Gepökelte Fleischwaren: Je weniger, desto besser
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saldo 18/2001
12.11.2001
Charcuterie-Produkte sind immer beliebter. Doch im würzigen Aufschnitt oder feinen Salsiz verbirgt sich Pökelsalz - und das ist alles andere als gesund.
Zum Frühstück ein paar Scheiben Schinken, zum Mittagessen ein Sandwich mit Aufschnitt und abends eine währschafte Schlachtplatte mit Saucissons, Schinken und Speck. Gepökeltes ist in der Schweiz beliebt, allein in den Privathaushalten wurden letztes Jahr knapp 45 000 Tonnen davon gegessen - Tendenz zunehmend.
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Charcuterie-Produkte sind immer beliebter. Doch im würzigen Aufschnitt oder feinen Salsiz verbirgt sich Pökelsalz - und das ist alles andere als gesund.
Zum Frühstück ein paar Scheiben Schinken, zum Mittagessen ein Sandwich mit Aufschnitt und abends eine währschafte Schlachtplatte mit Saucissons, Schinken und Speck. Gepökeltes ist in der Schweiz beliebt, allein in den Privathaushalten wurden letztes Jahr knapp 45 000 Tonnen davon gegessen - Tendenz zunehmend.
Der Genuss für den Gaumen hat allerdings eine Schattenseite. Ob Speck, Schinken, Salsiz, Landjäger, Aufschnitt, Trockenfleisch, Salami oder Brühwürste: Alle enthalten Nitritpökelsalz, das zur Konservierung, Aromatisierung und als Rötungsmittel verwendet wird. Nitrit wandelt sich im Körper zu Nitrosaminen um, die Krebs erregend sind. Deshalb dürfen bei der Herstellung von Charcuterie nur geringe Mengen an Nitritpökelsalz beigefügt werden.
Die Konsumentenmagazine saldo, Kassensturz und A Bon Entendeur wollten wissen, ob diese Maximalwerte eingehalten werden. Insgesamt 40 Produkte wurden in der Romandie und der Deutschschweiz eingekauft und ins Labor geschickt.
Beinschinken haben seit Jahren zu hohe Werte
Der Test entspricht den Anforderungen im Lebensmittelbuch und wurde in einem renommierten Schweizer Labor durchgeführt. Bis auf drei Produkte entsprachen alle den gesetzlichen Bestimmungen.
Das teuerste Produkt, ein Lammcarpaccio, gekauft bei Globus in Luzern, überschritt den Maximalwert von Nitrit und Nitrat von 300 Milligramm pro Kilo um 83 Milligramm. Gabor Kiss, Leiter Qualitätssicherung bei Globus, führt den Wert auf den Zusatz von Kräutern zurück, die ebenfalls grössere Mengen an Nitrat enthalten können. «Der Hersteller wird unverzüglich eine neue Rezeptur anwenden», verspricht Kiss.
Auch ungenügend schnitten zwei Proben von Beinschinken ab. Der eine Schinken, gekauft bei der Waro in Bulle, wies einen Gehalt von 534 Milligramm pro Kilo auf. Der Hersteller dieses Produkts betont, dass bisherige Tests keine erhöhten Nitrit- und Nitratwerte gezeigt hätten.
Das schlechteste Ergebnis stammt von Jumbo in Villars-sur-Glâne mit einem Wert von 653 Milligramm. Peter Stefani, verantwortlich für die Qualitätssicherung bei Jumbo: «Wir haben mit dem Hersteller des Beinschinkens Kontakt aufgenommen. Die bereits laufenden regelmässigen Tests werden intensiviert.»
Für den Freiburger Kantonschemiker Hans Sepp Walker sind diese beiden Resultate nicht neu. Seit Jahren stellt er bei der Freiburger Spezialität gesetzeswidrige Nitrit- und Nitratgehalte fest. Allein im letzten Jahr beanstandete Walker 8 von 15 Proben. «Die Einhaltung des Toleranzwertes von Nitrat und Nitrit im Beinschinken ist offenbar wegen der besonderen Herstellung schwierig», so Walker. Das Kantonslabor sei daran, die Situation zu verbessern.
Verordnung über den Maximalwert wird verschärft
Höchste Zeit, denn bereits im nächsten Frühjahr könnte ein solcher Test ganz anders aussehen. Dann übernimmt das Bundesamt für Gesundheit in Bern die Bestimmungen der EU. Dort liegen die Maximalwerte - auch für die Freiburger Beinschinken - für Nitrit und Nitrat deutlich niedriger. Bei Rohwürsten wie Salsiz oder Landjäger wird der Maximalgehalt von Nitrit sogar um zwei Drittel heruntergesetzt, von 300 auf 100 Milligramm.
Der Grund dafür sind immer deutlichere Hinweise darauf, dass der tägliche Genuss von Charcuterie das Risiko, an Darm- und Magenkrebs zu erkranken, stark erhöht. «Wer pro Tag 60 bis 100 Gramm Charcuterie-Produkte isst und gleichzeitig wenig Obst und Gemüse zu sich nimmt, erhöht sein Darmkrebsrisiko um 50 bis 60 Prozent», betont Elio Riboli, Leiter der Abteilung Ernährung und Krebs am internationalen Krebsforschungszentrum in Lyon (F).
Der Krebsforscher kann diese Aussage dank Epic, der grössten je durchgeführten Studie über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs mit 500 000 Personen in zehn europäischen Ländern, mit Zahlen belegen. Zum Vergleich: 60 Gramm Charcuterie sind allein in einem normalen Sandwich enthalten. Deutlich mehr Gepökeltes kommt auf eine Berner Platte zu liegen - dort sind es rund 250 Gramm Würste und Speck pro Portion.
