Nach zwei Jahren und fünf Behandlungen war Monika Heeb (Name geändert) am Ende. Die vielen Hormone, die Behandlungen und der seelische Stress der künstlichen Befruchtungen hatten ihr zugesetzt. «Um das durchzustehen, darf eine Frau nicht zu sensibel sein», sagt die 44-jährige Krankenschwester heute. Rückblickend seien die Behandlungen «nur eine grosse Belastung gewesen».
Monika Heeb hatte ihren Mann erst mit Ende Dreissig kennengelernt. Sie probierte ein Jahr lang auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Mit 39 Jahren suchte sie mit ihrem Partner erstmals eine Kinderwunsch-Klinik auf.
Die Hormoncocktails haben es in sich
In der Zeit darauf erlebte Monika Heeb ein einziges Auf und Ab – körperlich und seelisch. Sie liess sich mit Hormonen vollpumpen und probierte alles, um schwanger zu werden. Doch es klappte nicht. Monika Heeb überkommt das Grauen, wenn sie über diese Zeit erzählt.
Fünfmal versuchte sie es mit Hilfe der Medizin – in vier verschiedenen Kliniken. Das heisst: Fünfmal liess sie sich Hormone spritzen, um die Eierstöcke zu stimulieren. Darauf entnahmen Ärzte ihre Eizellen, befruchteten sie im Reagenzglas – und setzten sie Tage später in die Gebärmutter ein. Insgesamt zahlten sie und ihr Lebenspartner 35 000 Franken für diese In-Vitro-Fertilisationen (IVF).
Doch die Hormoncocktails hatten es in sich: Weil einmal die Dosis nicht stimmte, geriet ihr Körper in die Wechseljahre. Sieben Monate kämpfte sie darauf mit Hitzewallungen und der Angst, jetzt erst recht nie mehr schwanger zu werden. So geschehen in einer Kinderwunschklinik in der Innerschweiz.
In zwei anderen Kliniken, in Zürich und im nahen Ausland, fühlte sich Heeb seelisch alleingelassen. Zweimal wurde sie zwar nach den Behandlungen schwanger. Doch beide Male verlor sie den Embryo in den ersten Wochen. «Es ging mir miserabel», sagt Heeb. Doch bei der Klinik hatte nach den Aborten niemand für sie Zeit. «Es fühlte sich keiner mehr für mich zuständig.»
Wie belastend eine IVF-Therapie für ein Paar sein kann, erlebten auch Corina Pfister und ihr Mann aus Spiegel BE. Weil sie keinen Eisprung hatte, liess sie mehrere Behandlungen über sich ergehen. «Diese Zeit war enorm streng», erzählt Corina Pfister.
Zum einen wegen der Hormondosen, zum anderen wegen des seelischen Stresses. «Wir erlebten eine emotionale Achterbahn.» Doch sie hatten am Ende Grund zur Freude: Das Paar bekam nach IVF-Behandlungen Zwillinge.
Etwa 6000 Paare lassen sich jährlich in der Schweiz künstlich befruchten. Etwa ein Fünftel davon werden schliesslich auch Eltern. Franziska Wirz von der Beratungsstelle Appella hört immer wieder, wie stark künstliche Befruchtungen ein Paar belasten.
Insbesondere die Frauen seien häufig verzweifelt. «Sie sagen, sie könnten nicht mehr. Oder sie erzählen uns, sie hätten Ärzte in Fruchtbarkeits-Kliniken als nicht einfühlsam erlebt.»
Eizellentnahme ist mit Risiken verbunden
Oft wissen Paare auch nicht, worauf sie sich einlassen. Hebamme Brigitte Bernhard sagt: «Es ist vielen Paaren nicht bewusst, wie lange und beschwerlich der Weg einer künstlichen Befruchtung sein kann. Ein gesundes Baby ist dabei keineswegs garantiert.»
