Beruflich habe ich zwar täglich mit Finanzen zu tun. Doch privat interessiert mich Geld nicht mehr. Ich überlasse die komplette finanzielle Verantwortung und Organisation meiner Frau. In meinem Portemonnaie befinden sich keine 100 Franken und weder Kredit- noch Bankkarten.
Das hat seinen Grund: Bis vor sieben Monaten drehte sich bei mir alles um Wettspiele. Das Glücksspiel war für mich am Morgen die einzige Motivation aufzustehen. Ich spielte jede freie Minute. Alles andere machte mir keinen Spass mehr.
Als sich meine Schulden auf 200 000 Franken summiert hatten, wusste ich nicht mehr weiter. Ich hatte Angst, meine Familie zu verlieren, deshalb vertuschte ich das Problem. Insgeheim hoffte ich auf den Jackpot, damit ich meine Schulden auf einen Schlag zurückzahlen könnte.
Es war für mich eine Erlösung, als meine Eltern die Sucht erkannten und mich zur Rede stellten. Auch meine Frau merkte, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich hatte massive Schlafstörungen und war ständig müde. Zudem rauchte ich immer mehr. Ich war extrem gereizt, ungeduldig und stand oft kurz vor dem Explodieren.
Dabei hatte ich dauernd ein schlechtes Gewissen, weil ich sie hinterging und ihr Vertrauen missbrauchte. Auch gegenüber meinen zwei kleinen Kindern fühlte ich mich schlecht, da ich immer weniger Zeit für sie hatte. Glücklicherweise gab mir die Familie noch eine Chance. Dank einem Darlehen meiner Eltern und meines Bruders kann ich meine Schulden nach und nach bezahlen.
Angefangen hatte es in den Jugendjahren. Mit 16 spielte ich mit meinen Kollegen an den «Cherry-400»-Automaten. Mit 18 durften wir dann ins Casino. Vorerst spielte ich noch um bescheidene Beträge. Später verspielte ich jeweils Anfang Monat mein ganzes Geld. Als mein Einkommen aufgebraucht war, habe ich bei Kollegen kleinere Beträge ausgeliehen. Um die Schulden zurückzuzahlen, nahm ich einen Privatkredit auf. Nach drei Jahren realisierte ich mein Gefährdungspotenzial und liess mich in allen Casinos sperren. Doch nun fing ich mit Sportwetten im Internet an.
Es hat lange gedauert und viel Überwindung gebraucht, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich spielsüchtig bin. Dann war mir klar, dass ich professionelle Hilfe brauche. Ich nahm sie im letzten Jahr während acht Wochen in einer Tagesklinik in Anspruch. Zudem treffe ich mich zweimal monatlich mit einem Suchtberater.
Die Wettspiele sind inzwischen für mich tabu, denn sie haben um ein Haar mein ganzes Leben ruiniert. Es macht mir wieder Freude, mit meiner Familie in der Freizeit etwas zu unternehmen. Früher hat mich das gestresst, weil ich dadurch Wetten verpasste. Zudem trainiere ich eine Jugend-Sportgruppe, was mir viel Spass macht und meine neu gewonnene Zeit sinnvoll ausfüllt.
Spielsucht: Problem könnte noch zunehmen
Spielsüchtige sind meist hoch verschuldet. Sie geraten in eine Spirale, vertuschen das Ausmass ihrer Sucht und belügen ihr Umfeld. So kommt es meist zum Verlust der Arbeitsstelle und der sozialen Bindungen.
Fachleute befürchten, dass das Problem in der Schweiz künftig noch grösser wird. Hintergrund ist das neue Geldspielgesetz, das zurzeit die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats berät. Künftig sollen die bereits konzessionierten Schweizer Casinos auch im Internet Spiele wie Roulette oder Black Jack anbieten dürfen. Bis jetzt ist ihnen das nicht erlaubt.
Infos und Hilfe:
Helpline: 800 040 080
www.sos-spielsucht.ch