Helfer im Wettlauf gegen den Weissen Tod
Inhalt
saldo 3/2001
14.02.2001
Lawinensuchgeräte sind beim Auffinden von Verschütteten eine wichtige Hilfe. saldo testete die gängigsten Modelle. Die Unterschiede sind gross.
Jeden Winter lösen sich in den Alpen Hunderte von Lawinen. Seit das Variantenskifahren einen immer grösseren Boom erlebt, sind vermehrt Skifahrer und Snowboarder die Opfer. Lawinenprognostiker Stephan Harvey vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung Davos (SLF): "In den letzten fünf Jahren lösten immer mehr Var...
Lawinensuchgeräte sind beim Auffinden von Verschütteten eine wichtige Hilfe. saldo testete die gängigsten Modelle. Die Unterschiede sind gross.
Jeden Winter lösen sich in den Alpen Hunderte von Lawinen. Seit das Variantenskifahren einen immer grösseren Boom erlebt, sind vermehrt Skifahrer und Snowboarder die Opfer. Lawinenprognostiker Stephan Harvey vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung Davos (SLF): "In den letzten fünf Jahren lösten immer mehr Variantenfahrer abseits gesicherter Pisten Lawinen aus, welche zahlreiche Menschenleben forderten." Im Wettlauf gegen den Weissen Tod sind elektronische Suchgeräte nicht mehr wegzudenken. Dabei haben Hightech-Digitalgeräte mit optischen Anzeigen die Analogprodukte mit Ton vom Markt verdrängt. saldo wollte wissen, wie gut diese neuen Produkte sind - und welche Unterschiede es zwischen den Geräten gibt. Zusammen mit Kassensturz testete saldo die drei gebräuchlichsten Digitalgeräte: den Tracker DTS, das Mammut Barryvox und das Ortovox M2 sowie zum Vergleich den alten Analogsucher VS 2000.
Mit Suchgerät sind Überlebenschancen viermal höher
Fazit: Der Tracker DTS und das Mammut Barryvox waren bei der Suchzeit praktisch doppelt so schnell wie das Ortovox M2 und das VS 2000. Der mittlere Wert (Median) betrug beim Tracker 106, beim Mammut Barryvox 109,5 Sekunden. Zum Vergleich: Das VS 2000 kam auf 187 und das Ortovox M2 gar auf 214 Sekunden.
Diese Zeitunterschiede können sich bei einer Katastrophe fatal auswirken: Bei einem Lawinenniedergang zählt für Verschüttete jede Minute. Denn nach nur rund 20 Minuten sind zwei von drei Lawinenopfern tot. Jürg Schweizer vom SLF ergänzt: "Wichtig ist, dass die Variantenskifahrer überhaupt mit Suchgeräten ausgerüstet sind. Nur mit diesen können sie sofort nach einem Lawinenniedergang mit der Suche nach ihren Kollegen beginnen." Aus Erfahrung weiss er: "Die Überlebenschancen sind viermal grösser, wenn nicht Verschüttete sofort mit der Rettung beginnen können und die Opfer nicht zuerst auf die Rettungskolonne warten müssen."
Der Test: Treffpunkt Engstligenalp ob Adelboden. Ein Föhnsturm mit 80km/h sorgt für wirklichkeitsgetreue Bedingungen. Die Equipe vergräbt in einer Tiefe von einem Meter Bretter - das sind die Opfer - und legt die Geräte darunter. Dann machen sich Sekundarschüler aus Adelboden sowie Studenten mit Geräten auf die Suche nach den unter den Schneemassen liegenden Opfern. Um ein möglichst genaues Ergebnis zu erhalten, werden pro Gerät 64 Messungen vorgenommen. Der mittlere Wert (Median) wird so berechnet: Die 32.- und 33.-schnellste Zeit zusammenzählen, dann durch zwei teilen.
Schüler kommen mit dem Tracker DTS am besten klar
Beim Test wird rasch klar, mit welchem Gerät die Schüler am besten vorankommen: "Am Afang hani dänkt, es sig no guet", beschreibt eine der Jungen das Digitalgerät Ortovox, "doch bim dritte Versuech hani nün Minute gha zum eis finde. Das hett mi echli lang dünkt". Anders erging es der Schülerin mit dem ebenfalls modernen Tracker: "Ja, mit däm hani d'Sache schneller gfunde. Bi eim hani numme 55 Sekunde gha. Es isch scho vill einfacher gsi mit däm umzgah. Es hät besser azeigt als s'Ortovox."
