Vier Sterne - aber nicht der Himmel auf Erden
Inhalt
Haus & Garten 1/2001
01.01.2001
Nur in 3 von 10 Wellness-Hotels kann man sich rundum wohl fühlen. Das zeigt eine K-Spezial-Stichprobe. Und zwei Häuser sind regelrechte Nieten: Eine Wellness-Anlage ist uralt, die andere klitzeklein.
Wellness im sanktgallischen Hof Ragaz beginnt mit den Augen und einer aufmerksamen Rezeptionistin. Nachdem sie uns den Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt hat, nimmt sie sich Zeit, uns die Wellness-Bereiche zu zeigen: Beauty-Center und Coiffeursalon, Massageabteilung und Fitnessr...
Nur in 3 von 10 Wellness-Hotels kann man sich rundum wohl fühlen. Das zeigt eine K-Spezial-Stichprobe. Und zwei Häuser sind regelrechte Nieten: Eine Wellness-Anlage ist uralt, die andere klitzeklein.
Wellness im sanktgallischen Hof Ragaz beginnt mit den Augen und einer aufmerksamen Rezeptionistin. Nachdem sie uns den Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt hat, nimmt sie sich Zeit, uns die Wellness-Bereiche zu zeigen: Beauty-Center und Coiffeursalon, Massageabteilung und Fitnessraum, Saunalandschaft - und Schwimm-, Dampf-, Kneipp-, Sprudel- und römischirische Bäder.
Und natürlich das Paradestück: das 37 Grad warme Thermalbad. Marmorsäulen umrahmen das Becken, Mosaike zieren den Boden, weisse Liegen laden zum Ruhen ein. Fehlen nur noch die Trauben wie bei den alten Römern.
Gut und teuer: Sieger Hof Ragaz, Bad Ragaz
Alles ist vorhanden, was die Testredaktion des K-Spezial von einem Viersterne-Wellness-Hotel punkto Ausstattung verlangt. In unserem Zimmer finden wir sogar Gratis-Frottéeschlappen zum Bademantel.
Der Hof Ragaz ist denn auch Sieger im Stichproben-Test von Schweizer WellnessHotels - dies mit grossem Vorsprung auf den zweitplatzierten Hof Weissbad bei Appenzell. Das Siegerhotel hat jedoch seinen Preis: Nirgends sonst zahlen wir so viel pro Nacht.
Doch ein «sehr gut» erreicht auch der Hof Ragaz nicht. Abzüge gibts für die Ernährung. Im Hotel kann man weder Biogemüse noch Fleisch aus tiergerechter Haltung essen.
Zudem happerts mit der Beschilderung vom Zimmer in die Wellness-Abteilung. Nur wer lange sucht, findet den versteckt gelegenen Lift zur Anlage am Ende des Korridors.
Wir verfehlen die Etage, landen im Billardraum, müssen in Badeschlappen und -mantel die Treppe zur Rezeption hochsteigen - und treffen auf eine Dame im Nerz, die uns belustigt mustert.
Kompetent: Hof Weissbad bei Appenzell (Rang 2)
Ein breites Angebot an Bädern finden wir auch im Hof Weissbad. Es gibt sogar ein Aussenschwimmbad, das mit Erdwärme geheizt ist.
Im gemütlichen Haus in der Hügellandschaft des Appenzells treffen wir vereinzelt auf Rehabilitations-Gäste. Entsprechend breit ist das Angebot an Massagen und Behandlungen.
Im Gesundheitszentrum herrscht Hochbetrieb. Trotzdem erkennt die Frau am Schalter, dass wir verloren sind und über Begriffe wie Cranio-Sacral-Therapie stolpern. Geduldig erklärt sie, wie die feine Massage an Kopf und Kreuzbein wirkt. Sie ist die einzige auf unserer Hotel-Tour, die so kompetent Auskunft gibt.
Der Hof Weissbad verliert unter anderem Punkte auf den Sieger, weil die Wellness-Anlagen auch für externe Besucher offen sind. Das kann zu störendem Gedränge führen.
Grosszügig: Hotel Graziella, Weggis (3)
Die Bäderlandschaft im Hotel Graziella in Weggis LU befindet sich im Dachstock - mit freier Sicht auf See und Berge.
Nach der Sauna bedienen wir uns an der Teebar in der Hotelhalle. Zur Auswahl stehen ein Dutzend frische Tees. Und im Zimmer finden wir drei Liter Mineralwasser. So grosszügig stellt sonst niemand Gratis-Getränke zur Verfügung.
