Schwarze Wände, grelles Licht und harte Musik – es ist kein warmes Willkommen an diesem Mittwochabend im Crossfit-Trainingsraum am Stadtrand von St. Gallen. Die Menschen, die hier trainieren, sind jung und fit. Etwas abseits stehen sechs Frauen und zwei Männer. In wenigen Minuten beginnen sie ein Crossfit-Probetraining, so auch Sabrina Burgener aus Brienz BE. Die 22-Jährige macht zurzeit ein Praktikum in der Gallusstadt. «Ich möchte kräftiger werden fürs Karate», sagt sie.
Crossfit ist Fitness der extremen Art. Der Trendsport trainiert den ganzen Körper mit Gewichten, Gymnastik und Audauerübungen – in sehr hohem Tempo. Die 34-jährige Murielle Keller aus Amriswil TG kommt dafür fünf- bis sechsmal pro Woche nach St. Gallen. Sie sagt: «Am Anfang war es brutal. Nach dem Training spürte ich manchmal meine Arme gar nicht mehr.»
Im Gegensatz zu klassischen Krafttrainings mache man Crossfit in der Gruppe. Sich mit anderen Leuten zu messen, steht an oberster Stelle. Ursprünglich stammt es aus den USA. Doch in der Schweiz gibt es immer mehr dieser Fitnesscenter. Was sie versprechen, klingt verlockend. Crossfit Basel etwa schreibt auf ihrer Website: «Messbare Resultate und sichtbar gesteigertes Wohlbefinden. Bessere Leistung im Alltag oder in anderen Sportarten.»
15 Minuten, 4 Übungen, so schnell wie möglich
Die Firmen bewerben zunehmend auch Ältere. Gemäss Crossfit Zürich eignet sich das Programm sowohl für einen Kampfsportler, der sich auf den Kampf vorbereitet, als auch für eine 70-Jährige, die ihren Enkel noch hochheben will. Crossfit Basilisk, ebenfalls in Basel, bietet neu ein Seniorentraining an. Gemäss Crossfit Zug hilft der Sport älteren Menschen, «Schritt für Schritt» ihre Gesundheit wiederzuerlangen.
Das Training in St. Gallen beginnt mit Springseilen und Gymnastik. Nach etwa 20 Minuten zeigt der Trainer vier Übungen vor: Klimmzüge an einem sehr hohen Reck oder an Ringen, Ausfallschritt mit Kniebeugen und mehreren Kilo Gewicht in den Händen, auf eine hohe Kiste hinauf und wieder von ihr hinunterspringen sowie Rumpfbeugen. Immer wieder von vorne, 15 Minuten lang. So schnell wie möglich. Für eine junge Frau ist das zu viel. Ihr wird schwarz vor Augen, sie muss sich setzen. Aufhören will sie trotzdem nicht. Nach einer kurzen Pause zieht sie das Training durch.
Crossfit wirkt – das bezweifeln Experten nicht. Fritz Bebie, Fitnesstrainer aus Erlenbach ZH: «Für fitte, junge Leute ist das interessant, weil es zugleich Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit trainiert.» Und Piero Fontana, Physiologe an der Empa in St. Gallen, sagt: «Crossfit verbessert Kraft, Schnelligkeit und Koordination erheblich.»
Allerdings warnen die Experten auch vor den Risiken: «Für übergewichtige und ältere Personen ist das zu streng», sagt Bebie. Zudem sei der Gruppendruck massiv. «Die Gefahr ist gross, dass die Sportler sich überfordern.» Folgen: Muskelkater, kleine Muskelzerrungen, Rücken- oder Kreislaufprobleme.
Auch Fabian Lüthy, Sportphysiologe und Krafttrainingsspezialist an der Hochschule für Sport in Magglingen BE, mahnt zur Vorsicht: «Viele Freizeitsportler sind sich der körperlichen Belastung durch Crossfit kaum bewusst.»
Die Fachleute raten, sich nur von Fitnesstrainern unterrichten zu lassen, die langjährige Erfahrung haben. Zudem müssten diese in der Crossfit-Technik geschult sein und die Bewegungen der Trainierenden eng überwachen.
Ramon Gysin von Crossfit Basel sagt, das Training sei für jedermann geeignet, wenn es richtig angewendet werde. Es sei aber wichtig, dass es dem Niveau einer Person angepasst werde. So könnten ein Spitzensportler und eine ältere Person das gleiche Training machen.
Trainer und Kurse: «Riesige» Unterschiede
Moritz Furrer, Cheftrainer von Crossfit Zürich, ist sich der Risiken bewusst. Es gebe «riesige» Qualitätsunterschiede bei den Trainern und den Kursgestaltungen, sagt er. Dies führe dazu, dass an vielen Orten schlecht ausgebildete Instruktoren mit übertriebenen Trainingsprogrammen die Kursteilnehmer überforderten. Und das sei ein Grund für schlimme Verletzungen.
Wem Crossfit zu hart ist, der sollte sich im Winter auf sanftere Art fit halten (siehe Tabelle). Allen, die gern in einer Gruppe Sport treiben, empfiehlt Fitnessexperte Bebie das Programm «Winterfit». Das ist ebenfalls ein Ganzkörpertraining, das die meisten Turnvereine im Winter einmal pro Woche anbieten. Dazu muss man nicht Mitglied im Verein sein. Der grosse Vorteil: Es ist mit 2 bis 5 Franken pro Lektion extrem günstig.
Fritz Bebie empfiehlt auch eine Kombination von klassischem Krafttraining mit Schwimmen oder Laufen. «Damit verbessert man die Ausdauer und bekommt erst noch stärkere Muskeln.» Wer zum Krafttraining nicht in ein Fitnesscenter gehen möchte, sollte die Muskeln zu Hause stärken. Der Gesundheitstipp hat verschiedene Übungen zusammengestellt (siehe Merkblätter).
«Wichtig ist, dass man zwei-, besser dreimal pro Woche mindestens eine halbe Stunde Sport treibt – und zwar so, dass man ins Schwitzen kommt und der Puls leicht erhöht ist», sagt Bebie.
Wieso trainieren Sie Crossfit?
Sabrina Burgener, 22, Brienz BE:
«Crossfit gefällt mir. Ich fühle mich gut nach dem Training. Es ist aber schon sehr streng. Ich finde es gut, dass man selber bestimmen kann, wie oft man die Übungen jeweils macht.»
Silvan Wirth, 27,
Gossau SG:
«Das Trainieren in der Gruppe gefällt mir, denn man spornt sich gegenseitig an. Gewisse Übungen können anspruchsvoll sein. Man lernt dabei seine eigenen Grenzen kennen.»
Murielle Keller, 34, Amriswil TG:
«Ich habe mich und meinen Körper durch das Crossfit besser kennen gelernt. Ich finde es toll, dass man sowohl Kraft als auch Ausdauer trainiert.»