fachleute ist der Grund klar: Bauern in Nordamerika setzen das Pflanzengift bis kurz vor der Ernte ein. Sie wollen dann nicht mehr Unkraut bekämpfen, sondern die Linsenpflanzen abtöten. So können sie die trockenen Pflanzen einfacher maschinell ernten.
Der Glyphosat-Einsatz kurz vor der Ernte «scheint heute in den USA und in Kanada gang und gäbe zu sein», sagt Reyes Tirado von Greenpeace Grossbritannien. In der EU ist diese Praxis verboten, in der Schweiz ebenfalls.
Gehäuft Missbildungen bei Neugeborenen
Denn Glyphosat ist riskant. Reyes Tirado hat Studien und Berichte aus aller Welt zusammengetragen, die die Gefahren von Glyphosat aufzeigen. So kamen in der Provinz Chaco in Argentinien plötzlich viermal so viele Kinder mit Missbildungen auf die Welt, nachdem Agro-Unternehmen angefangen hatten, Reisfelder mit Glyphosat zu besprühen.
Die beiden Proben von Jelmoli und Migros waren so stark belastet, dass sie in der EU nicht hätten verkauft werden dürfen: Dort gilt für Glyphosat in Linsen zurzeit ein gesetzlicher Höchstwert von 0,1 Milligramm pro Kilo.
Den Produzenten in Kanada und den USA ist das ein Dorn im Auge: Durch den massiven und späten Gifteinsatz halten ihre Linsen diese Limite oft nicht ein. Statt die Praxis zu ändern, lobbyierten die Produzenten für einen lascheren Grenzwert in der EU. Mit Erfolg: Per Mitte Juni erhöht die EU den Wert um das Hundertfache, auf neu 10 Milligramm. Den Antrag eingereicht hatte Hersteller Monsanto.
Die Schweiz war noch schneller: Bereits per Anfang Mai erhöhte sie den Toleranzwert von 0,1 auf 10 Milligramm. Auch solche Glyphosat-Werte seien «nach heutigem Wissensstand gesundheitlich unbedenklich», so das Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage.
Die Migros schreibt, Stichproben beim Lieferanten und durch die Migros selber hätten in den letzten Jahren «keine Grenzwertüberschreitungen» bei Glyphosat ergeben. Die Jelmoli Gourmet Factory schreibt, ihr Produkt «erfüllt die gesetzlichen Anforderungen». Man werde aber «überprüfen», ob man es im Sortiment behalten werde.
1970 von Monsanto entdeckt, hat sich das Glyphosat zu einem Kassenschlager entwickelt – besonders seit den 1990er-Jahren. Damals brachte Monsanto genetisch manipulierte Soja-, Mais-, Raps- und Baumwollpflanzen auf den Markt. Sie sind gegen Glyphosat resistent. So kann der Bauer jederzeit zur Giftkeule greifen: Sie tötet alles ab, ausser die genmutierten Monsanto-Gewächse. Monsanto sagt, Glyphosat sei «bei fachgerechter Anwendung sicher». Studien hätten «keine Hinweise auf nachteilige Eigenschaften» ergeben.