Auch punkto Kosmetik ist das Hotel Spitze. Die Abteilung hat Siebentage-Betrieb, der Coiffeur ist im Haus, und wir können für den nächsten Tag noch einen Beauty-Termin buchen. Das war in keinem anderen Hotel möglich.
Dafür gibts im Graziella kein Hallenbad und auch kein Abendessen - abgesehen von einem Früchteteller.
Direktor Olivier Müller will dies ändern. «Unsere Gäste werden immer jünger und wollen keine Diätkost mehr.» Er hat deshalb ab Neujahr einen Koch angestellt.
In der Bilanz erweist sich das Hotel am See als kleine, feine Wellness-Oase - dies erst noch zum besten Preis: Das Hotel ist der K-Spezial-Wellness-Tipp.
Überfüllt: Solbad-Hotel Beatus, Merligen (4)
Die beste Zimmerausstattung finden wir im Hotel Beatus in Merligen BE. Im Badezimmer hängt sogar eine Badetasche.
Das neu renovierte Hotel liegt direkt am Thunersee, mit grossem Park, geheiztem Solbad und Saunahäuschen. Wohltuend die frische Luft nach dem Saunagang. Wohltuend auch der abgetrennte Ruheraum mit grossen Fenstern.
Schade ist nur: Frauen und Männer kommen sich an diesem Abend im engen Gang der Bäderlandschaft in die Quere. Und in den Fitnessraum ausweichen können sie nicht. Dieser entsteht erst in der nächsten Bauetappe.
Direktor Peter Mennig weiss ums Problem, kanns aber nicht lösen: «Wir haben die Baubewilligung nur für ein öffentliches Bad erhalten.»
Frauenfreundlich: Hotel Alex, Zermatt (5)
Das Hotel Alex in Zermatt VS ist ein Haus mit jahrhundertealten, prächtigen Holzdecken aus dem ganzen Wallis. Ein Haus auch mit zwei modernen Anlagen mit Sauna, Dampfbad und Trockenbad. Die eine Bäderlandschaft ist dabei ausschliesslich Frauen vorbehalten. «Ein Bedürfnis unserer weiblichen Gäste», sagt Hotelier Alex Perren.
Diesem Wunsch wird andernorts kaum Rechnung getragen. Immerhin gibt es im Hof Weissbad, im Graziella und Maison Blanche Zeiten, die für Frauen reserviert sind.
Achterbahn: Maison Blanche, Leukerbad (6)
Im Hotel Maison Blanche in Leukerbad VS stammt die hoteleigene Wellness-Anlage aus den Sechzigerjahren. Wer sich mit der Luftschutzbunker-Atmosphäre in der Sauna nicht abfinden will, kann in die öffentlichen Bäder der Alpentherme ausweichen, die zum Hotel gehören.
Auf dem Weg dorthin erwartet uns eine Berg- und Talfahrt: Wir laufen durch einen Gang mit alten Filzteppichen, marschieren quer durch die Rezeption, benutzen viermal einen Lift, passieren einen langen Tunnel - und tauchen mitten in einer öffentlichen Einkaufspassage im Bademantel wieder auf. Am Ende der Passage müssen wir erst noch an der Kasse der Alpentherme anstehen.
Ein Trost bei der Rückkehr: Die vielen Früchteschalen in den Hotelgängen sind bereits wieder aufgefüllt.
Kollision: Grand Hôtel des Bains, Yverdon (7)
Dampfbad und Sauna sind im Grand Hôtel des Bains bei Yverdon VD nicht gratis - eine Ausnahme unter den getesteten Hotels.
Probleme haben wir beim Kosmetik-Termin. Wir sind bis zehn Uhr gebucht - und Frühstück gibts ebenfalls nur bis um zehn. Die Rezeptionistin will nicht helfen. Erstens sei der Termin unverrückbar, zweitens das Frühstücksbuffet definitiv ab zehn Uhr geschlossen. Als wir ablehnen, im Zimmer zu frühstücken, wird sie dermassen unwirsch, dass wir am liebsten die Koffer wieder packen möchten.
Wir hätten viel verpasst: Bei Gesichtsbehandlung und Massage sind Spitzenleute am Werk. Und im angrenzenden Thermalbad können wir den Kopf auslüften: Wir geniessen die frische Winterluft und die warmen Massagedüsen im Nacken.
Katakomben: Hotel Verenahof, Baden (8)
Die besten Zeiten sind im Fin-de-siècle-Hotel Verenahof in Baden AG längst vorbei. «Sie aber wohnen im neuen Hoteltrakt», kündigt uns die Rezeptionistin freudestrahlend an.
