Schlaflos im Bett - das lässt sich ändern
Jede vierte Person in der Schweiz kann nicht richtig schlafen. Mit Schlafstörungen muss man sich jedoch nicht abfinden: In den meisten Fällen sind sie heilbar.
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Gesundheitstipp 10/2005
28.09.2005
Esther Diener Morscher
Es war enorm hart und brauchte viel Disziplin», erinnert sich Elisabeth Spielmann. Die 55-Jährige musste lernen, richtig zu schlafen - mit einer kurzen Nacht. Die Therapie: Bettruhe strikt um Mitternacht, um sechs Uhr morgens wieder aus den Federn - auch wenn Spielmann todmüde war. Dies schrieb ihr der Arzt in der Schlafklinik so vor.
Bevor Spielmann dieses strenge Programm absolvierte, lag sie jahrelang jede Nacht oft zwölf Stunden lang im Bett - die meiste Zeit davon schlafl...
Es war enorm hart und brauchte viel Disziplin», erinnert sich Elisabeth Spielmann. Die 55-Jährige musste lernen, richtig zu schlafen - mit einer kurzen Nacht. Die Therapie: Bettruhe strikt um Mitternacht, um sechs Uhr morgens wieder aus den Federn - auch wenn Spielmann todmüde war. Dies schrieb ihr der Arzt in der Schlafklinik so vor.
Bevor Spielmann dieses strenge Programm absolvierte, lag sie jahrelang jede Nacht oft zwölf Stunden lang im Bett - die meiste Zeit davon schlaflos. Von den ständigen Versuchen, endlich einzuschlafen, war sie körperlich und geistig völlig erschöpft.
«Schon als Kind schlief ich schlecht. Später wurde es immer schlimmer. Ich konnte nie länger als anderthalb Stunden am Stück schlafen», erzählt sie. Mit der Zeit bestimmte die Angst, nachts nicht schlafen zu können, auch Spielmanns Alltag. Ihr Körper rebellierte, sie war oft krank.
Seit dem Schlaftraining in der spezialisierten Klinik hat sie ihr Schlafverhalten von Grund auf geändert und die Nachtruhe wieder im Griff. «Ich wache zwar noch ab und zu auf. Aber ich kann schnell wieder einschlafen. Und ich lasse mich auch nicht mehr verrückt machen von dem Gedanken, nicht schlafen zu können.»
Erste Fortschritte sind nach zwei Wochen spürbar
Viele leiden wie Elisabeth Spielmann jahrelang. Dies stellt Jürg Schwander, Leiter der Klinik für Schlafmedizin in Zurzach AG, immer wieder fest. Jede vierte Person in der Schweiz kann nicht richtig einschlafen, wacht ständig auf oder schläft unruhig und oberflächlich. Und die Zahl der Betroffenen nimmt zu. «Es ist eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung, dass man dem Schlafen immer weniger Zeit einräumt. So ist man anfälliger auf Schlafstörungen», begründet Jürg Schwander.
Nur selten sind diese die Folge körperlicher oder psychischer Krankheiten. Weitaus häufiger sind Schlafstörungen durch Verhaltensweisen «angelernt», wie es Jürg Schwander formuliert. Unregelmässige Bettzeiten, zu wenig Bewegung, Alkohol, Kaffee oder üppiges Essen behindern den Schlaf. Nur mit gezielten Verhaltensänderungen bringt man solche Störungen wieder weg.
Die Betroffenen müssen sich an kurze, aber regelmässige Bettzeiten halten, wie Elisabeth Spielmann. Wer nach zehn Minuten nicht eingeschlafen ist, muss aufstehen und sich mit etwas anderem beschäftigen, bis er sich müde fühlt.
«Nach zwei Wochen sind erste Fortschritte spürbar. Nach rund acht Wochen haben die meisten wieder zu einem normalen Schlaf gefunden», berichtet Facharzt Schwander. Er schätzt, dass etwa 85 Prozent der chronischen Schlafstörungen geheilt werden können - und zwar ohne Medikamente zu schlucken.