Hinzu kommt: Eine IVF-Behandlung ist für eine Frau ein gesundheitliches Risiko. Die Hormone belasten den Körper schwer. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Hitzewallungen und depressive Verstimmung sind häufige Nebenwirkungen. Die Entnahme der Eizelle ist zudem eine Operation mit Risiken: Verletzungen und Entzündungen von Gefässen, Darm und Nerven sowie Blutungen sind möglich.
Brigitte Bernhard rät deshalb, vor einer Fruchtbarkeits-Behandlung die Alternativen zu prüfen: Yoga, autogenes Training oder Massagen könnten helfen, sich zu entspannen. Das verbessere die Chancen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Die Hebamme empfiehlt auch Homöopathie, Fussreflexzonenmassage oder traditionelle chinesische Medizin (TCM).
Insbesondere TCM ist bei Paaren, die sich ein Kind wünschen, beliebt. Der Grund: Akupunktur und chinesische Kräuter erhöhen die Chance, ein Kind zu bekommen. Vier unabhängige internationale Studien weisen dies nach. So ist der Erfolg nach einer Befruchtung im Reagenzglas um 10 bis 15 Prozent höher, wenn sich die Frau auch mit traditioneller chinesischer Medizin behandeln lässt.
Gemäss Michael Häberle, Frauenarzt der Zürcher FruchtbarkeitsKlinik Gynart, kann TCM aber auch als alleinige Behandlung reichen: Der Arzt beeinflusst die Energiebahnen des Körpers mit Nadeln (Akupunktur) oder mit dem Abbrennen von heilenden Substanzen an Reizpunkten auf der Haut.
Auch Hypnose soll gemäss Studien künstliche Befruchtungen positiv beeinflussen. Wie erfolgreich andere alternative Methoden sind, ist unklar. Entsprechende Studien bei Homöopathie oder Fussreflexzonenmassage gibts nicht. Laut Michael Häberle sollen Paare selbst entscheiden, was ihnen helfen kann. «Hauptsache, es belastet sie nicht.»
Entscheidend ist das Alter des Paares – insbesondere das der Frau: Unter 35 ist die Wahrscheinlichkeit erheblich grösser, schwanger zu werden, als mit 38 Jahren. Doch Frauen verschieben ihren Kinderwunsch immer häufiger in ein Alter, in dem die Fruchtbarkeit nachlässt.
Die Frauen, die Häberles Praxis aufsuchen, sind im Durchschnitt 37 Jahre alt. Wichtig ist gemäss Franziska Wirz, ein Leben ohne Kinder zu thematisieren. «Helfen kann ein Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe.»
Für Monika Heeb und ihren Mann ist die Zeit der Kinderwunsch-Kliniken vorbei. Um das Erlebte zu verarbeiten, ging das Paar zu einer Psychologin. Die Gespräche hätten ihnen sehr geholfen, sagt Heeb. «Wir sehen heute neue Perspektiven – auch ohne eigenes Kind.» Das Paar überlegt sich nun, ein Kind zu adoptieren.
Tipps: Kinderwunsch über 35: Das müssen Sie wissen
- Haben Sie mit Ihrem Partner ein Jahr lang zwei bis drei Mal pro Woche ungeschützten Sex.
- Gehen Sie zur Frauenärztin, wenn Sie nach einem Jahr nicht schwanger sind. Die Ärztin führt medizinische Tests durch, um körperliche Probleme zu erkennen.
- Auch der Mann sollte sich unbedingt untersuchen lassen. Der Arzt bestimmt bei ihm die Samenqualität mittels Spermiogramm.
- Seien Sie offen für alternative Therapien. Überlegen Sie sich auch, eine psychologische Unterstützung beizuziehen.
- Falls Sie sich an eine Kinderwunsch-Klinik wenden: Stellen Sie Fragen, informieren Sie sich. Wechseln Sie die Klinik, wenn Sie kein Vertrauen zu den Ärzten haben.
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