Dieser entpuppt sich als Bau aus den 70er-Jahren mit senfgelben Polstern, abgewetzten Holzmöbeln und vergilbten Lampen. Für die Wellness müssen wir ins angrenzende, öffentliche Thermalbad, das im Besitz der Verenahof AG ist. Es wurde 1964 gebaut. Das ist nicht zu übersehen: Die Plättli im Hallenbad sind mit grauen Ablagerungen belegt.
«Das sind kristallisierte Mineralien», erklärt Direktor Abraham J. Guggenheim. «Wenn man die entfernen wollte, müsste man sie abspitzen.» Das Wasser sei halt aggressiv und nicht für jedermann geeignet. Davon weiss der Bademeister nichts. Als wir ihn fragen, wie lange wir schwadern sollen, empfiehlt er «eine halbe bis eine Stunde». Erst am Schluss finden wir doch noch ein Hinweisschild. Darauf steht: «Badezeit 20 Minuten.»
Auf dem Weg zurück ins Hotel ein weiterer Hammer: Im Souterrain entdecken wir Einzelsprudelbäder, die man für 15 Franken buchen kann.
Wir kommen uns vor wie im falschen Film. In den Zellen steht ein Pritschenbett, das Gewölbe vermodert, das Mini-Fenster ist mit Efeu umrankt. Der Schein trügt nicht. Die Anstalt stammt aus dem vorletzten Jahrhundert. Direktor Guggenheim spricht denn auch von den «Katakomben» und bemerkt: «Das ist tatsächlich nicht das Gelbe vom Ei.» Und: «Die Verenahof AG möchte schon seit Jahren ein neues Bad und Hotel bauen und 70 Millionen Franken investieren. Doch die Behörden verhindern ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Projekt.»
Haariges: Hotel Walzenhausen (9)
Unser spezielles Augenmerk gilt der Sauberkeit, mindestens der oberflächlichen. Die Bilanz ist positiv: Wir finden in den getesteten Hotels kaum ein Haar. In der Regel putzen die Reinigungsleute einmal am Tag gründlich.
Im Hotel Walzenhausen bei Heiden AR wird die Sauna laut Direktor Christian Caprez gar zweimal gereinigt. Umso erstaunlicher: Wir entdecken am Boden der Sauna Haare, ebenso in der Garderobe des Hallenbades.
Walzenhausen besitzt weder Dampfbad noch Whirlpool und auch kein Schwimmbad im Freien. Zudem ist die Kosmetikabteilung so überlastet, dass es uns nicht gelingt, auch nur Informationen zu bekommen.
Immerhin: Das Hotel legt grossen Wert auf gesunde Ernährung. Das Gemüse stammt vom Biobauern, das Fleisch aus zertifizierter artgerechter Haltung.
Mini-Wellness: Seehotel Kastanienbaum (10)
Wie der Verenahof präsentiert sich auch das Hotel Kastanienbaum bei Luzern auf einer halben Seite im Wellness-Katalog von Schweiz Tourismus. Erstaunlich, denn Wellness besteht im Kastanienbaum lediglich aus Beauty-Abteilung, fünfplätziger Sauna, drei Liegestühlen und kleinem Kneipp-Fussbad.
Das sonst gepflegte Hotel hat ein traumhaft gelegenes Aussenbad am See (nur im Sommer benützbar), und der Beauty-Salon ist bekannt für seine professionelle Behandlungen.
Damit aber sind die verloren gegangenen Punkte nicht aufzuholen.
Pia Seiler
So testete K-Spezial
Zehn Schweizer Wellness-Hotels mit vier Sternen hat K-Spezia- inkognito geprüft. Die Aufenthaltsdauer betrug jeweils eine Nacht und einen Tag.
Die Stichprobe: Häuser, die sich als Wellness-Hotels deklarieren und im November offen hatten. Der Test umfasste 90 Kriterien, unter anderem:
1. Zimmerausstattung/ Zugang zum Wellness-Bereich: Gibt es einen Gratis-Bademantel? Ist der Zugang zu den Bädern diskret möglich?
2. Wellness-Anlage: Hat es Hallenbad, Aussenbad, Dampfbad, Sauna, Whirlpool? Hats genug Platz? Wie sauber ist alles?
3. Massage- und Schönheits-Abteilung: Wie umfangreich ist das Angebot? Gibt es innert Tagesfrist einen Termin?
4. Ernährung: Ist das Gemüse biologisch, das Fleisch aus tiergerechter Haltung? Gibts vegetarische und kalorienreduzierte Alternativen?
5. Kann die Rezeption auf Testfragen kompetent Auskunft geben?