Schlafmediziner verschreiben Medikamente nur zeitlich eng begrenzt bei «kurzfristigen» Schlafstörungen, wie zum Beispiel nach dem Tod einer nahe stehenden Person oder während einer Beziehungskrise. Denn Schlafmittel bewirken keinen natürlichen Schlaf. «Sie legen die Zellen im gesamten Hirn lahm. Beim normalen Schlaf hingegen sind die einzelnen Hirnregionen unterschiedlich aktiv», erklärt Jürg Schwander. «Setzt man die Medikamente ab, ist die Schlafstörung wieder da.»
Trotzdem greifen viele Menschen, die nicht schlafen können, in ihrer Not zu Medikamenten oder bekommen sie vom Arzt verschrieben - Frauen doppelt so häufig wie Männer.
Auch Elisabeth Spielmann hat während zweier Jahre täglich vom Hausarzt verschriebene Schlaftabletten geschluckt. «Mit der Zeit schlief ich mit den Medikamenten aber genauso schlecht wie ohne», erinnert sie sich. Nach dem Absetzen machte sie drei Wochen lang schwere Entzugserscheinungen mit schlaflosen Nächten durch.
Doch nicht nur rezeptpflichtige Schlaftabletten haben Nachteile:
- Auch pflanzliche Schlafmittel wie Hopfen und Baldrian heilen die Schlafstörung nicht. Sie machen aber immerhin nicht abhängig.
- Alkohol lässt einen zwar schnell einschlafen. Doch schon ein bis zwei Gläser Wein bewirken einen unruhigen und oberflächlichen Schlaf. Viele Menschen schwitzen oder schnarchen dann auch mehr.
- Das in der Schweiz nicht zugelassene Melatonin hilft bei chronischen Schlafstörungen nicht. Neben- und Langzeitwirkungen sind zudem nicht erforscht.
- Rezeptfrei erhältliche Mittel wie Bedorma, Benocten oder Detensor sind keineswegs harmlos. Meistens sind es Mittel, die eigentlich gegen allergische Reaktionen eingesetzt werden. Zudem fühlt man sich noch am nächsten Tag müde.
«Wer sich am Tag erholt fühlt, hat genug geschlafen»
Wer ab und zu nicht gut schläft, hat noch keine Schlafstörung. Und ältere Menschen brauchen generell weniger Schlaf. Wer jedoch länger als einen Monat lang schlecht schläft und tagsüber darunter zu leiden beginnt, sollte die Ursache bei einem Arzt abklären lassen.
Wie viel Schlaf ein Mensch tatsächlich braucht, kann auch Schlafspezialist Schwander nicht in Stunden beziffern. Seine einfache Formel: «Wer sich am Tag erholt fühlt, hat genug geschlafen.»
Ein gesunder Schlaf - so funktionierts
- Führen Sie während eines Monats ein Schlaftagebuch.
- Bewegen Sie sich tagsüber regelmässig, treiben Sie nach 20 Uhr keinen Sport mehr.
- Gehen Sie jeden Abend ungefähr zur gleichen Zeit ins Bett.
- Vermeiden Sie vor dem Zu-Bett-gehen Alkohol und schweres Essen.
- Kamillentee, ein warmes Bad oder eine warme Bettflasche wirken entspannend.
- Das Schlafzimmer soll dunkel, ruhig und nicht zu warm sein.
- Benutzen Sie das Bett nur zum Schlafen, nicht zum Lesen, Essen oder Fernsehen.
- Wenn Sie im Bett liegend länger als 10 Minuten wach bleiben: Stehen Sie auf und beschäftigen Sie sich, bis Sie müde sind.
Buchtipp und Infos
- Gesundheitstipp-Ratgeber: «Gute Pillen, schlechte Pillen», Bestellmöglichkeiten Seite 13.
- www.schlafgestoert.de:
Infos zu Störungen, Vorlagen für Schlaftagebücher und Tipps.