Die Studienresultate zeigen, dass Nitrate im Gemüse weit weniger ungesund sind als bisher angenommen. Elio Riboli: «Als man früher die Konzentration von Nitrat und die Häufigkeit von Darmkrebs untersucht hat, zeigte sich, je mehr Nitrat aufgenommen wurde, desto seltener wurde die Diagnose Magenkrebs gestellt.» Heute zieht der Forscher einen klaren Schluss: «Die Hauptquelle des Nitrates war bei den untersuchten Personen Gemüse, das wiederum vor Krebs schützt.» Der Verdacht des Forschers: In Kombination mit Fleisch entfalten Nitrite und Nitrate möglicherweise eine stärker schädigende Wirkung als in Kombination mit Gemüse.
«Gepökeltes mit Salat oder Obst essen»
Weniger Nitrit im Fleisch könnte das Krebsrisiko also senken. Für die Herstellung von schmackhaften Charcuterie-Produkten braucht es viel weniger Pökelsalz, als viele Metzger meinen. Dies zeigen die Testresultate.
Der Nitritgehalt hängt freilich bei Rohwürsten auch vom Reifegrad ab: Je länger eine Saucisson in der Metzgerei hängt, umso mehr baut sich das vom Metzger zugesetzte Pökelsalz ab. Dies ist laut Felix Kesselring von der Metzgereifachschule Spiez einer der Gründe für die ganz unterschiedlichen Werte der getesteten Saucissons Vaudois.
Der Konsument sieht einer Wurst jedoch nicht an, wie viel Nitrit und Nitrat sie genau enthält. Nitritpökelsalz muss zwar bei der Inhaltsangabe aufgeführt sein, doch über die tatsächlich enthaltene Menge sagt dies nichts aus. Krebsforscher Elio Riboli empfiehlt deshalb allen Charcuterie-Liebhabern: «Wer nicht darauf verzichten kann, sollte Charcuterie am besten zusammen mit einem Salat und Saisonfrüchten essen.»
Monika Balmer
Pökelsalz - Konservierungs- und Aromastoff
Nitrit und Nitrat sind zwei chemisch verwandte Stoffe, die in Lebensmitteln und im Trinkwasser teilweise natürlich vorkommen oder zugesetzt werden. Bei der Deklaration der Inhaltsstoffe können sich Nitrite und Nitrate hinter den Bezeichnungen E 250 (Natriumnitrit), E 251 (Natriumnitrat und E 252 (Kaliumnitrat) verstecken.
Nitrit wird in Charcuterie-Produkten unter dem Namen Nitritpökelsalz als Konservierungsmittel und Aromastoff eingesetzt. Das Pökeln soll die Bildung eines Bakteriums verhindern, das eine hochgiftige Substanz, das Botulinustoxin, bildet.
Damit Nitrit nicht allzu grosszügig beim Pökeln eingesetzt wird, bestehen in der Zusatzstoffverordnung Maximalwerte. Für Rohpökelwaren und Rohwurstwaren wie Salsiz oder Landjäger liegt er für E 250 bei 100, für E 251 und E 252 bei je 300 Milligramm pro Kilo. Bei Kochpökelwaren und Brühwürsten wie den Saucissons gilt für E 250 der Grenzwert von 100 Milligramm pro Kilo.
Gesundheit - Gepökelte Fleischwaren: Maximal einmal pro Woche
Judith Graf ist Ernährungsberaterin bei der Schweizerischen Krebsliga in Bern und leitet ein Teilprojekt für Darmkrebsprävention.
Wie häufig sollte man maximal Gepökeltes essen?
Die Schweizerische Krebsliga empfiehlt, den Konsum von gepökeltem, geräuchertem und stark grilliertem Fleisch zu vermindern und auf maximal einmal pro Woche zu beschränken. Grundsätzlich ist eine vorwiegend pflanzliche Ernährung zu bevorzugen und täglich fünf Portionen Früchte und Gemüse sehr zu empfehlen.
In welchen Produkten ist Pökelsalz enthalten?
Pökelsalz ist in Fleischwaren wie Wurst, Salami, Schinken, Aufschnitt enthalten. In der Regel sind dies Fleischwaren, die zur längeren Haltbarkeit weiterverarbeitet wurden. Der Konsument kann sich darüber informieren, indem er auf verpacktem Fleisch die Zusammensetzung liest. Dort muss Nitritpökelsalz deklariert sein.
Warum ist Gepökeltes nicht gesund?
Etwa fünf Prozent der täglich mit der Nahrung zugeführten Nitratmenge wird im menschlichen Körper zu Nitrit umgewandelt. Im sauren Magenmilieu kann Nitrit zu Nitrosaminen umgewandelt werden. Nitrosamine sind Krebs erregend.
Darf man Gepökeltes grillieren?
Wird gepökeltes Fleisch stark erhitzt oder grilliert, entstehen deutlich mehr Nitrosamine. Deshalb sollte eine starke Erhitzung oder Grillieren von gepökeltem Fleisch vermieden werden. Verkohlte Stellen unbedingt wegschneiden.
Gibt es andere Nitrat- oder Nitritquellen?
Andere Nitratquellen in unserer Ernährung sind Gemüse und Trinkwasser. Beim Gemüse wiegt der positive Effekt auf den Körper durch die natürlich enthaltenen Schutzstoffe bei weitem die Nachteile der Nitratzufuhr auf. In der Krebsprävention sind aber noch viele Fragen offen. Man muss die Resultate laufender Studien abwarten.