Wegen einer Hautrötung ging Friedhelm Schöpe in die Notfallstation des Stadtspitals Waid in Zürich. Der 52-Jährige befürchtete, dass die Rötung von einem Zeckenbiss stammen könnte. Zwei Stunden lang musste er warten, bis eine Assistenzärztin erschien. Weil sie nicht sicher war, holte sie einen zweiten Arzt, der die Diagnose stellte. Schöpe atmete auf: Es war kein Zeckenbiss.
Doch als er die Rechnung erhielt, erschrak er: Für die Untersuchung, die laut Schöpe nicht länger als zehn Minuten gedauert hatte, verlangte das Waidspital 457 Franken. Auf der Rechnung waren 75 Minuten Konsultation berechnet. Als Schöpe reklamierte, reduzierte das Spital die Rechnung auf 155 Franken und entschuldigte sich. «Diesen Betrag fand ich immer noch üppig, aber ich beliess es dabei», sagt Schöpe.
Friedhelm Schöpe ist kein Einzelfall. Eine Hochrechnung der Organisation Tarifsuisse ergab vor drei Jahren: Schweizer Spitäler und Ärzte verlangen jedes Jahr 750 Millionen Franken zu viel. Sie schreiben zu viel Zeit auf und verrechnen unnötige Untersuchungen oder solche, die sie gar nicht durchgeführt haben. Ärgerlich ist das vor allem für Patienten, die eine hohe Franchise gewählt haben und viele Arztrechnungen selber zahlen müssen.
Margrit Kessler, Präsidentin von SPO Patientenschutz, rät deshalb: «Alle Patienten sollten die Arztrechung kontrollieren und reklamieren, falls sie zu hoch oder nicht korrekt ist.» Man solle prüfen, ob das auf der Rechnung angegebene Datum und die Dauer der Konsultation stimmen. Zudem sollten die Patienten überprüfen, ob der Arzt die von ihm erbrachten Leistungen, etwa das Entnehmen von Blut, korrekt aufgelistet hat.
Patienten erhalten häufig keine Rechnung vom Arzt
Oft erhalten Patienten jedoch gar keine Rechnung vom Arzt. Dies, obwohl das Gesetz alle Ärzte verpflichtet, den Patienten unaufgefordert eine Kopie der Rechnung zu senden. Erika Ziltener, Präsidentin der Schweizer Patientenstellen, sagt: «Viele Patienten merken erst, dass etwas nicht stimmt, wenn die Krankenkasse die Rechnung bereits bezahlt hat.» Dann sei es viel schwieriger, eine Korrektur zu erwirken.
Mehrere Patienten teilten dem Gesundheitstipp mit, ihre Krankenkasse habe kein Interesse gezeigt, eine überhöhte Rechnung zu prüfen. Oder sie habe gesagt, die Patienten sollten selbst mit dem Arzt verhandeln. Santésuisse-Sprecher Christophe Kaempf sagt, die Kassen könnten nicht wissen, welche Untersuchungen ein Arzt tatsächlich durchführte und wie viel Zeit ein Patient in der Praxis verbrachte: «Nur Patienten können beurteilen, ob eine auf der Rechnung aufgeführte Leistung tatsächlich vom Arzt erbracht wurde.»
Viele Patienten sind jedoch mit der Kontrolle der Arztrechnungen überfordert, weil sie kompliziert aufgebaut sind. Eine Umfrage des Internet-Vergleichsdiensts Comparis zeigte im letzten Jahr: Zwei Drittel der Patienten verstehen die Rechnungen nicht. Santésuisse-Sprecher Kaempf bestätigt: «Die Rechnungen sind nicht verständlich genug.» Die Dauer einer Behandlung sei beispielsweise nicht klar dargestellt. Einige Krankenkassen und auch Santésuisse geben im Internet Hilfe beim Lesen der Rechnungen (siehe «Tipps»).
Das Stadtspital Waid schreibt, dem Spital sei ein «Erfassungsfehler» unterlaufen, den der Patient Friedhelm Schöpe zu Recht beanstandet habe. Die korrigierte Rechnung widerspiegle den tatsächlichen Verlauf der Behandlung.
Auch bei längeren Wartezeiten müsse das Spital eine Notfallpauschale verrechnen, um die Kosten der Notfallstation zu decken. Die Rechnung umfasse nicht nur die ärztliche Untersuchung, sondern auch das Eintrittsgespräch, Informationen über das weitere Vorgehen sowie das Schreiben eines Arztberichts.
Tipps: Überhöhte Arztrechnung - So können Sie sich wehren
- Notieren Sie in der Arztpraxis das Datum und die Dauer der Untersuchung.
- Kontrollieren Sie die Rechnung. Verlangen Sie beim Arzt eine Kopie der Rechnung, falls er Ihnen keine sendet.
- Reden Sie mit dem Arzt, falls Sie einen Fehler entdecken.
- Nehmen Sie Kontakt mit Ihrer Krankenkasse auf, falls der Arzt sich weigert, die Rechnung zu korrigieren.
- www.monsieur-sante.ch erklärt, wie Arztrechnungen aufgebaut sind.
- Unterstützung bieten SPO Patientenschutz, Tel. 0900 56 70 47 (Fr. 2.90 pro Minute), oder die Hotline der Patientenstellen, Tel. 0900 10 41 23 (Fr. 2.20/Min).