Ein Schulkamerad meint zum alten Analogmodell VS 2000: "I has ziemlich schwierig gfunde, will bi däm Wind ghört me mängisch dr Ton gar nüd richtig. Und dänn weiss mer nöd, ischs dr Wind, wo's lisliger macht oder isches würklich witer ewäg."
Auf das schlechte Abschneiden seines Gerätes Ortovox angesprochen, kritisiert Hersteller Franz Kröll die Testmethodik. Speziell bemängelt er, dass im Feldversuch keine Mehrfach-Verschüttung getestet wurde. Doch nach Ansicht von Experten ist dies mit einer Häufigkeit von 30 Prozent nicht gleichbedeutend wie die Verschüttung einer Einzelperson.
Im Schnitt sterben in der Schweiz pro Saison 25 Personen, die meisten im freien Gelände. Ein Grossteil der Variantenfahrer hat weder Ahnung von den Lawinenverhältnissen noch Kenntnis vom aktuellen Lawinenbulletin. Das bewog die Suva zur grossen Schneesportkampagne "Check the risk". Zusammen mit dem SLF hat sie ein Aufklärungsvideo produziert. Der Präventionsfilm zeigt, welches Verhalten bei welcher der insgesamt fünf Lawinen-Gefahrenstufen angebracht ist. Weiter wird geschildert, wie und wo man sich über die aktuelle Lage informieren kann. Das Video wird in Skiorten jeweils an der Talstation agespielt und täglich aktualisiert. Kampagnenleiterin Edith Müller: "Wir wollen den Freeridern das wichtigste Grundwissen vermitteln."
Max Fischer
Diese Verhaltensregeln sollten Sie abseits der Piste beachten
Grundausrüstung
° Tragen Sie immer ein Lawinen-Verschütteten-Suchgerät auf sich. Prüfen Sie vor jedem Einsatz, ob die Batterien in Ordnung sind und das Gerät eingeschaltet ist. Tragen Sie das Gerät unter der Jacke, damit es im Ernstfall nicht weggerissen wird.
° Lawinenschaufel und ausziehbare Stange gehören in jeden Freerider-Rucksack. Ohne diese Hilfsmittel dauert das eh schon anstrengende Ausgraben der Verschütteten viel zu lange. Die Adelbodner Schüler benötigten beim Test für das Ausbuddeln der Opfer ohne Schaufel dreimal so lange.
Vor Ort beachten
° Lawinenbulletin studieren.
° Je mehr Neuschnee, desto grösser das Risiko. Besonders gefährlich ist es am ersten schönen Tag nach längeren Schneefällen.
° "Wumm-Geräusche" sind Alarmzeichen, dass die Schneedecke schwache Schichten aufweist. Bleiben Sie immer auf der Piste, wenn Sie solche Geräusche hören.
° Vom Wind verfrachteter Schnee kann schon bei geringer Belastung brechen und als Lawine abgehen.
° Wenn die Temperaturen tagsüber stark ansteigen und die Sonneneinstrahlung intensiv ist, steigt die Lawinengefahr erheblich. Durch den Temperaturanstieg erhöht sich die Gefahr von Nassschneelawinen. Dies ist besonders im Frühling der Fall.
° Schattige Nordhänge sind besonders lawinengefährdet. Solche Hänge nur einzeln befahren. Bei "erheblicher" Gefahr sollten sehr steile Nordhänge (über 35 Grad) gemieden werden.
° Umfahren Sie die steilsten Hangpartien (je steiler und schattiger, desto gefährlicher). Couloirs sind gefährlicher als Buckelpisten.
° Halten Sie sich an die Absperrungen und die Lawinenwarnanzeigen.
Bei Lawinenniedergang
° Rega 1414 anrufen.
° Bis Retter da sind, den Lawinenkegel mit Gerät und von Auge absuchen. Achten Sie auf Geräusche. Beginnen Sie die Suche unterhalb der Stelle, an der die verschütteten Personen verschwunden sind.
Wichtige Adressen
° www.slf.ch
Nationales und regionales Bulletin des Eidgenössischen Instituts für Schnee-und Lawinenforschung Davos.
° Telefon 187
Nationales Lawinenbulletin (ab 17 Uhr für den folgenden Tag).
° Fax-Polling 0900 59 20 20
Einstiegsnummer für alle SLF-Dienstleistungen
° Telefon 0900 55 21 38
Alpenwetterbericht Meteo Schweiz
° www.meteoschweiz.ch
Wetterinfos Meteo Schweiz