Die Arbeitsbedingungen für Essenskuriere sind schlecht. Warum machen Sie diesen Job?
Ich fand die Vorstellung toll, mit Velofahren Geld zu verdienen. Von meinem Job als Geologe hatte ich genug. Heute weiss ich: Der Job ist hart. Ich kann strampeln, so viel ich will – finanziell komme ich auf keinen grünen Zweig.
Wie meinen Sie das?
Ich arbeitete zunächst für einen Lieferdienst, bei dem ich auf einen Stundenlohn von 9 Franken kam. Ohne Erspartes hätte ich meine Rechnungen nicht zahlen können. Das Problem in diesem Job: Man muss oft warten, auf einen Auftrag, ein Essen im Restaurant oder auf Kunden, die gerade nicht zu Hause sind. Und fürs Warten erhält man kein Geld. Der Druck ist enorm, das macht den Job gefährlich.
Warum gefährlich?
Um auf einen minimalen Lohn zu kommen, riskiert man auf der Strasse einiges. Je mehr Aufträge man annimmt, desto mehr verdient man. Essenskuriere auf Provisionsbasis halten sich kaum an Verkehrsregeln. Man überfährt Rotlichter und benutzt Fussgängerzonen.
Sie auch?
Ja, das kam schon vor. Tatsache ist: Es muss rasch gehen – und das in einer Stadt mit vielen Autos und wenig Velowegen. Seit ich zu einem Lieferdienst mit fixem Stundenlohn gewechselt habe, hat der Druck immerhin etwas nachgelassen. Heute halte ich mich meistens an die Verkehrsregeln. Und mit dem fixen Stundenlohn von 24 Franken komme ich knapp über die Runden – allerdings nur, weil ich keine Kinder habe und bescheiden lebe.
Was auffällt: Sie haben keinen Kurierrucksack am Rücken.
Ja. Als ich mit dem Job anfing, erkannte ich schnell: Der Rucksack muss weg. Er ist überdimensioniert und unpraktisch. Darum montierte ich für den Rucksack auf dem Gepäckträger einen Korb. Das schont meinen Rücken. Weiterer Vorteil: Wegen des Korbs halten die Autofahrer Distanz zu mir.
Wie lange wollen Sie diesen Job noch machen?
Ende Monat ist Schluss. Ganz ehrlich: Ich fürchte mich vor einem Unfall. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert. Zusammen mit den prekären Arbeitsbedingungen zehrt das an den Kräften. Auf Dauer leidet auch die Psyche.
Wie merken Sie das?
Der Stress bestimmt alles – und das drückt auf die Stimmung. Essenskuriere sind oft schlecht gelaunt. Hinzu kommt: Ich bin ein geselliger Mensch. In diesem Job hat man aber kaum Austausch mit anderen. Auch arbeite ich oft am Abend, in der Nacht und an Wochenenden. Für Familie und Freundin bleibt da nicht viel Zeit.
Zur Person
Philip Candrian wuchs in Wattenwil BE auf und studierte Geologie an der ETH in Zürich. Danach arbeitete er als Hydrogeologe in SaudiArabien, als Reiseleiter in Lappland und in einem Velogeschäft in Zürich. Für einen Kurierdienst liefert er heute auf dem Velo Essen in der Stadt Zürich aus. Er lebt in Zürich.